Wie soziale Medien die Kontrollen stören

Alko-Lenker werden im Netz gewarnt

Sonntag, 26. Januar 2020 | 08:07 Uhr

Bozen – Alkohol am Steuer bleibt der häufigste Verstoß gegen den Straßenkodex in Südtirol. Dies ging aus einem Treffen im Jänner am Regierungskommissariat hervor. Um Unfälle mit Schwerverletzten oder gar Todesopfern zu vermeiden, wurde unter anderem der Ruf nach mehr Kontrollen lauter. Doch die nutzen wenig, wenn potentielle Alko-Lenker bereits im Vorfeld Bescheid wissen.

Schuld daran ist ein neuer Trend, der sich in Südtirol in den sozialen Netzwerken zu verbreiten scheint: User warnen andere vor Verkehrskontrollen vonseiten der Ordnungskräfte.

Ein besorgter Südtirol-News-Leser hat der Redaktion Auszüge aus Social Media-Kanälen zugespielt.

Fast so als wollten die User in den sozialen Medien potentielle Alko-Lenker in Schutz nehmen, wird vor möglichen Verkehrskontrollen gewarnt.

Gleichzeitig werden Befürchtungen laut, dass so ein bedenkliches Phänomen nicht bekämpft, sondern lediglich zugedeckt wird. Allein in einem Jahr sind insgesamt 593 Führerscheine wegen Trunkenheit am Steuer eingezogen worden.

Erst kürzlich haben die Carabinieri im Pustertal bei der Einfahrt nach Prags einen 64-Jährigen in seinem Wagen aufgehalten, der mehr als 2,5 Promille im Blut hatte.

In Corvara hat ein Urlauber aus Serbien am Dienstag einen Unfall mit zwei Promille im Blut gebaut.

In der Nacht auf den 8. Jänner ist die Straßenpolizei wegen eines Unfalls auf der Brennerautobahn ausgerückt. Der 40-jährige Mann, der in der Ukraine geboren wurde und in Bozen ansässig ist, hatte fast vier Promille im Blut und ist gegen 2.30 in der Früh auf der Höhe von Brixen gegen die Leitplanken auf der Überholspur geprallt.

Anfang Jänner haben die Carabinieri außerdem fünf Personen wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein entzogen. Insgesamt wurden 132 Fahrzeuglenker in Bozen und Umgebung, in Eppan, Mölten, Deutschnofen, Welschnofen, am Ritten, im Sarntal, in Jenesien, Terlan, Karneid, Tisens, Nals und in der Ortschaft Unsere Liebe Frau im Walde überprüft.

Bedenkliche Gerüchteküche

Der Sinn von großräumigen Straßenkontrollen bleibt jedoch fraglich, wenn vorher in sozialen Medien davor gewarnt wird.

Die Kontrollen verlieren einerseits den Überraschungseffekt. Schwarze Schafe bleiben unentdeckt und werden im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus dem Verkehr gezogen.

Andererseits verlassen sich Lenker auf die Gerüchteküche im Internet und wiegen sich womöglich in falsche Sicherheit: Obwohl sie bereits zu viel getrunken haben, setzen sie sich doch ans Steuer und verursachen unter Umständen einen Unfall.

Wie fatal eine Alkoholfahrt enden kann, zeigt das Beispiel aus Luttach kurz nach Jahreswechsel. Ein junger Mann ist in trunkenem Zustand in eine deutsche Reisegruppe gefahren. Neben mehreren Verletzten kamen sieben Menschen in Folge des Zusammenstoßes ums Leben.

Kein Alkohol ist etwas Positives

Erst im vergangenen November hat das Forum Prävention die Neuauflage der Alkoholpräventionskampagne gestartet. Im Rahmen der Sensibilisierungskampagne „Keine Kompromisse 2020“ weist auf die negativen Aspekte hin, die mit Alkoholkonsum verbunden sind. „Wer fährt, trinkt nicht“, heißt es im Text kurz und bündig.

Die Kampagnenarbeit in diesem Bereich besteht seit mehr als zehn Jahren.

„Die Schattenseiten des Alkoholkonsums werden im Genussland Südtirol gerne unter den Tisch gekehrt. Wer Alkohol produziert, verkauft und ausschenkt, ist kaum daran interessiert, etwas über die Risiken und Nebenwirkungen seines Produktes zu kommunizieren. Eher werden diese noch verharmlost“, sagt Peter Koler, Direktor des Forum Prävention.

Neben dem Aufzeigen von Risiken will die Kampagne auch soziale Normen verändern: Keinen Alkohol zu trinken ist eine positive Realität. Menschen, die keinen oder sehr wenig Alkohol trinken, sollen sich dafür nicht rechtfertigen müssen.

Von: mk

Bezirk: Bozen