Schlüsselelement Zweckbestimmung

Wohnen in Südtirol bleibt teuer

Freitag, 05. März 2021 | 12:21 Uhr

Bozen – Das AFI-Barometer zeigt es einmal mehr: Das Problem am Südtiroler Wohnungsmarkt sind zum einen die hohen Immobilienpreise, zum anderen aber auch das unzureichende Angebot an Wohnungen. „Bauen alleine ist nicht genug“, meint AFI-Direktor Stefan Perini. „Man muss vor allem dafür sorgen, dass ein größerer Teil an Wohnungen als heute auf den Markt der Erstwohnungen landet – also für den Grundwohnbedarf zweckbestimmt wird.“

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Seit 2015 geht das AFI-Barometer der Frage nach, mit welchen Schwierigkeiten Südtirols Arbeitnehmer beim Erwerb des Eigenheims konfrontiert sind. Die größte Hürde stellen nach wie vor die Immobilienpreise dar (86 bis 90 Prozent der Nennungen); mit den Jahren hat sich aber auch die Wahrnehmung verstärkt, dass es an Angeboten am Wohnungsmarkt mangelt. AFI-Forscher Lorenzo Vianini meint, es handle sich „zum Großteil nur um einen scheinbaren Mangel. Verschiedene Studien belegen, dass die Anzahl der gebauten Wohnungen leicht ausreichen würde, um der gesamten Bevölkerung eine Erstwohnung zu sichern. Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut hat bereits 2017 in seiner Studie ‚Wohnen 2030‘ auf das eigentliche Problem hingewiesen: Tausende von Wohnungen – über zwölf Prozent des gesamten Bestandes – bleiben ungenutzt. Dabei handelt es sich zum Teil um ‚Zweitwohnungen‘ und zum Teil um Wohnungen, die aus den verschiedensten Gründen nicht mehr auf den Wohnungsmarkt kommen.“

2020 war aufgrund der Pandemie ein Jahr großer Veränderungen: Der konjunkturelle Einbruch in bestimmten Wirtschaftssektoren, allen voran im Tourismus, hat nicht nur das Angebot in manchen Marktbereichen erübrigt, sondern auch Arbeitnehmer in eine Notlage gebracht. Dazu AFI-Präsident Dieter Mayr: „Die öffentliche Wohnungspolitik hatte bisher vielen Familien den Zugang zur Erstwohnung ermöglicht bzw. den Wohnbedarf der notleidenden Familien gesichert. Heute reichen diese Maßnahmen jedoch nicht mehr aus, um bestimmte Arbeitnehmerklassen zu erreichen: Es braucht einen Mix an Wohnpolitiken, welche den unterschiedlichen Wohnungsmärkten in unserem Land gerecht werden – in großen Städten, kleinen Gemeinden, touristischen Ortschaften und Randgemein.“

Kurz vor Ausbruch der Pandemie hatte das AFI in einer Studie verschiedene kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen vorgeschlagen, um leerstehende Wohnungen auf den Markt zu bringen. „Dabei sind wir vom Prinzip des Gesetzes ‚Raum und Landschaft‘ ausgegangen, den Bodenverbrauch einzuschränken“, hebt AFI-Direktor Stefan Perini hervor. „Unser Institut schlägt neue Strategien vor, um eine beachtliche Anzahl an Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen, ohne neue Gebäude bauen zu müssen. So wird einerseits die Umwelt geschützt und andererseits die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit des lokalen Wohnungsmarktes gewährleistet. In Südtirol herrscht an sich kein Wohnungsmangel; vielmehr liegt das Problem darin, dass die Wohnungen nicht immer auf dem Markt für den Grundwohnbedarf landen.“

Vorschlag 1: Die Vermittlung durch die öffentliche Hand

Laut Artikel 39 des Landesgesetzes ‚Raum und Landschaft‘ dürfen die Wohnungen für Ansässige höchstens sechs Monate leerstehen; anschließend sind die Eigentümer verpflichtet, einen Mietvertrag mit dem Wohnbauinstitut zu unterschreiben. Das AFI schlägt vor, die Möglichkeit der Vermittlung über das Wohnbauinstitut auch auf die kleinen Eigentümer auszudehnen, ohne zwingend die Frist der sechs Monate abzuwarten. Das WOBI würde als zuverlässige, gemeinnützige öffentliche Einrichtung den einzelnen Bürger von der bürokratischen Belastung und den Schwierigkeiten, die mit der Anmietung verbunden sind, entlasten. Zudem könne das WOBI dadurch mehr Wohnungen zu geförderten Mietpreisen anbieten, ohne neue Gebäude kaufen oder bauen zu müssen. Nach Auslauf des Vertrages würden die Wohnungen dann wieder an den Eigentümer zurückgehen.

Vorschlag 2: Steuerermäßigungen für Mieten

Um die Vermietung über das Wohnbauinstitut schmackhafter zu machen, könnten ähnliche wirtschaftliche Vorteile wie jene von ‚Milano abitare‘ eingeführt werden, die unmittelbar sowie für die gesamte Dauer der Vertragszeit wirken. Die lombardische Körperschaft sieht für den Vermieter einen Sofort-Bonus zwischen 1.500 und 2.000 Euro sowie die Reduzierung der TASI, GIS und der Abgeltungssteuer vor, während der Mieter die Wohnung für einen festen Mietzins erhält, der darüber hinaus von der Einkommenssteuer in Abzug gebracht werden kann. Zudem sind für beide Parteien Mikrokredite vorgesehen, damit die Wohnungen erschwinglich sind bzw. ausfallende Mietzahlungen gedeckt werden können.

Vorschlag 3: Sanierung der bestehenden Gebäude

Eine wesentliche Rolle spielen auch die zunehmenden Beiträge für die Wiedergewinnung der bestehenden Bausubstanz: Etwa die Hälfte der sanierten Wohnungen ist Gegenstand einer finanziellen Beihilfe von Seiten des Landes. Dieser Bereich erfordert allerdings noch weitere Eingriffe, indem zum Beispiel der Zugang zum sog. Superbonus 110 Prozent erleichtert und die steuerlichen Ermäßigungen erhöht werden, falls Flächen und Bauvolumen umgebaut werden, um die bestehende Bausubstanz besser zu nutzen. Zudem sind auch Cohousing- und Social-Housing-Projekte mit Einsatz von leerstehenden Gebäuden zu fördern. Für diese Wohnungen sind dauerhafte und stringente Bindungen vorzusehen, damit die Finanzierung für die Wiedergewinnung auch tatsächlich dem Markt für die Deckung des Grundwohnbedarfs zugutekommt.

Von: mk

Bezirk: Bozen