Safer Internet Day 2017

Cybermobbing: Aggressivitätsniveau im Internet steigt

Dienstag, 07. Februar 2017 | 11:20 Uhr

Bozen – Das Aggressivitätsniveau im Internet und in seinen zahlreichen Anwendungen steigt weiter an. Dies zeigt unter anderem eine Statistik des Kindertelefons Telefono Azzurro: Täglich wird dort ein Fall von Mobbing oder Cybermobbing gemeldet. Experten schätzen, dass jeder zehnte Jugendliche in Italien schon einmal Opfer von Ausgrenzung, Spott oder Nötigung über das Internet geworden ist. Vor wenigen Tagen hat der römische Senat die Behandlung eines Gesetzentwurfes wieder aufgenommen, der dem Phänomen Cybermobbing vor allem durch Vorbeugung begegnen will. Berichterstatter des Entwurfs ist der Südtiroler Senator Francesco Palermo.

Die Verlagerung der Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen von der Realität in die virtuelle Dimension des Internets und die seelischen wie körperlichen Leiden, die daraus entstehen, beschäftigen weiterhin Experten und Erzieher. So ist Cybermobbing das Schwerpunktthema des diesjährigen europäischen Aktionstages für mehr Sicherheit im Netz. Unter dem Motto “Be the change” (“Seid die Veränderung”) wird die Online-Community aufgerufen, Hass, Beleidigungen und gezielte Bedrohungen im Internet und in den sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Der Safer Internet Day wird heuer am 7. Februar in mehr als 100 Ländern rund um den Globus ausgerichtet – von A wie Afghanistan bis V wie Vietnam. In Südtirol begeht der Internet- und Anwendungsdienstleister Raiffeisen OnLine den Tag für mehr Sicherheit im Netz mit einem besonderen Antivirus-Angebot: 18 Monate Virenschutz zum Preis des Zwölf-Monats-Abos.

“In Südtirols Schulen und Familien wächst das Bewusstsein, dass ein krankhafter oder aggressiver Umgang mit dem Internet und den sozialen Netzwerken unter Jugendlichen großen Schaden anrichten, im Extremfall sogar zum Selbstmord führen kann. Trotz Aufklärungskampagnen und Infoabenden fühlen sich jedoch viele Eltern und Lehrer mit dem Problem nach wie vor überfordert”, sagt Alexander Wallnöfer, Vizedirektor von Raiffeisen OnLine und dort für Sicherheitsfragen zuständig. “Mütter und Väter wissen zwar, dass ihren Kindern im Internet viel Negatives begegnet. Sie schrecken jedoch davor zurück, die Online-Aktivitäten ihrer Kinder zu überwachen. Weil sich die Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen immer mehr in den virtuellen Raum verschiebt, würde die Überwachung einen schweren Eingriff in deren Privatsphäre bedeuten. Dazu kommt, dass viele Eltern im Umgang mit Internet-Anwendungen technisch überfordert sind.”

So wie die Südtiroler Postpolizei bietet auch Raiffeisen OnLine seit Jahren Informationsveranstaltungen zu den Gefahren aus dem Internet an. Auf der Webseite sid.raiffeisen.net finden Eltern, Lehrer und Jugendliche Tipps zum gesunden Umgang mit dem World Wide Web sowie Bild- und Videomaterial.

Der Tag für mehr Sicherheit im Netz wird jährlich am zweiten Tag der zweiten Woche des zweiten Monats vom europäischen Netzwerk Insafe begangen. In den EU-Mitgliedsländern treten eigene Safer Internet Centers als Veranstalter auf. In Italien ist dies die vom Unterrichtsministerium koordinierte Plattform Generazioni Connesse, in der unter anderem Telefono Azzurro und die Kinder- und Jugendanwaltschaft mitarbeiten. Heuer sollen auf vielen Ebenen positive Zeichen gegen Cybermobbing gesetzt werden – zum Beispiel mit eigenen Foto- und Filmprojekten sowie Aktionen in Schulen und im Internet. Direkt angesprochen werden dabei auch die Unbeteiligten (engl. Bystander), die zwar von Mobbing-Fällen in ihrem persönlichen Umfeld wissen, sich aber bislang noch nicht für das Mobbing-Opfer eingesetzt haben. Generazioni Connesse weist mit einer eigenen Video-Serie im Comic-Stil auf Fehlverhalten im Internet und in den sozialen Netzwerken hin.

Young+Direct warnt vor Gefahren

Das Internet ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch viele Jugendliche verbringen täglich mehrere Stunden im Netz und nutzen die damit verbundenen Möglichkeiten und Angebote. Besonders Onlinespiele und soziale Netzwerke wie Facebook, WhatsApp, Instagram oder Twitter sind für sie verlockend und attraktiv.

Dabei setzen sie sich auch verschiedenen Gefahren aus. „Diese reichen vom Suchtpotential, das nicht zu unterschätzen ist, über das unbeabsichtigte Veröffentlichen von persönlichen Daten bis hin zu Beleidigungen oder gezieltem Cybermobbing, dem viele ausgesetzt sind“, erklärt Michael Reiner, Leiter der Jugendberatungsstelle Young+Direct.

Der Internationale Safer Internet Day, der heuer am 7. Februar zum 14. Mal stattfindet, setzt genau hier an: er weist zum einen auf die möglichen Gefahren der digitalen Welt hin und will zum anderen dazu beitragen, dass das Internet zu einem sicheren, verantwortungsvollen und positiven Ort für Kinder und Jugendliche wird.

Dem heurigen Motto: “Be the change: unite for a better internet“ fühlt sich auch die Jugendberatungsstelle Young+Direct verpflichtet. Seit vielen Jahren bietet sie spezifische Workshops und Referate für Kinder, Jugendliche und auch Eltern an.

Besonders im Workshop „Ich im Web 2.0“ haben die Jugendlichen die Gelegenheit, sich mit den Chancen und Gefahren des Mediums Internet auseinanderzusetzen. „Dabei geht es uns nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger vor ihnen zu stehen“, sagt Reiner, „sondern darum, sie mit Wissen über Methoden und Werkzeuge auszustatten, mit denen sie sicherer im Internet unterwegs sein können“.

In den Workshops ist zu beobachten, dass viele Jugendliche sich schon sehr kompetent im Netz bewegen. „Aber es ist immer wieder auch erschreckend für mich, zu erfahren, wie viele Schülerinnen und Schüler bereits negative Erfahrungen in sozialen Netzwerken oder mit Chat-Apps gemacht haben“, meint Reiner. Das zeigt, wie wichtig die Sensibilisierungsarbeit und kinder-und jugendgerechte Informationen nach wie vor sind.

Martina De Zordo, die Vorsitzende des Südtiroler Jugendrings, betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig hier eine enge Zusammenarbeit von Schulen, öffentlichen Behörden, dem Elternhaus und den außerschulischen Trägern ist. „Jeder sollte sich dessen bewusst sein, um in Zukunft Synergien noch besser nutzen zu können“, meint de Zordo abschließend.

Social Media: Deeg und Tommasini rufen zu kritischem Umgang auf

Kinder und Jugendliche sind besonders den Gefahren im Netz ausgesetzt. Darauf machten die Landesräte Waltraud Deeg und Christian Tommasini zum Safer Internet Day aufmerksam.

Der Safer Internet Day ist ein von der Europäischen Union initiierter weltweiter Aktionstag für mehr Sicherheit im Internet. Dass es dafür eine koordinierte Vorgehensweise der öffentlichen Stellen und die Zusammenarbeit mit Schule und Elternhaus braucht, machten IT-Landesrätin Waltraud Deeg, Bildungslandesrat Christian Tommasini und Ivo Plotegher von der Postpolizei am Montag bei einer Pressekonferenz deutlich.  “Social Media sind per se nicht gut und nicht schlecht, es geht immer um die Frage, wie wir damit umgehen und was wir daraus machen”, sagte IT-Landesrätin Deeg. Sensibilisiert werden müssten nicht nur die Eltern, sondern vor allem auch die Kinder- und Jugendlichen selbst, denn – so Deeg – “über Chatrooms, aber immer mehr auch über soziale Medien, kommen Kinder und Jugendliche nämlich mit Welten in Kontakt, die sie in Gefahr bringen – und wir reden hier gar nicht über die sogenannten Darkrooms, sondern über öffentlich einsehbare Seiten, auf die viele Kinder zugreifen, und das jeden Tag. Wichtig ist es hinzuschauen, mit den Kindern darüber zu reden und zu wissen, wo sie hingehen.”

Studien zufolge sehen viele Jugendliche in ihren Social-Media-Kanälen nicht nur ihre Hauptinformationsquelle neben dem Fernsehen und mit großem Vorsprung selbst vor den Onlineausgaben der Zeitungen, sie kommunizieren auch mit ihren Freunden fast mehr digital als analog. “Es geht um einen verantwortungsbewussten und kritischen Umgang mit den neuen Medien, darum, wie man dieses Potential bestmöglich nutzen kann”, unterstrich Landesrat Christian Tommasini. Er wies auf die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Stellen im Land, den Schulämtern, dem Familienbeirat und der Postpolizei hin. “Nur durch eine Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen können wir den Gefahren im Netz vorbeugen und die Jugendlichen dazu befähigen, die Informationen im Internet kritisch zu betrachten und zu entschlüsseln”, so Tommasini.

Auf die umfangreiche Sensibilierungsarbeit der Postpolizei an Schulen und für Vereinigungen wies Ivo Plotegher hin: Allein im Schuljahr 2015/16 gab es 160 Informationsveranstaltungen an den Schulen, bei denen 13.000 Personen erreicht wurden. “Es fällt auf, dass bereits Kinder, die die Grundschule besuchen, ein Smartphone besitzen, und es deshalb besonders in diesem Alter wichtig ist, eine Reihe von Informationen zu geben, um mit dem Internet sicher und verantwortungsbewusst umzugehen”, unterstrich Plotegher. Deshalb dehnt die Postpolizei ihre Sensibilisierungstätigkeit nun auch auf die vierten und fünften Klassen der Grundschule aus. Von größter Wichtigkeit ist aber die Rolle der Eltern, die – so Plotheger – “einen 360-Grad-Dialog mit ihren Kindern führen müssen”.

Auf Kinder im Grundschulalter zielt auch ein neuer Film der Regisseurin und Produzentin Sigrid Seberich mit den Clowns Karamela & Schokola ab, der heute bei der Pressekonferenz vorgestellt wurde und am 6. März 2017 auf RAI Südtirol ausgestrahlt wird. In diesem Film werden aktuelle Themen angesprochen wie “Cybermobbing” und “Sexting” bzw. das Verschicken und Tauschen von eigenen Nacktaufnahmen über Internet und Handy. Wichtige Empfehlung von Ivo Plotegher: “Freundschaften nur mit jenen teilen, die man auch im wirklichen Leben kennt, nie persönliche Daten und Bilder an Unbekannte schicken.” Denn: Sind solche Bilder und Informationen einmal in Umlauf gebracht, besteht so gut wie keine Möglichkeit mehr, deren Verbreitung zu stoppen. Auch wenn Fotos in Sozialen Netzwerken z.B. nur für “Freunde” freigegeben sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese an anderen Stellen im Internet auftauchen. So können einmal verbreitete Aufnahmen auch Jahre später wieder auftauchen und den Abgebildeten schaden, beispielsweise bei der Jobsuche oder in Beziehungen.

Von: mk

Bezirk: Bozen