Studie

Alpine Libellenarten profitieren nicht von künstlichen Teichen

Donnerstag, 07. August 2025 | 07:55 Uhr

Von: luk

Bozen/Wien – Eine detaillierte Untersuchung von Libellengemeinschaften in Südtirol zeigt: In hohen Lagen können vom Menschen geschaffene Gewässer den Verlust natürlicher Stillgewässer und Moore nicht ausgleichen.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit dem Biodiversitätsmonitoring Südtirol und untersuchte die Libellenfauna an natürlichen und künstlichen Gewässern in verschiedenen Höhenlagen.

Dabei zeigte sich: Mit zunehmender Höhe unterscheiden sich die Gemeinschaften der Libellen an natürlichen und anthropogenen Standorten immer deutlicher. Künstliche Teiche über 1600 Meter beherbergen keine der in dieser Höhe natürlich vorkommenden alpinen Libellenarten. Stattdessen werden sie von Arten besiedelt, die typisch für tieferliegende Gebiete sind. Künstliche Teiche zur Förderung der Biodiversität anzulegen, wie es auch in den Alpen propagiert wird, erscheint damit für diese Höhenlagen, zumindest was die Libellengesellschaften betrifft, als fragwürdige Strategie. Die Autoren der Studie plädieren deshalb dafür, die Anstrengungen zum Schutz der natürlichen alpinen Süßwasserlebensräume zu verstärken. An der Untersuchung waren Forscher von Eurac Research sowie der Universitäten Wien, Würzburg und Marburg beteiligt.

„Als wechselwarme Insekten, die einen Teil ihres Lebenszyklus im Wasser und einen Teil an Land verbringen, sind Libellen sehr abhängig von der Temperatur und den spezifischen Lebensraumbedingungen“, erklärt der Biologe Felix Puff, Hauptautor der Studie. „Sie sind deshalb auch ein gutes Modell für die Untersuchung alpiner Süßwasserlebensgemeinschaften, die durch Klimawandel und menschliche Störung gefährdet sind.“ Für die umfassende Erhebung wurden 28 natürliche und 13 vom Menschen geschaffene Gewässer in Höhen zwischen 215 und 2450 Metern untersucht, wobei 14 der Standorte auch Teil des Biodiversitätsmonitoring Südtirol sind. Puff erfasste die Arten und die Häufigkeit ihres Vorkommens im Feld, und kombinierte die Ergebnisse mit den Merkmalen der Arten; so entsteht ein detailliertes Bild, wie Habitatbedingungen und funktionelle Eigenschaften zusammenhängen. Bei den Großlibellen beispielweise wird mit größerer Höhe die Färbung dunkler und die Körpergröße nimmt zu – beides eine Anpassung an kältere Bedingungen, weil die Insekten dadurch mehr Licht absorbieren und mehr Wärme speichern können. Bei Kleinlibellen dagegen fehlen solche Anpassungen, weshalb sie in kälteren, alpinen Habitaten seltener werden. Diese Ergebnisse bestätigen und ergänzen Beobachtungen, die in Untersuchungen auf kontinentaler Ebene gemacht wurden. Gleichzeitig ist dies die erste Studie, die diese Trends auch auf lokaler Ebene entlang eines alpinen Höhengradienten nachweist.

Interessante Einblicke im Hinblick auf den Schutz der Biodiversität ergab der Vergleich von künstlichen und natürlichen Gewässern. In natürlichen Gewässern verändern die Libellengemeinschaften sich mit zunehmender Höhe deutlich, hin zu alpinen Spezialisten; dagegen finden sich in hochgelegenen künstlichen Teichen und Seen Arten, die eigentlich auch in viel tieferen Lagen vorkommen, sogenannte Generalisten, die verschiedenste Bedingungen tolerieren. In künstlichen Gewässern über 1600 Meter fehlen die alpinen Arten völlig. „Alpine Arten sind nicht imstande, diese künstlichen Gewässer zu nutzen“, so Puff: „Diese Arten haben komplexere Anforderungen an ihren Lebensraum.“ Dass anthropogen geprägte Gewässer ungeeignet für alpine Spezialisten sind, könnte unter anderem mit der meist kaum entwickelten Uferzone zusammenhängen, und mit dem unabhängig von natürlichen Zyklen schwankenden Wasserstand. Dieses Ergebnis widerspricht für Libellengemeinschaften der Vorstellung, künstliche Gewässer könnten Ersatzlebensräume für Arten sein, deren natürliche Habitate als Folge des Klimawandels oder menschlicher Eingriffe verschwinden.

Felix Puff führte die Untersuchung als Masterarbeit an der Universität Wien durch und wurde von Professor Christian Schulze und Elia Guariento von Eurac Research betreut. Die Studie ist in der renommierten Zeitschrift Global Ecology and Conservation erschienen

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