Oberhofer sieht eine "verkürzte Diskussion"

Wifo-Ökonom: Ohne neue Handelsabkommen weniger Wohlstand

Donnerstag, 04. September 2025 | 15:16 Uhr

Von: apa

Wifo-Ökonom Harald Oberhofer sieht eine hierzulande “sehr verkürzte Diskussion” über das mögliche EU-Freihandelsabkommen mit dem Mercosurraum (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay). Gerade für die unter den US-Zöllen leidende Austro-Industrie ergäben sich Chancen. Zudem könnten sich auch für den Austro-Agrarsektor Perspektiven eröffnen. Ohne neue Handelsabkommen drohe angesichts der gesamten Weltlage weniger Wohlstand in der EU und Österreich.

Bei Marktstörungen könnten im Rahmen des Mercosur-Paktes Liberalisierungen ausgesetzt werden – vorerst für zwei und gegebenenfalls für weitere zwei Jahre. Das gelte für beide Wirtschaftsräume und auch für Sektoren, wo keine Quoten festgelegt sind, erläuterte Oberhofer rund um verschiedene, vorgesehene Schutzklauseln im Rahmen des sich abzeichnenden Abkommens am Donnerstag im Gespräch mit der APA. “Das könnte im Mercosur-Raum im Industriebereich relevanter sein und bei uns im Agrarbereich.”

Ohne neue Handelsabkommen weniger Wohlstand

Zur vor allem in Österreich heißen Mercosur-Debatte fragte und sagte der Experte sowohl auf die Alpenrepublik als auch die EU bezogen grundsätzlich: “Gibt es für gewisse Branchenvertreter überhaupt ein Handelsabkommen, das in Frage kommt? Wenn nicht, dann wird der gesamtwirtschaftliche Wohlstand mittelfristig geringer sein.” Eine kleine offene Volkswirtschaft wie die österreichische sei “maßgeblich von den internationalen Handelsmöglichkeiten abhängig”. Ein bevorzugter Zugang für die EU auf den Mercosur-Markt stärke auch die eigene Position in geopolitisch unsicheren Zeiten.

Chancen für Industrie

Vor allem für die hiesige Industrie böten sich Chancen, sollten Zölle von bis zu 30 Prozent wegfallen. Zudem sei es für die Wettbewerbsfähigkeit der Austro- und EU-Firmen von großem Vorteil, wenn man selber ein Abkommen mit dem Mercosur-Raum habe, andere Wirtschaftsblöcke aber nicht; für andere blieben die hohen Zölle bestehen.

Nicht zu vergessen sei, dass sich der Handel sowohl mit den USA als auch mit China erschwere – voriges Jahr habe es aber für Österreich nur bei diesen beiden Staaten ein Exportplus gegeben, während die Ausfuhren in alle anderen Länder zurückgingen. Und die USA sind zuletzt zum zweitwichtigsten Handelspartner Österreichs aufgestiegen, haben Italien überholt. Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump schade. Es gehe um Maßnahmen, diesen Schaden zu reduzieren. Alternative Absatzmärkte müssten überlegt werden.

Sorgen bei Landwirtschaft – aber auch Perspektiven und Schutzklauseln

Zu den agrarischen Sorgen verwies Oberhofer auf die Schutzklauseln, den seitens der EU-Kommission angekündigten Ausgleichsfonds und darauf, dass über die Quoten hinaus die bisher gültigen Zollsätze bestehen bleiben. Es könnten sich aber auch für österreichische Bauern mittelfristig Chancen ergeben, wenn nämlich im Mercosur-Raum ein Markenschutz wie in der EU umgesetzt werde. Dann wären geschützte heimische Produkte wie beispielsweise Gailtaler Almkäse, Steirisches Kürbiskernöl oder Tiroler Speck auch in den Mercosur-Staaten nach Ursprung oder geografischer Angabe geschützt.

Rindfleisch-Import zollfrei bis höchstens 99.000 Tonnen

Zudem sind hierzulande besonders kritisierte Rindfleisch-Importe bei der zollfreien Einfuhr in die EU auf 99.000 Tonnen oder 1,5 Prozent des EU-Rindfleischmarktes gedeckelt. Alle Mengen darüber hinaus bleiben verzollt wie bisher, erinnerte der Wirtschaftsprofessor.

(Von Philip Stotter/APA)

Kommentare

Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen