Von: mk
Bozen – Italien ist das gefährlichste Land Europas für Zugvögel: Rund 600.000 Jäger gehen jährlich auf Vogelpirsch. Weil Paarhufer wie Rehe und Hirsche früher selten waren, hat sich eine jahrhundertealte Tradition der Zugvogeljagd entwickelt. Dabei leisten Vögel einen äußerst wichtigen Beitrag zum Erhalt eines Ökosystems in der freien Natur – gerade heutzutage. Wie eine neue Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL zeigt, können Vögel in städtischen Gebieten eine entscheidende Rolle bei der natürlichen Bekämpfung invasiver Insekten spielen.
Insgesamt 39 Vogelarten sind in Italien zum Abschuss freigegeben – darunter neben Tauben, Enten und Watvögeln auch fünf Singvogelarten: Feldlerche, Amsel, Wacholderdrossel, Rotdrossel und Singdrossel.
Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) wollte wissen, ob insektenfressende Vögel helfen können, eine Verbreitung von exotischen Insektenarten zu verhinden, die sich als Schädlinge in Wäldern und Städten ausbreiten.
Für die Studie, die in der Fachzeitschrift „Biological Conservation“ publiziert wurde, hat man künstliche Raupen aus formbarer Knetmasse eingesetzt, um das Jagdverhalten von Vögeln in verschiedenen städtischen Räumen zu analysieren. „Die falschen Raupen werden an Ästen befestigt und die Vögel hinterlassen Fraßspuren, die wir messen“, erläutert WSL-Forscher Marco Basile gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI).
Die Attrappen wurden in Zürich, Basel und Lugano ausgesetzt, weil der Züricher Flughafen Zürich, der Rheinhafen Basel und der Kanton Tessin mit seiner Nähe zur Poebene Orte mit höherem Risiko einer Einschleppung invasiver Arten durch Transport und Warenhandel sind.
Die Ergebnisse sind durchaus spannend: Auf Flächen, die zu mehr als 30 Prozent mit Baumkronen bedeckt sind, werden ähnlich viele Insekten gejagt wie in einem Wald. Bei geringerer Baumkronenabdeckung bricht hingegen die Jagdaktivität der Vögel ein. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Empfehlungen für die Stadtentwicklung in der Schweiz. 30 Prozent Baumbedeckung gelten als Schwelle, ab der das menschliche Wohlbefinden und der Hitzeschutz gewährleistet sind. Einheimische Bäume wie Ahorn, Linde oder Schwarzerle verringern nicht nur den Lebensraum für invasive Arten, sondern begünstigen demnach auch die Anwesenheit insektenfressender Vögel.
Betrachtet wurde in der Studie unter anderem der Japankäfer – einer von mehreren exotischen Insekten, der sich beidseits der Alpen rasch ausbreitet und erhebliche Schäden an Wild-, Zier- und Kulturpflanzen verursachen kann. „Wir haben Spuren von Popillia japonica im Vogelkot gefunden, sogar im Kot junger Kohlmeisen, die gerade das Nest verlassen haben“, berichtet Basile. Dies bestätigt, dass einheimische Vögel in der Lage sind, sich schnell an die Jagd invasiver Arten anzupassen – vorausgesetzt, man lässt sie am Leben.
Für viele Zugvögel bleibt die Italienroute weiter alternativlos. Das hat zur Folge, dass sich einige Arten weiterhin bedrohlich reduzieren. Durch den fortschreitenden Klimawandel könnten sich zunehmend mehr Vögel den weiten Weg bis nach Afrika sparen und bei milden Temperaturen in dem Mittelmeerland bleiben. Dies würde ihren Bestand wohl weiter gefährden. Auf Vorschlag von Forstwirtschaftslandesrat Luis Walcher hat die Landesregierung in Südtirol die Vogeljagd für Auswärtige eingeschränkt.




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