Von: luk
Bozen – Landwirtschaftliche Betriebe übernehmen zunehmend neue Aufgaben. Sie schaffen Arbeit für benachteiligte und behinderte Menschen, übernehmen Betreuungs- und Bildungsaufgaben. Einen Gesetzentwurf für diese “Soziale Landwirtschaft” hat die Landesregierung heute auf Vorschlag von Landesrat Arnold Schuler genehmigt.
Schon vor zehn Jahren hat die Südtiroler Bäuerinnenorganisation das Thema Soziale Landwirtschaft aufgegriffen. So werden beispielsweise Kinderbetreuung und Tagesmutterdienst am Bauernhof, das Projekt “Schule am Bauernhof” oder der Mittagstisch für Senioren an verschiedenen Orten erfolgreich angeboten.
Um den sozialen Initiativen am Bauernhof auch einen gesetzlichen Rahmen zu geben, die Tätigkeiten und die Verantwortlichkeiten abzusichern, Qualifikation und Qualität sicherzustellen hat Ladwirtschaftslandesrat Arnold Schuler gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Maria Hochgruber Kuenzer, dem Südtiroler Bauernbund und den Südtiroler Bäuerinnen, den Landesfachschulen für Hauswirtschaft und Ernährung, den Landesabteilungen für Landwirtschaft und für Soziales sowie der Europäischen Akademie Eurac einen Gesetzentwurf erarbeitet, dem die Landesregierung heute zugestimmt hat.
Der Gesetzentwurf baut auf das Staatsgesetz zur Sozialen Landwirtschaft Nr. 141 aus dem Jahr 2015 (Disposizioni in materia di agricoltura sociale) auf, beinhaltet aber eigene und neue Bestimmungen, um die “Multifunktionalität in der Landwirtschaft und die Diversifizierung der Landwirtschaft im Einklang mit den Programmen für die ländliche Entwicklung der europäischen Union” voranzutreiben, wie es Landesrat Schuler formuliert. Während auf gesamtstaatlicher Ebene häufig Genossenschaften als Anbieter im Mittelpunkt stehen, sind es in Südtirol vorwiegend bäuerliche Familienbetriebe. Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher heute nach der Regierungssitzung betonte, stehe das Vorhaben in keinem Fall in Konkurrenz zu genossenschaftlichen Initiativen.
Wie heute betont wurde, soll der Landesgesetzentwurf eine Brücke sein, um zum einen die Traditionen der sozialen Verantwortung der Südtiroler Landwirtschaft weiterzuentwickeln, zum anderen die Landwirtschaft im peripheren Raum zu stärken. Mit dem neuen Gesetz will die Landesregierung die soziale Landwirtschaft als Tätigkeit im Sinne des Art. 2135 ZGB anerkennen, soziale Dienstleistungen auf Bauernhöfen ermöglichen, Anbieter und Kunden rechtlich und finanziell absichern und der Bezeichnung “Soziale Landwirtschaft” Sichtbarkeit und Schutz bieten. Dazu soll ein eigenes Verzeichnis eingerichtet werden. Anbieter sozialer Landwirtschaft müssen eine angemessene Grundausbildung sowie eine Zusatzqualifikation im sozialen oder pädagogischen Bereich oder im Gesundheitswesen nachweisen.
Das Tätigkeitsfeld in der sozialen Landwirtschaft ist breit: Es reicht vom Tagesmutterdienst, der Arbeitsintegration auch für Schulabbrecher und der “Schule am Bauernhof” über den “Mittagstisch für Senioren”, die tiergestützte Therapie und Pädagogik und die Gartentherapie bis hin zu Betreuung von Senioren und Behinderten und der Wissensvermittlung. “Im Rahmen der sozialen Landwirtschaft können also Angebote im pädagogisch-didaktischen Bereich gemacht werden, aber auch im therapeutischen und rehabilitativen Bereich”, betont Landesrat Schuler, “das besondere und der Mehrwert dieser Angebote ist das Umfeld, in dem die Betreuten aufgenommen werden: das Zusammenleben oft mehrerer Generationen, die Nähe zur Natur, die ländliche Umgebung und Landschaft, der Umgang mit Tieren – all dies wirkt sich auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden positiv aus und kann den Betreuten helfen, den Sinn und Zweck des Daseins wiederzuentdecken oder sich dessen bewusst zu werden.”
Was die Pflegeangebote angeht, so beschränken sie sich auf Pflegestufen im unteren Bereich und ergänzen jene des Sozial- und Gesundheitswesens. “Grundsätzlich ist die Soziale Landwirtschaft als komplementäre Einrichtung zum Sozial– und Gesundheitsbereich zu sehen”, sagt die zuständige Landesrätin Martha Stocker, die mit Blick auf die demografische Entwicklung von einer “Chance und Hilfe” in der sozialen Versorgung spricht.
“Ein Mehrwert für die Gesellschaft in Südtirol”
Mit großer Genugtuung nimmt Landtagsabgeordnete Maria Hochgruber Kuenzer zur Kenntnis, dass die Südtiroler Landesregierung den Gesetzentwurf zur Sozialen Landwirtschaft beschlossen hat. „Bäuerinnen und Bauern erhalten damit bald weitere Erwerbsmöglichkeiten am Hof”, so die bäuerliche Landtagsabgeordnete, „und von diesen Initiativen profitiert die gesamte Südtiroler Bevölkerung.“
Es gibt bereits einige wirtschaftliche Säulen, um die bäuerliche Familien ihren Hofbetrieb und ihren Erwerb erweitern können, damit das bäuerliche Einkommen gesichert und statt dem Nebenwerb ein Zuerwerb direkt am Hof möglich ist:
– Mit Urlaub am Bauernhof gibt es touristische bäuerliche Unternehmen.
– Mit der Direktvermarktung bieten viele bäuerliche Familien ihre Produkte auf Bauernmärkten, im Hofladen oder als Direktlieferanten an.
Nun wird mit der Sozialen Landwirtschaft ein neuer sozial-unternehmerischer Bereich eröffnet: Tiergestützte Therapien, Orientierungsangebote für Schulabbrecher, Arbeitsintegration, Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen, Mittagstische, uvam. „Dank dieses Gesetzes wird es viele Möglichkeiten am Hof geben, pädagogische, soziale oder didaktische Angebot einzurichten“, so Hochgruber Kuenzer. Kinder- und Seniorenbetreuung wird von der – von Maria Hochgruber Kuenzer gegründeten – Sozialgenossenschaft Mit Bäuerinnen lernen-wachsen-leben bereits angeboten: „Das hat sich als so großer Erfolg gezeigt, so sehr, dass es mir ein Anliegen ist, diesen Bereich für die bäuerliche Welt zu erweitern“, so Hochgruber Kuenzer.
In der Arbeitsgruppe mit den Südtiroler Bäuerinnen, dem Landwirtschaftsressort, dem Sozialwesen und vor allem mit der Universität Brixen unter Prof. Susanne Elsen hat Maria Hochgruber Kuenzer diesen Gesetzentwurf eineinhalb Jahre ausgearbeitet. “Kollege Landesrat Arnold Schuler hat die Initiative derart überzeugt, dass er den Entwurf der Landesregierung vorgebracht, den diese nun auch beschlossen hat.”
„Das tolle an der Sozialen Landwirtschaft ist, dass neben der bäuerlichen Welt alle Bürgerinnen und Bürger damit eine Bereicherung erfahren,“ so Hochgruber Kuenzer: „Menschen brauchen immer öfter etwas Leben in der Natur, unabhängig davon ob Kinder, Jugendliche, Menschen mit Beeinträchtigung oder älter Menschen.” Fachlich gut vorbereitete Bäuerinnen und Bauern können bald solche Angebote einrichten. Zum Beispiel: Der Umgang mit Tieren wird immer häufiger bei völlig unterschiedlichen Beschwerden als therapeutische Maßnahme von ÄrztInnen und PädagogInnen vorgeschlagen.
Hochgruber Kuenzer: “Unterstreichen möchte ich auch, dass diese neuen Angebote keinerlei Konkurrenz zu bestehenden Angeboten darstellen werden, sondern sich damit verzahnen und einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.”
Doch noch sei das Ziel nicht erreicht. “Wichtig ist mir jetzt, dass wir den Beschluss der Landesregierung in der Gesetzgebungskommission und im Landtag noch so maßschneidern, dass mit den Durchführungsbestimmungen ein guter Start der Sozialen Landwirtschaft gelingen kann“, sagt Maria Hochgruber Kuenzer. Und sie verspricht: „Ich werde mich darum kümmern.”