Tiroler Studie

Chemo vor OP für mehr Blasenkrebs-Patienten möglich

Sonntag, 01. September 2024 | 08:00 Uhr

Von: apa

Tiroler Forscher haben belegt, dass durch die Messung der Nierenfunktion über den 24-Stunden-Urin mehr Blasenkrebs-Patienten eine Chemotherapie vor einer Operation ermöglicht werden kann. Dies bringe einen größeren Überlebensvorteil. Bei der Therapie handelt es sich um den “Goldstandard” bei muskelinvasiven Blasentumoren, teilte die Medizinische Universität Innsbruck mit. Die Beobachtung wurde in einer Studie mit 1.000 Patienten untermauert.

Die sogenannte cisplatinhaltige Chemotherapie mit nachfolgender operativer Komplett-Entfernung der Harnblase sei die beste Behandlungsmethode bei Patienten mit muskelinvasiven Blasenkarzinomen (MIBC), hieß es. “Die neoadjuvante (den Tumor verkleinernde) Chemotherapie vor der radikalen OP bringt einen zusätzlichen Überlebensvorteil von bis zu acht Prozent in fünf Jahren”, erläuterte Uro-Onkologin Renate Pichler, die für die Studie federführend verantwortlich zeichnete. Diese stehe jedoch nur Patienten mit ausreichend guter Nierenfunktion offen. Gemessen wird diese durch die sogenannte Kreatinin-Clearance im Labor, üblicherweise durch Blutwerte.

Pichler fiel auf, dass an der Universitätsklinik Innsbruck eine “relevant höhere” Zahl an Patientinnen als chemo-tauglich eingestuft wurden. Hier werden routinemäßig auch die Werte aus dem 24-Stunden-Urin ausgewertet. Gemeinsam mit Kollegen aus den Fachbereichen Nephrologie, Onkologie und Medizinische Statistik initiierte die Südtirolerin daraufhin eine interdisziplinäre Studie. Rund 1.000 zwischen 2011 und 2021 an europäischen Zentren behandelte Patienten wurden dabei berücksichtigt.

Gerade bei Patienten mit Werten im Graubereich hätten sich durch eine Kreatinin-Clearance aus dem 24-Stunden-Urin eine deutlich höhere Anzahl an chemo-tauglichen Einstufungen ergeben. “Das lässt die Annahme zu, dass ein signifikanter Anteil von Patientinnen und Patienten aufgrund einer alleinigen Serum-Messung nicht richtig eingestuft wird und im schlimmsten Fall untertherapiert ist”, warnte Pichler.

Die im Fachjournal “The Oncologist” publizierten Ergebnisse hätten hohe klinische Relevanz, führte die Medizinerin aus. Immerhin komme es ohne präoperative Chemotherapie trotz kompletter Blasenentfernung in 50 Prozent der Fälle zu Rezidiven, also erneutem Tumorwachstum. “Die einfache und verlässliche Berechnung der Chemo-Tauglichkeit auf Basis des 24-Stunden-Harns ist dabei vor allem für PatientInnen relevant, deren Messwert aus dem Serum eine grenzwertige Nierenfunktion wiedergibt”, fasste die Uro-Onkologin zusammen.

Rauchen gilt als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Harnblasenkrebs und ist für etwa die Hälfte aller Karzinomfälle verantwortlich, vor allem bei Männern. In 75 Prozent aller Erstdiagnosen handelt es sich um nicht-muskelinvasive Tumoren, die organerhaltend therapiert werden können. Allerdings metastasieren die Hälfte aller lokal begrenzten invasiven Tumoren im Laufe der Zeit trotz radikaler Operation. Im metastasierten Zustand ist die Prognose sehr schlecht mit einem medianen Überleben von drei bis sechs Monaten ohne weitere Therapie.