Leukämie falsch behandelt – VIDEO

Chemotherapie verweigert: Eltern wegen Totschlags verurteilt

Freitag, 31. März 2023 | 08:10 Uhr

Bagnoli di Sopra/Padua – Das römische Kassationsgericht hat am Donnerstag einen Schlussstrich unter den jahrelangen Rechtsstreit gesetzt, in dessen Mittelpunkt die Eltern von Eleonora Bottaro, Lino Bottaro und Rita Benini, standen, und verurteilte das Elternpaar wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren.

Lino Bottaro und Rita Benini, die Anhänger alternativmedizinischer Behandlungen sind, hatten ihrer Tochter, die am 29. August 2016 im Alter von nur 17 Jahren an Leukämie gestorbenen war, trotz guter Heilungschancen die medizinisch notwendige Chemotherapie verweigert. Der Tod des Mädchens hatte zwischen Anhängern der Alternativmedizin und Schulmedizinern eine heftige Debatte ausgelöst.

Die Richter des römischen Höchstgerichts fällten ein Urteil, das der vor Jahren aufgeflammten und seither nie mehr ganz verebbten Debatte zwischen Anhängern der Alternativmedizin und Schulmedizinern neue Nahrung geben dürfte. Die Eltern der im Alter von nur 17 Jahren nach neunmonatiger Krankheit an Leukämie gestorbenen Eleonora Bottaro, Lino Bottaro und Rita Benini, wurden wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von jeweils zwei Jahren verurteilt. Damit folgte der Kassationsgerichtshof dem Urteil der Richter des Berufungsgerichts, die es als erwiesen angesehen hatten, dass die Eltern der damals Minderjährigen eine medizinisch notwendige Behandlung verweigert hatten.

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Eleonora Bottaros Leidensweg begann im Dezember des Jahres 2015. Die Untersuchung der 17-jährigen Oberschülerin, die über Knochenschmerzen und Fieber klagte, ergab die schreckliche Diagnose, dass sie an einer Akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) litt. Die behandelnden Ärzte rieten den Eltern von Eleonora Bottaro, Lino Bottaro und Rita Benini, dazu, sofort mit der für die Behandlung dieser schweren Krankheit notwendigen Chemotherapie zu beginnen. Mit 80 Prozent standen in diesem Stadium der Krankheit die Heilungschancen sehr gut.

Die beiden Eltern, die beide fundamentalistische Anhänger alternativmedizinischer Behandlungen sind, verweigerten aber für die damals noch minderjährige Tochter Eleonora die dafür erforderliche Zustimmung. Vor allem ihr Vater Lino, Blogger und Gründer der inzwischen offline gegangenen Website „Stampa libera. Quello che la stampa di regime non dice“ („Freie Presse. Das, was die Regimepresse nicht sagt“, Anmerkung der Redaktion) sträubte sich dagegen, seiner Tochter einer Chemotherapie unterziehen zu lassen. Er und seine Frau lehnten die vom Primar der Abteilung für Hämatologie und Kinder-Onkologie des Krankenhauses von Padua, Professor Giuseppe Basso, vorgeschlagene schulmedizinische Therapie ab.

Die Eltern von Eleonora Bottaro sind Anhänger der Philosophie des deutschen Arztes Ryke Geerd Hamer, der jede Krankheit für eine Reaktion des menschlichen Körpers auf unverarbeitete Traumen hält. Im Fall Eleonoras soll laut dieser Theorie zufolge das Trauma der Tod ihres Bruders Luca gewesen sein, der im Alter von nur 22 Jahren an einem Aneurysma gestorben war. Bei der Hamer-Methode, die auch als „Germanische Heilkunde“ bekannt ist, handelt es sich um eine unwissenschaftliche Praxis, die den Einsatz von Medikamenten ablehnt. Patienten, die dieser „Therapie“ vertrauen, setzen sich erheblichen Risiken und Gefahren aus. Im Falle von Tumoren verursacht sie erhebliche Verzögerungen des Behandlungsbeginns, was heilbare Tumore in unheilbare Formen verwandeln kann.

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Nach der Ablehnung der schulmedizinischen Therapie durch die Eltern schaltete sich die Justiz ein. Das Jugendgericht von Venedig entzog in der Folge den Eltern von Eleonora Bottaro die Erziehungsberechtigung. Lino Bottaro und Rita Benini aber brachten Eleonora in die Schweiz. Laut Aussage des Anwalts der Familie Bottaro ging es dem Mädchen damals prächtig, sodass sie nach Hause zurückkehren konnte.

Nach einem Rückfall im Juni 2016 wurde das Mädchen in der Schweiz erneut behandelt. Im Juli verschlechterte sich dann Eleonoras Gesundheitszustand so sehr, dass die Ärzte für sie jede Hoffnung aufgaben. Nach einem weiteren Monat des Leidens erlag das Mädchen am 29. August 2016 ihrer schweren Krankheit.

Selbst nach ihrem Tod verteidigten die Eltern ihre Entscheidung und meinten, dass Hamer die biologischen Gesetze zur Entstehung der Krankheiten erkannt, aber nie Heilungsmethoden vorgeschlagen habe. Lino und Rita Bottaro sprachen von einem selbstbestimmten Entschluss ihrer Tochter und fügten hinzu, dass Eleonora in die Schweiz gegangen sei, um sich den Ärzten und dem Urteil des Jugendgerichts, die Eleonora zur Chemotherapie zwingen wollten, zu entziehen.

Eleonoras Tod und ihre Krankengeschichte hatten aber ein gerichtliches Nachspiel. Um die näheren Umstände ihres Todes herauszufinden, eröffnete die Staatsanwaltschaft von Padua ein Ermittlungsverfahren. Nach einem ersten Freispruch im Hauptverfahren sprach das Berufungsgericht Lino Bottaro und Rita Benini für schuldig, durch die Ablehnung der Chemotherapie ihrer Tochter eine angemessene medizinische Behandlung ihrer schweren Krankheit und damit eine gute Chance auf Heilung verweigert zu haben.

Am Donnerstag setzte der römische Kassationsgerichtshof einen endgültigen Schlussstrich unter den jahrelangen Rechtsstreit und bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts. Lino Bottaro und Rita Benini wurden wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Urteil verhindert aber nicht, dass die Debatte zwischen Anhängern der Alternativmedizin und Schulmedizinern unvermindert weiter geht.

Von: ka