Von: mk
Bozen – Sie fallen weder zahlenmäßig noch sonst mehr auf, im Gegenteil; wohl aber sind sie anfälliger und verwundbarer, schämen sich ihrer Not deutlicher, kaschieren sie besser. Gleichzeitig reden sie offener darüber und nehmen Hilfe konsequenter an: Die Rede ist von den über 13.000 Frauen, die von der Caritas im vergangenen Jahr begleitet, betreut, unterstützt und beherbergt wurden. Das entspricht 45 Prozent der insgesamt mehr als 29.000 Personen, die sich 2019 hilfesuchend an die Caritas gewandt und überwiegend auch durch Frauen Hilfe erfahren haben: Bei den Freiwilligen entspricht der Frauenanteil rund 63 Prozent (743 von 1.190 Ehrenamtlichen sind weiblich) und auch die Spenderinnen finden sich mit 55 Prozent in der Überzahl. Dies geht aus den Daten hervor, welche die Caritas für das Jahr 2019 aus all ihren Diensten zusammengetragen hat. Die Coronakrise, davon ist die Caritas überzeugt, wird besonders die Situation der Frauen noch einmal deutlich verschlechtern.
„Es geht uns nicht darum, die Frauen gegen die Männer auszuspielen oder umgekehrt: Für uns sind beide gleich wichtig, sei es, wenn sie Hilfe brauchen, als auch als haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie auch als Gönnerinnen und Gönner der Caritas“, nimmt Direktor Paolo Valente gleich vorneweg. „Zumal sich Frauen aber meist zurückhaltender zeigen und in der Not oft auch andere Bedürfnisse haben als Männer, wollten wir sozusagen das andere, weibliche Südtirol‘, das sich in unseren Diensten zeigt, einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Auch in der Coronakrise hat sich gezeigt, dass Frauen besonders verletzlich, gelichzeitig aber auch besonders stark sind: Sie waren und sind die ersten, die z.B. im Gastgewerbe oder im Handel ihre Arbeit verloren haben, zerrissen sind zwischen Familie und Arbeit, ohne die aber Pflege und andere wichtige Dienste für die Gesellschaft undenkbar sind. Eben deshalb ist es uns dieses Mal ein Anliegen, all ,unseren‘ Frauen in unserem Rückblick Sichtbarkeit zu verleihen“
„So wissen zum Beispiel die wenigsten, dass mehr als die Hälfte der rund 50.000 ausländischen Staatsbürger, die in Südtirol leben, jung und weiblich sind; sie machen 52,4 Prozent der zugewanderten Personen aus“, sagt Alessia Fellin. Sie leitet innerhalb der Caritas den Bereich „Aufnahme“. Zu diesem gehören die verschiedenen Einrichtungen und Dienste für Flüchtlinge, ebenso wie einige Beratungsstellen für Migranten, welche sich über das ganze Land verteilen. „Im Flüchtlingsbereich beherbergen wir mittlerweile nicht mehr fast nur junge Männer, wie das Anfangs der Fall war; inzwischen sind knapp ein Drittel davon junge Frauen. Sie kommen überwiegend aus Afrika, vor allem aus Nigeria. Unter ihnen sind zahlreiche Schwangere oder Mütter mit kleinen Kindern, die zum Teil alleinstehend sind. Sie benötigen besondere Aufmerksamkeit und enge Begleitung, auch weil manchen von ihnen nicht gut mitgespielt wurde. Sie sind besonders verletzlich und hilfsbedürftig“, berichtet Fellin.
Auffällig sei, dass die meisten Frauen, die vom Bereich „Aufnahme“ betreut oder begleitet werden, ein geringes Bildungsniveau aufweisen und es für sie auch schwer ist, einen Schulabschluss nachzuholen. „Dabei unterscheiden sie sich nicht von den Männern. Leider fehlen aber entsprechende Angebote, und es ist für diese Frauen noch viel schwieriger als sonst, geeignete Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu finden. Das erschwert ihnen natürlich die Arbeitssuche oder die Teilnahme an Arbeitsintegrations- oder Sprachkursen.“
Auch in den Caritas-Einrichtungen für Wohnungs- und Obdachlose sind rund ein Viertel der Beherbergten Frauen, unter ihnen auch Schwangere und Frauen mit. „Frauen haben natürlich auch in einem Obdachlosenhaus speziellere Bedürfnisse als Männer. Das fängt beim Schutz der Privatsphäre an und geht bis zur Betreuung beispielsweise von schwangeren Frauen“, berichtet Monika Verdorfer, die in Meran die drei Obdachloseneinrichtungen Haus Arché, Nachtquartier und Domus leitet. „Wir achten sehr darauf, dass diese Frauen individuell betreut werden, vor allem, wenn sie mehrere Problematiken aufweisen. Das bedeutet, dass sie größtenteils von weiblichen Mitarbeiterinnen des Dienstes kontinuierlich betreut werden.“
Zurückhaltender als ihre männlichen Kollegen sind die Nutzerinnen des Dienstes Bahngleis7, der niederschwelligen Caritas-Einrichtung in Bozen für Suchtkranke. „Nicht einmal ein Fünftel unserer 195 Besucher waren Frauen“, berichtet Leonardo Battisti, der stellvertretende Leiter von Bahngleis7. „Obwohl wir ein leicht zugänglicher Dienst sind, fürchten sich die Frauen, zu uns zu kommen. Sie haben Angst vor der Stigmatisierung, schämen sich oder wollen ihre Sucht vor ihren Arbeitgebern/Familien verbergen. Diejenigen Frauen, die zu uns kommen, sind aber deutlich jünger als unsere männlichen Nutzer (viele unter 35 Jahren) und sie beteiligen sich aktiver an den Beratungen und Werkstattangeboten.“ Wie andere Dienste auch, versucht Bahngleis7 auf Frauen zugeschnittene Angebote zu fördern z.B. durch ein Frauen-Kaffee, Vorträge und Gesprächsrunden zu spezifischen Frauen-Themen. „Dabei kümmern sich sozusagen Frauen um Frauen“, nennt Battisti dafür ein probates Mittel.
Es gibt aber auch Caritas-Dienste, bei denen der Frauenanteil bei den Nutzern deutlich höher ist als jener der Männer. Dies ist beispielsweise bei der Telefonseelsorge, die gemeinsam mit der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft getragen wird, der Fall: Über 60 Prozent der Nutzer sind Frauen. Auch in der Hauspflege der Caritas im Burggrafenamt liegt der Frauenanteil sei es bei den Betreuten als auch bei den Betreuenden deutlich im Zweidrittelbereich. Die Psychologische Beratung in Schlanders und das Ferienangebot der Caritas am Meer wird ebenfalls deutlich öfters von Frauen genutzt als von Männern. Besonders Alleinerziehende nehmen dieses Angebot gerne in Anspruch, sei es wegen des angebotenen Bustransfers und/oder der besonderen Sensibilität, welche ihnen vonseiten der Betreuer (auch diese vorwiegend weiblich) entgegengebracht wird.
Bei der Caritas Schuldnerberatung halten sich die Frauen und die Männer indes bei der Nachfrage die Waage. In die Sozialberatung, der Erstanlaufstelle der Caritas in Bozen, kommen nicht einmal ein Viertel Frauen. Auch hier zeigt sich, dass es für Frauen eine größere Hürde ist, niederschwellige Angebote anzunehmen als für Männer. Keine Frauen werden auftragsbedingt von der Caritas Männerberatung betreut, wohl aber kommt diese indirekt auch ihnen zugute, speziell was das Anti-Gewalt-Training anbelangt. Dieses Trainingsprogramm verfolgt einen opferschutzorientierten Ansatz, das heißt es ist ganz auf die betroffenen Frauen und Kinder ausgerichtet.
Eine wichtige Rolle spielen Frauen auch in den Projekten der Caritas außerhalb unseres Landes. „In Afrika sind es vielfach die Frauen, die das Überleben der Familien garantieren“, sagt Direktor Paolo Valente. Mikrokredite, Spargruppen, Betreuungs- und Ausbildungsplätze für Kinder, Unterstützungsmaßnahmen für ältere Personen – all dies seien Projekte, die direkt oder indirekt Zehntausende von Frauen betreffen. „Und das mit Erfolg, wie regelmäßige Projektbesuche und Ergebniskontrollen zeigen“, so Valente.
Bei all dem, was die Caritas im Land und außerhalb leistet, ist die Freiwilligenarbeit von unschätzbarem Wert. „Unsere Arbeit wurde 2019 täglich von rund 1.200 Freiwilligen unterstützt. Einige Dienste davon, wie etwa die Caritas Hospizbewegung und die Telefonseelsorge weisen dabei einen besonders hohen Frauenanteil (über 80 Prozent) auf. Auch sonst sind mehr Frauen als Männer am Werk bei einem Durchschnittsverhältnis von 60 zu 40 Prozent“, sagt Brigitte Hofmann, die Leiterin des Bereiches Caritas&Gemeinschaft, der die Freiwilligenarbeit und die Pfarrcaritas angehören. „Leider wird es für die Frauen zunehmend schwieriger, freiwillig tätig zu sein, zumal sie sich immer häufiger um pflegende Angehörige oder ihre Enkelkinder kümmern. Junge Frauen indes haben kaum zeitliche Ressourcen. Eben das ist es ja, was die Freiwilligen so besonders macht: Sie wenden eines ihrer kostbarsten Güter auf, nämlich Zeit, um für andere Menschen da zu sein“, unterstreicht Hofmann die wertvolle Arbeit der Ehrenamtlichen. „Die Pfarreien als lokales Bindeglied innerhalb der Gesellschaft spielen dabei eine wichtige Rolle.“
Eine weitere tragende Säule für das Wirken der Caritas sind die zahlreichen Spender, Gönner und Sponsoren. „2019 haben 6.040 Spender die Arbeit der Caritas unterstützt, rund 55 Prozent davon waren Frauen: Fast 650.000 Euro wurden für Not in Südtirol gespendet und 1,8 Millionen Euro (inklusive der Landesbeiträge in Höhe von 340.000 Euro) für Hilfsprojekte außerhalb des Landes. Dafür danken wir allen von Herzen und hoffen auch weiterhin auf das Wohlwollen und die Unterstützung der Bevölkerung gegenüber ihren Mitmenschen und gegenüber dem Tun der Caritas, egal, ob es sich um Frauen oder Männer handelt“, schließt Valente den Wirkungsbericht 2019 ab.