Sechs Anzeigen nach Massenschlägerei

“Baby Gangs” als Ausdruck einer “leeren Jugend”

Mittwoch, 02. November 2022 | 11:06 Uhr

Meran – Nach der Massenschlägerei in Meran sind laut Informationen der Zeitung Alto Adige sechs Jugendliche angezeigt worden. Es handelt sich sowohl um Südtiroler als auch um Jugendliche mit Migrationshintergrund. Vier von ihnen sind bereits aktenkundig.

Bekanntermaßen konnte der Großteil der Teilnehmer der Schlägerei in Meran die Flucht ergreifen, als die Ordnungshüter eintrafen. Einige von ihnen waren auch nicht unmittelbar an der Gewalt zwischen den beiden Gruppen beteiligt, sondern weilten dem Geschehen nur am Rande bei.

Bürgermeister Dario Dal Medico erklärte nach dem Vorfall, dass in Meran ein Problem mit Gewalt bestehe, man aber noch lange nicht die “Bronx” sei. Er sieht die Lösung nicht nur in Sanktionen und Polizei. Vielmehr müsse das Problem auf mehreren Ebenen – von Streetworkern, in der Schule oder im Elternhaus – angegangen werden.

Psychologe Gabriele Bissacco, der viel in Schulen rund um Meran und Bozen gearbeitet hat, sieht das Phänomen der “Baby Gangs” als Ausdruck einer “leeren Jugend”. Es handle sich um eine Jugend, die keinen geistigen Kompass hat. Weder Ideale noch religiöse Überzeugungen seien der Kitt, der diese Jugendlichen zusammenhält. Die Identifikation erfolge aber über Gewalt, die sich dann in Mode, Musik oder die Unterdrückung der Schwächsten ausdrückt.

“Die Jugendlichen sind alleine, unsicher und schwach. In der Gruppe ändert sich das radikal und sie fühlen sich allmächtig”, so Bissacco. “Diese Heranwachsenden erfahren oftmals Rückschläge und negative Dinge in verschiedenen Bereichen ihres Lebens – etwa im Elternhaus, der Schule oder bei extrakurrikularen Aktivitäten.” In der Gruppe mit Gleichgesinnten würden sie Halt finden. “Sie machen dann Dinge, die sie alleine nicht machen würden”, so der Psychologe weiter. Er erklärt auch, dass immer mehr junge Mädchen in Baby Gangs zu finden sind und auch Gewalt ausüben.

Mögliche Lösungen seien dabei nicht alleine Bestrafungen durch die Polizei oder andere Institutionen. Das könne sogar kontraproduktiv sein und sie darin bestätigen, keinen Wert zu haben. Vielmehr sieht Bissacco Hilfe und Unterstützung der Eltern als besseren Weg. Ihnen sollen die Werkzeuge an die Hand gegeben werden, wieder der Bezugspunkt für ihre heranwachsenden Kinder zu werden, ihnen unter die Arme zu greifen, damit sie wieder eine Zukunftsperspektive haben.

Für den Psychologen sind aber auch die Schulen und Lehrer entscheidend: “Auf die schwierigen Jugendlichen müsse in besonderer Weise eingegangen werden, damit sie wieder an sich glauben können und mit sich und der Welt zufriedener sind.”

Von: luk

Bezirk: Burggrafenamt