Von: apa
Mit einem Freispruch im Zweifel ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht ein Prozess um die angebliche Vergewaltigung eines 13-jährigen Buben im Stadionbad zu Ende gegangen. Für einen Schöffensenat reichte die Beweislage nicht aus, um einen zur Anklage gebrachten 50 Jahre alten Mann zu verurteilen. Der Bub hätte sich in seiner kontradiktorischen Einvernahme in “erhebliche Widersprüche verwickelt”, außerdem müsse man “die Gesamtsituation betrachten”, hieß es in der Begründung.
Der Fall hatte im vergangenen Sommer österreichweit für mediale Schlagzeilen gesorgt. Der Angeklagte war am 14. August im Stadionbad festgenommen worden, nachdem er unter Missbrauchsverdacht geraten war und vor dem Eintreffen der Polizei auf der Liegewiese von einem “wütenden Mob” verprügelt wurde, wie sein Verteidiger Daniel Strauss im Grauen Haus darlegte. Seinem Mandanten seien dabei mehrere Rippen gebrochen worden. Nach der erfolgten Festnahme habe man ihn zur Behandlung in ein Krankenhaus bringen und dort behandeln müssen, berichtete der Anwalt.
Anklage ging von Vergewaltigung im Duschbereich aus
Die Anklage legte dem 50-Jährigen zur Last, er hätte im Duschbereich des Freibads den 13-Jährigen zunächst dazu gebracht, an sich selbst geschlechtliche Handlungen vorzunehmen, indem er ihm mit dem Umbringen drohte. In weiterer Folge habe er den eingeschüchterten Buben zum Oralsex gezwungen. “Ich bin unschuldig”, erklärte der Mann. Darüber hinaus machte er auf Anraten seines Verteidigers keine weiteren Angaben. “Nicht er muss seine Unschuld beweisen. Ihm muss die Schuld bewiesen werden”, stellte Strauss fest.
Angeklagter für Verteidiger “praktisch blind”
Sein Mandant sei “praktisch blind”, verwies der Verteidiger auf ein eingeholtes fachärztliches Gutachten, demzufolge der 50-Jährige auf einem Auge gar nichts sieht und auf dem anderen ein Sehvermögen von einem Vierzigstel gegeben ist. “Er kann aus einem Meter Buchstaben erkennen, aber nichts lesen”, erläuterte der zur Verhandlung geladene Sachverständige. Aus einer Entfernung von 274 Zentimetern – so weit waren die Nasszellen-Bereiche voneinander entfernt, in denen sich der Angeklagte und der Bub gereinigt hatten – “hat er überhaupt keine Möglichkeit zu erkennen, um wen es sich beim Gegenüber handelt”, sagte der Gutachter. Allenfalls habe der Angeklagte “Bewegungen” erkennen können.
“Warum sollte ein Blinder jemanden zum Masturbieren auffordern? Er bekommt es ja nicht mit. Er sieht es nicht”, hielt der Verteidiger fest. Der Angeklagte – er bezieht eine Invaliditätspension – habe aufgrund seines sehr eingeschränkten Sehvermögens auch nicht mitbekommen, dass es sich beim angeblichen Opfer um einen 13 Jahre alten Buben handelte. Letzteres billigte auch die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zu – sexueller Missbrauch eines Unmündigen wurde dem Mann nicht angekreidet. Ihm sei aufgrund seiner Einschränkung das Alter des Burschen nicht klar gewesen, räumte die Anklagebehörde ein.
Dessen ungeachtet gebe es keinen Grund, an den belastenden Angaben des mittlerweile 14-Jährigen zu zweifeln, betonte die Anklagevertreterin: “Das Opfer hat keinen Grund, ihn zu Unrecht zu belasten.” Bevor das Video mit der kontradiktorischen Befragung des Burschen abgespielt wurde – er war im Ermittlungsverfahren schonend vernommen worden und musste daher nicht mehr vor Gericht erscheinen -, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Zeuge schilderte Vorgänge im Duschbereich
Fest steht, dass ein 20-jähriger Stadionbad-Besucher beim Betreten des Duschbereichs auf eine Szene aufmerksam geworden war, die bei ihm die Alarmglocken hatte schrillen lassen. Der Angeklagte sei “nackig” gewesen und habe an sich “herumgespielt”, der Bub sei “einfach stehen geblieben”, schilderte der junge Mann als Zeuge dem Senat: “Ich konnte es nicht glauben.” Er habe den Buben daher gefragt, warum er da mitmache, da habe dieser zu weinen begonnen und er sei zur Security gelaufen.
In der Begründung des Freispruchs stellte die vorsitzende Richterin am Ende fest, es bestehe “die Möglichkeit, dass er (der Bub, Anm.) beim Masturbieren erwischt wurde und er sich dafür geschämt hat.” Es sei nicht auszuschließen, dass so der Tatverdacht gegen den 50-Jährigen entstanden sei. Ob die Staatsanwaltschaft den Freispruch akzeptiert, entscheidet sich bis zum Wochenende. Die Anklagevertreterin gab vorerst keine Erklärung ab. Ein allfälliges Rechtsmittel müsste binnen der nächsten drei Tage eingebracht werden.
Keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dürften bisher zu den gewalttätigen Übergriffen auf den 50-Jährigen anhängig sein. Dabei sei Körperverletzung “ein Offizialdelikt. Das muss an sich von Amts wegen verfolgt werden”, gab Verteidiger Strauss zu bedenken. Dessen ungeachtet sei das bisher unterblieben. Nicht zuletzt deshalb habe sein Mandant von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht: “Sein Vertrauen in die Ermittlungsbehörden ist erschüttert.”
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