Wird man erwischt, wird’s teuer

Bedenkliche Mutprobe auf der Straße

Samstag, 14. September 2024 | 07:52 Uhr

Von: mk

Bozen – Autofahren bedeutet Freiheit, bringt aber auch große Verantwortung mit sich. Leider kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen Minderjährige ohne gültige Lenkberechtigung am Steuer sitzen. Der gefährliche Trend, der in Österreich im Zunehmen begriffen ist, scheint noch nicht ganz so deutlich über den Brenner zu uns herüber geschwappt zu sein. Dennoch ist Vorsicht geboten, immerhin fallen in Südtirol die Strafen deutlich saftiger aus.

Für Marion Seidenberger, Verkehrspsychologin des ÖAMTC, hat das Phänomen unterschiedliche Ursachen: “Oft sind es die jugendlichen Freunde, die ihre Alterskollegen ‘anstacheln’. Sei es aus Langeweile, Neugier oder aber als ‘Mutprobe’. Viele Kinder kennen das ‘Autofahren’ auch bereits aus Videospielen und denken, dass das reale ‘Fahrerlebnis’ nicht viel komplizierter wäre – und überschätzen so ihr Können.”

Nicht selten tragen aber auch die Eltern eine Mitschuld am Unfall, wenn sie ihren Nachwuchs zu früh ans Lenkrad eines Fahrzeugs im Straßenverkehr lassen und sie einfach selbst unterrichten wollen.

Unfallzahlen in den letzten sechs Jahren angestiegen

In den vergangenen sechs Jahren waren in Österreich neun “sehr junge Lenkerinnen und Lenker” – das heißt Personen unter 15 Jahren – ohne Lenkberechtigung an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Stark angestiegen sind die Zahlen bei Jugendlichen im Alter von 15 Jahren. In dieser Altersgruppe verursachten im gleichen Zeitraum bereits 22 Jugendliche ohne Fahrerlaubnis Unfälle mit Personenschaden.

Noch höher ist die Zahl bei den 16-Jährigen: Hier saßen 48 Personen ohne Fahrerlaubnis bei einem Unfall am Steuer. Den Spitzenwert bei Unfällen mit Personenschaden, die von Minderjährigen ohne Führerschein verursacht wurden, stellen die 17-Jährigen: In dieser Altersgruppe gab es in den letzten sechs Jahren 66 Unfalllenkerinnen und -lenker ohne Fahrerlaubnis. “Man muss bei diesen Zahlen bedenken, dass dies nur jene Unfälle sind, die auch aktenkundig wurden. Die Dunkelziffer bei unerlaubten Fahrten Minderjähriger dürfte noch weitaus höher liegen”, so die ÖAMTC-Verkehrspsychologin.

Phänomen in Südtirol

Mutproben dieser Art sind in Südtirol nicht häufig registriert worden. “Auch dass der Trend bei uns steigt, lässt sich nicht sagen”, erklärt Katia Grenga, Vizequästorin und Kommandantin der Straßenpolizei in Südtirol.

Das Phänomen wird dabei eher in der Peripherie des Landes registriert. Minderjährige, die über keinen Führerschein verfügen und sich eventuell ein Auto “ausborgen”, verirren sich selten auf Autobahnen und Schnellstraßen, wo die Straßenpolizei eher kontrolliert. Die Dunkelziffer könnte demnach höher liegen.

Rechtliche Konsequenzen bei Fahrten Minderjähriger ohne Führerschein

Wenn Minderjährige in Österreich ohne Führerschein unterwegs sind, drohen Verwaltungstrafen von mehreren Hundert Euro. Darüber hinaus kann auch eine mehrjährige Sperre für den Erwerb der Lenkberechtigung sowie ein Fahrverbot ausgesprochen werden.

Wird das Delikt von jüngeren Personen (unter 14 Jahren) begangen, können statt den Jugendlichen deren gesetzliche Vertreterinnen und Vertreter zur Verantwortung gezogen werden (wegen Verletzung der Aufsichtspflicht).

Für mögliche Unfallschäden an anderen Fahrzeugen kommt in der Regel die Haftpflichtversicherung der Kfz-Besitzer, etwa der Eltern auf. Die Versicherung kann sich unter diesen Umständen aber an die Fahrzeugbesitzer regressieren. Auch das Steckenlassen eines Zündschlüssels kann für die Zulassungsbesitzer versicherungstechnisch unangenehme Konsequenzen haben.

Strafen bei uns

Weitaus strenger fallen die Strafen bei uns aus. „In Italien – und damit auch in Südtirol – sind in diesem Zusammenhang Artikel 115 und Artikel 116 in der Straßenverkehrsordnung ausschlaggebend“, erklärt Grenga gegenüber Südtirol News.

Artikel 115 legt das Alter fest, das als Voraussetzung erforderlich ist, um die Fahrerlaubnis für einen bestimmten Fahrzeugtypus zu erwerben: Für Mopeds oder Kleinkrafträder der Kategorie AM (zwei- oder dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 km/h, bis vier kW, 50 cm³, bis 270 kg leer) reicht etwa ein Mindestalter von 14 Jahren.

Für Fahrzeuge der Kategorien A2 (größere Motorräder), B (Personenkraftwagen), C1 (Mehrspuriges Kraftfahrzeug bis 7,5 t zulässiger Gesamtmasse) und C1E (Züge aus C1-Zugfahrzeug und Anhänger über 0,75 t zulässiger Gesamtmasse sowie Züge aus B-Zugfahrzeug und Anhänger über 3,5 t zulässiger Gesamtmasse) kann der Führerschein ab 18 erworben werden.

Artikel 116 greift hingegen dann, wenn Personen am Steuer von Fahrzeugen erwischt werden, obwohl sie die Voraussetzungen dafür nicht haben und damit auch nicht den nötigen Führerschein. Das Bußgeld kann bis zu 2.000 Euro betragen. Weitere Folgen sind die Stilllegung und die Beschlagnahme des Fahrzeugs.

Geistige Reife essenziell für das Lenken eines Fahrzeugs

Für Marion Seidenberger macht es Sinn, dass ein bestimmtes Alter erreicht sein muss, bevor man sich hinter das Steuer eines Fahrzeugs setzen darf: “Bevor oder während sie mit der L17-Führerscheinausbildung beginnen können, befinden sich viele Jugendliche noch mitten in der Pubertät. In dieser Zeit finden tiefgreifende Veränderungen im Körper, vor allem aber im Gehirn statt. Das sollten Eltern unbedingt berücksichtigen, bevor sie ihren Nachwuchs ans Steuer eines Fahrzeugs im Straßenverkehr lassen. Es ist sinnvoll, das gesetzlich vorgeschriebene Alter jedenfalls abzuwarten, den fahrinteressierten Jugendlichen dies auch klar mitzuteilen und die Ausbildung nach den gesetzlichen Vorgaben durchzuführen bzw. im Zweifelsfall die Ausbildung zur Gänze bei den Profis der Fahrschulen zu absolvieren.”

Bezirk: Bozen

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