Zweitsprachenunterricht praxisnäher gestalten – ein Kommentar

Schwere Sprache

Donnerstag, 30. März 2023 | 01:39 Uhr

Bozen – Mitten hinein in den Bozner Schulstreit platzt die Nachricht, dass auch im vergangenen Jahr rund die Hälfte der Prüflinge, die sich um einen Zweisprachigkeitsnachweis bewarben, durch den Rost fielen. Für ein Land, in dem die Schüler der beiden größeren Sprachgruppen von der Volksschule bis zur Matura Hunderte von Unterrichtsstunden in der zweiten Landessprache erhalten, ist das ein Armutszeugnis.

Indirekt berührt die Zweisprachigkeitsprüfungsmisere auch den Bozner Schulstreit, ist es ja die Hoffnung der italienischen Eltern, ihnen dadurch ein besseres Deutsch zu vermitteln, die sie dazu verleitet, ihre Kinder in deutsche Schulklassen einzuschreiben. Beide Phänomene zeigen uns, dass im Zweitsprachenunterricht dringender Handlungsbedarf besteht. An der enormen Menge an Stunden kann es nicht liegen. Mit dieser Stundenanzahl wird in anderen Ländern Kindern Chinesisch in Wort und Schrift als Zweitsprache beigebracht. Vielmehr hakt es an der Qualität und leider teilweise auch am guten Willen.

APA/APA (dpa/Symbolbild)/Hendrik Schmidt

Zum einen könnte der Unterricht in der zweiten Sprache dadurch verbessert werden, indem er praxisbezogener gestaltet wird. Was liegt in einem Land, das vom Tourismus sowie von der Geschäftstüchtigkeit seiner national und international vernetzten Unternehmen lebt, näher, als in diesen Betrieben Deutsch- und Italienischpraktika zu organisieren? Die Nutzung der Zweitsprache ließe sich in Hotels, Handelsbetrieben, Kaufhäusern und Büros besser vermitteln als nur durch trockenen Frontalunterricht. In Hinblick darauf, dass sich der Sprachunterricht an Nichtmuttersprachler richtet, wäre es zudem wünschenswert, die Literaturgeschichte weitgehend aus dem Zweitsprachenunterricht zu verbannen.

APA/APA/Symbolbild/HANS PUNZ

Natürlich gibt es kein Allheilmittel, aber durch die Verbesserung des Unterrichts in der zweiten Sprache würde sich auch der Druck auf die deutschen Schulen verringern. Denn fühlen italienische Eltern, dass in den italienischen Schulen der Deutschunterricht besser wird, sinkt auch das Verlangen, den Nachwuchs in deutsche Schulklassen einzuschreiben. Auf der anderen Seite gilt es auch in den „deutschen Tälern“, wo wenig Gelegenheit zum Kontakt mit Italienern besteht, über praxisnähere Unterrichtsmodelle nachzudenken. Dazu könnten „Sprachferien“ dienen, die je nach Zugehörigkeit entweder in rein italienischen Regionen oder in Österreich und Deutschland stattfinden könnten.

Es muss aber unser aller Interesse sein, im Sinne des besseren Verständnisses und Miteinanders im Landl das allgemeine Zweitsprachenniveau zu verbessern. Dies sollte ein Zukunftsziel sein, das weit über einen Nachweis, der zur Teilnahme an einem öffentlichen Wettbewerb berechtigt, hinausgeht.

Von: ka

Bezirk: Bozen