Von: ka
Florenz – Mehr als eine Woche nach dem spurlosen Verschwinden der fünfjährigen Kataleya Mia Chicillo Alvarez aus dem ehemaligen Astor-Hotel in Florenz glauben die Ermittler, das wahrscheinliche Motiv der Entführung der Kleinen herausgefunden zu haben. Die Carabinieri und die Staatsanwaltschaft von Florenz gelangten zum begründeten Verdacht, dass die Verschleppung von Kata direkt mit einem Mordversuch zusammenhängt, der sich vor drei Wochen ereignet hat.
Die Ermittler der Carabinieri und der Staatsanwaltschaft von Florenz vertreten seit dem Bekanntwerden ihres Verschwindens die feste Ansicht, dass Kataleya Opfer einer Familienfehde geworden sein könnte, deren Hintergrund das Ringen verschiedener krimineller Clans um die Besetzung und dem entsprechenden Erlös aus den von den Bewohnern erpressten „Mieten“ der Hotelzimmer gewesen sei. Mehr als eine Woche nach der Verschleppung des fünfjährigen Mädchens peruanischer Herkunft verdichteten sich die Hinweise, dass die Entführung der Kleinen mit dem Mordversuch an Santiago Manuel Medina Pelaez zusammenhängen könnte. Der Ecuadorianer war am 28. Mai aus einem Fenster im dritten Stock gestoßen worden, hatte den Sturz aber wie durch ein Wunder überlebt. Die folgenden Ermittlungen, wer und warum versucht hatte, Santiago Manuel Medina Pelaez zu töten, der durchgesickerten Informationen zufolge in die Clan-Rivalitäten um die „Vermietung“ der Hotelzimmer involviert gewesen war, verliefen jedoch bisher im Sand.
Der mit dem Fall betraute Ermittlungsrichter Angelo Antonio Pezzuti ist davon überzeugt, dass Kataleya aus Rache für den Mordversuch an den einflussreichen Ecuadorianer entführt wurde. Schon in den Monaten zuvor sei es zwischen den Peruanern und Ecuadorianern immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen um den „Besitz“ der Hotelzimmer gekommen. Einer Vermutung zufolge sei der Familienverband, dem Kataleya angehört, in Gegnerschaft zu den Ecuadorianern und ihrem „Chef“ gestanden. Da es sich dabei um Formen des Organisierten Verbrechens handelt und da vermutet wird, dass die Entführung des Mädchens mit diesen „Kämpfen“ in Zusammenhang steht, wurde die Hauptzentrale der Antimafia-Polizei (DIA) in die Ermittlungen eingeschaltet. Auch die DIA ist der Ansicht, dass der Fall des Verschwindens von Kata, wie das kleine Mädchen von Verwandten und Freunden genannt wird, nur zusammen mit diesem Mordversuch gelöst werden kann.
Um diesem kriminellen Treiben und den vielen kleinen und großen täglichen Straftaten ein für alle Mal ein Ende zu setzen, ordnete die Staatsanwaltschaft die dringende Räumung des ehemaligen Gebäudes an. Diese Entscheidung war nicht nur notwendig, um das Gebäude bis in seinen letzten Winkel genau durchsuchen zu können, sondern auch, weil das ehemalige Hotel zu einer Gefahr für die Bewohner und die gesamte Nachbarschaft geworden war. Journalisten und Kamerateams, die in das Gebäude eindrangen, berichteten von sorglos aufgestellten Gasflaschen, angezapften Stromleitungen und gefährlich herabhängenden Innenverkleidungen.
Der Eigentümer des Astor-Hotels, Carlo Vadi, hatte bereits am 19. September 2022 Anzeige wegen illegaler Besetzung des Gebäudes erstattet, aber die Räumung des Gebäudes war monatelang hinausgeschoben worden. Auch der Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, und die zuständige Stadträtin Sara Funero hatten erfolglos monatelang darauf gedrängt, das Gebäude behördlich räumen zu lassen. Die Tatsache, dass es erst eines Mordversuchs und der Entführung eines kleinen Mädchens bedurfte, um die Vollstreckung der verfügten Räumungsanordnung zu beschleunigen, sorgte in der italienischen Öffentlichkeit für heftige Kritik.
Nach der am Samstag vollständig abgeschlossenen Räumung des Astor wurde das Gebäude am Sonntag erneut von der Spurensicherung der Carabinieri durchsucht. Da diese Untersuchung das erste Mal ohne die Bewohner stattfand, konnte auch der letzte Schlupfwinkel des verfallenden Gebäudes in Augenschein genommen werden.
Um enge Hohl- und Zwischenräume genau untersuchen zu können, kamen dabei auch Hightech-Geräte mit Sonden zum Einsatz. Neben dem Hauptverdacht, dass Kataleya aus dem Gebäude entführt worden sei, schließen die Ermittler die Möglichkeit nicht ganz aus, dass das kleine Mädchen das Gebäude nie verlassen haben könnte. Laut der Aussage einer kleinen Freundin der Fünfjährigen sei Kataleya aber unter Tränen von einem Unbekannten aus dem ehemaligen Hotel weggeschleppt worden.
Da seit dem spurlosen Verschwinden der Kleinen immer mehr Tage vergehen, befürchten insbesondere ihre Eltern das Schlimmste. Nicht nur sie, sondern viele Italiener appellieren an die Entführer, Kataleya endlich freizulassen.