Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden am Donnerstagvormittag Anträge der Süd-Tiroler Freiheit und der Grünen zur Stundung von Krediten und dem Recovery Fund behandelt.
Beschlussantrag Nr. 366/20: Bank-Kredite (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 18.12.2020). Der Landtag beauftragt die Landesregierung, mit den Südtiroler Kreditinstituten in Kontakt zu treten, damit ausstehende Kredite zeitlich begrenzt aufgeschoben werden können.
“Die Corona-Krise hat viele Wirtschaftsbetriebe und Privatpersonen in Südtirol finanziell hart getroffen”, bemerkte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). “Die Investitionen der letzten Jahrzehnte sind fast ausschließlich über Bankkredite abgewickelt worden. Viele Menschen stehen nun vor enormen finanziellen Schwierigkeiten, da die Kredite weiterhin zurückbezahlt werden müssen, obwohl schlichtweg das Einkommen fehlt. Diese unverschuldete finanzielle Notlage ist inzwischen für viele Betriebe und Privatpersonen existenzgefährdend. Sinkende Steuereinnahmen für das Land und steigende Arbeitslosenzahlen werden die Folgen dieser Entwicklung sein. Viele Betriebe müssen sogar schon Kredite aufnehmen, um die letztjährigen Steuern zu zahlen – ein Teufelskreis.” Knoll nannte als Beispiel eine junge Unternehmerin, die für ihr Geschäft einen Kredit aufgenommen habe, um die Winterkollektion einkaufen zu können, die sie dann aber nicht mehr verkaufen konnte. Es gebe viele solche Fälle. Die Banken hätten eine Bringschuld, denn bei vergangenen Krisen seien sie großzügig unterstützt worden.
Gerhard Lanz (SVP) gab zu bedenken, dass die Banken eine Neubewertung der Kredite durchführen müssten, und da sei die Frage, inwieweit das Land hier eingreifen könne. Es gehe um eine zusätzliche Stundung eines bereits gestundeten Kredits, und das ziehe laut Bankengesetz eine negative Bewertung mit sich. Die Gespräche mit den Banken würden geführt, und man schaue, wie man die genannten negativen Auswirkungen vermeiden könne.
Derzeit sei jede Unterstützung hilfreich, meinte Josef Unterholzner (Enzian). Niemand habe ahnen können, dass diese unsichere Situation auf ihn zukomme. Am besten wäre, wenn man die Betriebe wieder arbeiten lassen würde. Der Antrag besage einfach nur, dass man den betroffenen Betrieben helfen solle. Es gehe immerhin um die Betriebe, die den Landeshaushalt finanzierten. Alle könnten derzeit Hilfe brauchen, Betriebe wie Personen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) wies darauf hin, dass eine Stundung der Kredite bereits von den Notdekreten vorgesehen sei. Das dürfte nicht zu einer Negativbewertung führen. Das entsprechende Dekret reiche bis Ende Jänner, werde aber sicher verlängert. Trotzdem werde er dem Antrag zustimmen.
Diese Betriebe könnten die Raten derzeit nicht zahlen, weil ihnen vom Staat das Arbeiten verboten wurde, erklärte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). In Deutschland würde die öffentliche Hand sämtliche Spesen übernehmen, die sich durch eine krisenbedingte Stundung ergäben. Es gebe auch Private, die ihren Wohnungskredit nicht mehr zurückzahlen könnten. In der Schweiz würden solche Fälle als Härtefälle eingestuft, und sie bekämen Stundungen, Zusatzkredite und andere Hilfen. Auf Südtirol könne ein Massenkonkurs zukommen, und das gelte es zu verhindern.
Das Land habe im Frühjahr zusammen mit den Banken ein Paket geschnürt, mit dem vielen geholfen worden sei, erklärte Helmut Tauber (SVP). Nun müsse man schnell ein neues Paket schnüren, und daran werde bereits gearbeitet. Dieser zweite Schlag werde sicher noch härter ausfallen als der erste. Außerdem brauche es massive Unterstützungen mit Verlustbeiträgen, man könne nicht auf Rom warten. Der Tourismus sei seit Monaten lahmgelegt, er brauche schnellstens Maßnahmen für seine Mitarbeiter – LR Achammer sei bereits dabei.
Man müsse zunächst schauen, was gemacht werden könne, erklärte LH Arno Kompatscher. Das Land könne Beiträge vergeben, auch zusätzlich zum Staat, oder Zinsbeihilfen. Die andere Frage sei, was die Banken dürften. Die europäische Bankenaufsicht habe weitere Stundungen bis Ende März eingeräumt – um maximal neun Monate -, aber nur in bestimmten Fällen, und die Banken müssten dafür bürgen. Das könne nicht mit einem Gespräch mit den lokalen Banken gelöst werden, dieses Problem mache den Banken in der gesamten EU Probleme. Man könne die Zielsetzung des Antrags unterstützen, aber das Land oder die Banken könnten nicht die Regeln der europäischen Bankenaufsicht ändern.
Sven Knoll erinnerte an den gleichlautenden Antrag vom Dezember, zu dem die SVP bereits Zustimmung signalisiert habe. Diese Kehrtwendung sei nicht nachvollziehbar. Er habe selbst für sein Unternehmen einen Kredit aufgenommen und seine Bank habe von sich aus eine Stundung angeboten – es gehe also ganz unbürokratisch. Es gehe bei diesem Antrag darum, den Banken ein Signal zu senden, dass hier von ihnen etwas erwartet werde. Man müsse alles versuchen, was möglich sei. Es gehe hier nicht um Parteipolitik, sondern um das Überleben von Privatpersonen und Betrieben.
Gerhard Lanz wies den Vorwurf zurück. Man habe damals grundsätzlich Zustimmung zum Anliegen signalisiert, nicht zur damaligen Fassung des Antrags.
Der Antrag wurde mit 16 Ja und 17 Nein abgelehnt.
Hanspeter Staffler (Grüne) hat dem Plenum heute eine neue Fassung seines gestern bereits andiskutierten Antrags vorgelegt, der auch von Gert Lanz (SVP) mitunterzeichnet wurde.
Beschlussantrag Nr. 364/20: EU-Recovery-Fund: Das Südtiroler Teilprojekt soll dem Landtag zur Überprüfung und Ratifikation vorgelegt werden (eingebracht von den Abg. Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 17.12.2020); der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. eine Aufklärung über die bevorstehenden Projekt- und Verfahrensschritte zum EU-Recovery Fund aus inhaltlicher und zeitlicher Sicht dem Landtagsplenum zu übermitteln; 2. das zurzeit bestehende Südtiroler Teilprojekt zum EU-Recovery-Fund dem Landtagsplenum mitzuteilen und zu erklären; 3. zukünftige Änderungen oder neue Entwicklungen bezüglich EU-Recovery Fund rechtzeitig dem Landtagsplenum mitzuteilen und zu erklären.
Staffler erklärte, dass man den Antrag in Absprache mit der SVP so abgeändert habe, dass die Informationen über den Recovery Fund dem gesamten Landtag und nicht dem Gesetzgebungsausschuss vorgelegt werden.
Gerhard Lanz (SVP) dankte für die Bereitschaft zur Änderung. Es sei wichtig, dass sowohl die Trennung von Legislative und Exekutive, aber auch die nötige Flexibilität erhalten blieben.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) kündigte Zustimmung an. Er erinnerte, dass der Recovery Fund im Rahmen der Haushaltsdebatte in allen Medien Niederschlag gefunden habe. Damals seien 2,3 Mrd. Euro kolportiert worden. Aber das sei Schall und Rauch, denn es gebe noch nichts Sicheres. Der Landeshauptmann sollte konkretere und realistischere Informationen bieten.
LH Arno Kompatscher widersprach energisch. Im Haushaltsvoranschlag sei kein Cent aus dem Recovery Fund eingeschrieben, genau deshalb, weil es noch ein laufendes Projekt sei. Das sei auch im Haushaltsbericht gesagt worden. Er habe in seiner Haushaltsrede auch klargemacht, dass es noch keine Sicherheit für die Finanzierung der angesprochenen Projekte gebe. Erst wenn es eine Zusage gebe, dann werde man die nötigen Mittel in den Haushalt schreiben. Gleichzeitig verhandle man mit dem Staat, um selbst Kredit aufnehmen zu können, um die Unternehmen zu unterstützen.
Der Antrag wurde mit 34 Ja und einem Nein angenommen.