135 Jahre Kinderheim Meran Stiftung St. Nikolaus

“Kinder und Jugendliche ins Leben begleiten”

Freitag, 13. Oktober 2023 | 16:58 Uhr

Meran – Das Kinderheim ÖBPB Stiftung Sankt Nikolaus in Meran mit seinen drei sozialpädagogisch-integrierten Wohngemeinschaften feiert heuer sein 135-jähriges Bestehen und öffnete dazu am Tag der offenen Tür seine Tore für alle Interessierten. Bereits im Jahr 1888 wurde die Idee für ein notwendiges Kinderheim in Meran geboren. Am heutigen 13. Oktober wurde zurück und in die Zukunft geblickt.

Die Stiftung St. Nikolaus begleitet Kinder aus schwierigen Situationen ins Leben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts kümmerte sich das Institut St. Nikolaus in Meran um Waisenkinder und Minderjährige in schwierigen familiären Situationen. Lange Zeit wurde das ursprüngliche „Knabenasyl” in Meran von Ordensschwestern geführt, heute liegt die Führung der pädagogischen Einrichtung in den Händen des öffentlichen Betriebes für Pflege- und Betreuungsdienste, die Stiftung Sankt Nikolaus.

Der öffentliche Betrieb führt derzeit mit insgesamt 26 Mitarbeitern drei integrierte sozialpädagogische Wohngemeinschaften, bei der aktuell 24 Kinder zwischen sechs und 21 Jahren für eine bestimmte Zeit betreut und unterstützt werden, bis sie wieder in ihre Ursprungsfamilie zurückkehren oder ein eigenständiges Leben beginnen können.

Am heutigen Freitag hat die Stiftung St. Nikolaus zum Tag der offenen Tür geladen und das weitläufige Gelände des Kinderheims in eine Jubiläumsfeier verwandelt.

Der Präsident Giovanni Moeseneder Frajria begrüßte sämtliche Netzwerkpartner der Landesverwaltung, der Sozialdienste, der Sanität, des Jugendgerichts, der Schulen, der Ordnungskräfte und der anderen Einrichtungen für Minderjährige in Südtirol. Ein herzlicher Dank ging an die Freiwilligen und die Unterstützer des Heims.

Der Direktor des Kinderheims Philipp Mahlknecht und die Koordinatorin Julia Boscolo ließen die Heimgeschichte eindrucksvoll Revue passieren und berichteten aus dem Alltag in den Wohngemeinschaften. „Es sei wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, ihren Alltag selbst zu gestalten und mit Schwierigkeiten und Konflikten umzugehen. Unser Auftrag ist es sie aus dieser schwierigen Situation zurück ins Leben zu begleiten“, berichtete Direktor Mahlknecht. Die Jugendliche Julia zum Beispiel lebt seit zweieinhalb Jahren in der Wohngemeinschaft und ist mittlerweile volljährig geworden. Sie berichtet, dass das familiäre Umfeld der Wohngemeinschaften mit Erziehern und anderen Gleichaltrigen ihr sehr bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen geholfen hat. „Das Leben in der Wohngemeinschaft hat mir geholfen unterschiedliche Erfahrungen im schulischen und beruflichen Kontext zu sammeln. In diesen zweieinhalb Jahren habe ich zahlreiche Personen kennengelernt, die mir geholfen haben aus mir herauszukommen und die Einsamkeit hinter mir zu lassen. Jetzt besuche ich die Abendschule und setze meinen Bildungsweg fort.“

Die Direktorin des Amtes für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion des Landes Südtirol Frei Petra der Stiftung St. Nikolaus beschrieb die Maßnahmen und Leistungen des Landes zum Schutz der Minderjährigen in Südtirol. Sie dankte der Stiftung Sankt Nikolaus für die wertvolle Arbeit zum Wohle der Kinder und Jugendlichen. “Das große Verdienst der Stiftung St. Nikolaus ist es, dass sie in all diesen Jahren es verstanden hat, die wandelnden Bedürfnisse der Minderjährigen wahrzunehmen und ihren Dienst an die sich verändernden Anforderungen der jungen Menschen in ihrer Obhut angepasst hat.”

Auch die Primarin der Kinder-und Jugendpsychatrie in Meran Donatella Arcangeli, blickte auf über zehn Jahre Netzwerkarbeit zurück. Sie betonte: „Der landesweite Dienst der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist Netzwerkpartner der Sozialdienste, der Schulen und des Jugendgerichts. Der Dienst richtet sich an Minderjährige, die nicht nur Probleme im Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld aufzeigen, sondern auch psychiatrische Störungen aufweisen, für die sie besondere Hilfe benötigen. Zu diesem Zweck verfügt der Dienst der Kinder- und Jugendpsychiatrie über 45 Plätze in integrierten sozialpädagogischen und therapeutischen Wohngemeinschaften, die über das gesamte Landesgebiet verteilt sind.“ Das Kinderheim Sankt Nikolaus mit seinen integrierten sozialpädagogischen Plätzen arbeitet eng mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zusammen und ist seit der Schaffung des Südtiroler Netzwerks für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Jahr 2007 Bestandteil davon.

Als einer der Hauptredner sprach auch der Präsident des Jugendgerichts Bozen Benno Baumgartner, der die Charakteristiken der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen beschrieb. Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, versuchen der Sozialdienst und viele andere Institutionen im spontanen Kontext die Erziehungsfähigkeit der Eltern zu stärken etwa durch pädagogische Individualbegleitung, Nachmittagsbetreuungen und Tagesstätten. Sollte auch dies nicht ausreichen, muss vom Gericht eine Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien und Wohngemeinschaften als letztmögliche Hilfestellung angeordnet werden. Auch das Jugendgericht stellte eine Zunahme der Komplexität der Bedürfnisse und Schwierigkeiten der Minderjährigen in den vergangenen Jahren fest, da die Minderjährigen durch die sozialen Netzwerke immer mehr Inputs, Anreize und Möglichkeiten verarbeiten müssen. Entsprechend steigen die pädagogischen Anforderungen an die Wohngemeinschaften von Jahr zu Jahr. „Was sich aber nie ändert ist der Wunsch der Kinder und Jugendlichen, sich angenommen und aufgehoben zu fühlen: die Fähigkeit, dieses Gefühl der Geborgenheit zu geben, stellt die Basis für den Erfolg einer Einrichtung für Minderjährige dar“, so Baumgartner.

Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Anna Zangerle.

Von: mk

Bezirk: Burggrafenamt