Leichtsinn verbreitet sich über soziale Netzwerke

Corona-Partys: Echt jetzt?

Donnerstag, 19. März 2020 | 12:24 Uhr

Berlin – Italien ist das europäische Land, das von der Lungenkrankheit Covid-19 am härtesten getroffen wurde. Während die Regierung in Rom prüft, die Ausgangssperre über den 3. April hinaus zu verlängern, scheint man in anderen Teilen Europas den Ernst der Lage noch immer nicht erkannt zu haben: In Deutschland laden User in sozialen Netzwerken zu Corona-Partys ein.

Weil auch in anderswo das öffentliche Leben stark eingeschränkt wird, haben viele mehr Freizeit. Das ermuntert zur Suche nach Alternativen – und zu Leichtsinn: Statt sich zu langweilen, wollen einige lieber feiern. Dabei gehen die Betroffenen offenbar davon aus, mit dem Kater danach auch die Krankheit auszukurieren. Immerhin verlaufen über 80 Prozent der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus völlig harmlos, oder?

Gerade in Krisenregionen in Italien schüttelt man über solche Überlegungen nur den Kopf. In Bergamo hat am Mittwoch ein Konvoi von rund 30 Militärfahrzeugen mehrere Tote vom Friedhof abgeholt, weil es dort an Platz mangelte. Corona-Partys sind nicht nur eine Verharmlosung der Situation, sondern auch ein Zeichen von Rücksichtslosigkeit.

Virologen warnen vor drastischen Folgen der Verdrängungsfeten und der „Jetzt-erst recht“-Stammtische: Eine Infektion mit Covid-19 kann tödlich enden – für einen selbst und vor allem für andere. Wer sich ansteckt, wird auch ohne Symptome zu einem potentiellen Überträger des Virus und das wird vor allem dann problematisch, wenn man nichtsahnend mit sogenannten Risikogruppen in Kontakt kommt. Ältere Menschen, Immunschwache und Personen mit einer Vorerkrankung gelten als besonders gefährdet.

Gleichzeitig beobachten Ärzte aus Italien zunehmend auch bei jungen Patienten schwere Krankheitsverläufe. Auch in China starben junge Ärzte und Pflegepersonal an Covid-19.

Gerne wird in diesen Tagen von Solidarität geschrieben, die die Krankheit in den Menschen wachruft. Doch die Krise scheint auch unsere schlechten Seiten hervorzuholen. Hamsterkäufe und das Horten von Klopapier führen uns den Egoismus deutlich vor Augen – und nun wohl auch Corona-Partys: Vermutlich begibt sich kaum ein Partygänger nach durchtanzter Nacht für zwei Wochen in freiwillige Isolation zu Hause, um abzuwarten, ob das Halskratzen einsetzt. Bis zu 14 Tagen kann es dauern, bevor sich Anzeichen einer Erkrankung mit Covid-19 zeigen. In dieser Zeit können Infizierte das Virus an jede beliebige Kontaktperson weitergeben. Viele leben in dem Glauben, gesund zu sein, gehen sorglos vor die Tür, in den Supermarkt oder treffen Freunde – und infizieren mitunter Hunderte von Mitmenschen.

Auch die Brandenburger Polizei hat im Zuge der Corona-Krise seit Dienstag an mehreren Orten Menschenansammlungen sowie Partys aufgelöst. Gegen mehrere Jugendliche wurde wegen Ruhestörung ein Platzverweis ausgesprochen, die sich in Teltow (Potsdam-Mittelmark) am Dienstagnachmittag an einer Schule aufhielten, Alkohol tranken und laut waren. 40 weitere Personen, die sich in Werder an der Regattastrecke in kleineren Gruppen aufhielten, seien belehrt worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit.

Feuer auf dem Spielplatz

Etwa 50 Menschen feierten am späteren Dienstagabend im Park Babelsberg in Potsdam eine Party. Noch bevor die Polizei eintraf, hatte sich die Gruppe bereits aufgelöst. In Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) haben sich mehrere Jugendliche auf einem Spielplatz versammelt und zündeten ein Feuer an.

In der Lombardei in Italien stehen unterdessen Krankenhäuser vor dem Kollaps, es mangelt an Betten in Intensivstationen. Die Zahl der Todesopfer und der Infizierten ist am Mittwoch wieder kräftig angestiegen. 2.978 Todesopfer wurden gemeldet, das sind 475 mehr als am Vortag. Noch nie war die Zahl der Toten an einem einzigen Tag so stark gestiegen. Die Zahl der Infizierten kletterte von 26.062 auf 28.719, was einem Zuwachs von 2.648 entspricht, teilte der italienische Zivilschutz in Rom mit. 2.257 Personen liegen auf der Intensivstation.

Auch in Deutschland herrscht Empörung über die Feierlaune bei manchen. Viele Twitter-User finden Corona-Partys unverantwortlich.

Von: mk