Das Leben von Riccardo Faggin [26] endete an einem Baum – VIDEO

„Der Uniabschluss war eine zu große Lüge“

Freitag, 02. Dezember 2022 | 08:02 Uhr

Abano Terme – Einen Tag vor seiner angeblichen Uniabschlussfeier starb der 26-jährige Riccardo Faggin aus Abano Terme bei einem Verkehrsunfall. Das, was aber zunächst „nur“ ein tödlicher Unfall zu sein schien, entpuppte sich in Wirklichkeit aber als Schlusspunkt einer Tragödie um einen jungen Mann, der seine Eltern nicht enttäuschen wollte.

Alles stand bereit. Neben den Eltern waren mehrere Verwandte und Freunde zur Uniabschlussfeier eingeladen worden. Riccardo Faggin, der an der Universität von Padua Pflegewissenschaften studierte, hatte allen mitgeteilt, dass er den Abschluss fast schon in der Tasche habe und nur mehr seine Diplomarbeit vortragen müsse.

Wie die Universität aber mitteilte, hatte Riccardo Faggin lediglich einige Prüfungen bestritten. Der 26-Jährige, der nicht mehr ein und aus wusste, brach unter der Last seiner Lügen zusammen. Am 29. November endete sein Leben an einem Baum. Die Eltern, die von Schuldgefühlen geplagt werden, machen sich schwere Vorwürfe und finden keinen Frieden. „Wir verstanden nicht, die Zeichen seines Unbehagens zu lesen, und versuchen immer noch, das Geschehene zu begreifen“, so sein Vater Stefano Faggin.

Facebook/Riccardo Faggin

Am 29. November kurz vor Mitternacht prallte Riccardo Faggin mit seinem Kleinwagen mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum. Dem Notarzt blieb nur mehr die traurige Aufgabe, den Tod des jungen Mannes festzustellen. Das, was aber zunächst „nur“ ein tödlicher Unfall zu sein schien, entpuppte sich in Wirklichkeit aber als Schlusspunkt einer Tragödie um einen jungen Mann, der seine Eltern nicht enttäuschen wollte.

Zunächst wurde geglaubt, dass der Student ausgerechnet am Tag vor der Präsentation seiner Diplomarbeit und vor dem krönenden Abschluss seines Studiums der Pflegewissenschaften durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen worden war. Allerdings teilte die Universität mit, dass der 26-Jährige weit davon entfernt war, sein Studium zu beenden. In Wirklichkeit hatte er erst einige Prüfungen bestritten. Heute herrscht traurige Gewissheit darüber, dass für Riccardo Faggin die Last seiner Lügen zu groß geworden war und er sich geschämt hatte, sich und seinen Eltern sein persönliches Scheitern einzugestehen.

„Er fühlte sich in einer Falle. Ich versäumte es in diesen 26 Jahren, ihm das Bewusstsein zu vermitteln, dass er in Wirklichkeit nicht allein war, dass Mama und Papa ihn verstehen und ihn bei der Bewältigung der Schwierigkeiten unterstützen konnten, die das Leben für ihn bereithielt, Misserfolge eingeschlossen. Ich fühle mich verantwortlich. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht in der Lage war, die Zeichen seines Unbehagens zu erkennen und ihm zu lehren, dass auch die Bitte um Hilfe ein Zeichen innerer Stärke ist“, so sein tieftrauriger Vater Stefano Faggin.

Ähnliche Gefühle der Schuld und der Verzweiflung plagen auch die Mutter von Riccardo, Luisa Cesaron. „Wir fragten ihn nach dem Fortgang des Studiums. Wir forderten ihn dazu auf, sich mit den Prüfungen zu beeilen, und erinnerten ihn daran, dass er sich ansonsten eine Arbeit suchen müsse. Das sind Dinge, die alle Eltern sagen. Das erschien uns, normal zu sein. Alles war bereit, um Riccardos Abschluss zu feiern. Von der Party über das Geschenk bis hin zum Kurzurlaub wurde an alles gedacht. Stattdessen plagen uns jetzt große Schuldgefühle. Er konnte dem Druck, uns nicht zu enttäuschen, nicht mehr standhalten“, ringt seine Mutter um Worte, die immer wieder den Tränen weichen müssen.

Facebook/Riccardo Faggin

Genau aus diesem Grund richtet Riccardos Mutter einen Appell an die jungen Leute. „Wir redeten immer wieder auf ihn ein, sein Studium endlich abzuschließen. Vielleicht waren wir auch zu streng mit ihm. Ich möchte einen Appell an die jungen Leute richten. Wenn ihr Probleme habt, sprecht mit euren Eltern. Für alles, auch über die kleinen Lügen, sprecht darüber. Um zu verhindern, dass unüberwindbare Mauern geschaffen werden, muss man sich ausreden. Aber ich möchte auch einen Appell an die Eltern richten. Wenn euch eure Kinder ein paar Lügen auftischen, soll man ihnen nicht sofort verzeihen, sondern versuchen, sie zu verstehen. Es ist wichtig, die Signale zu erkennen, hinter denen sich ein Unbehagen verstecken kann. Jetzt denke ich immer wieder über einige Kleinigkeiten nach, denen wir früher keine Wichtigkeit beimaßen. Wir hatten den Eindruck, dass Riccardo nur ein paar schlechte Tage hatte oder verärgert war. Stattdessen bemerkten wir nicht, dass er eigentlich eine Maske trug“, appelliert Luisa Cesaron.

„Riccardo war allein. Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Wenn er Freunde gehabt hätte, hätte er vielleicht jemanden gefunden, dem er sich hätte anvertrauen können. An der Universität gelang es ihm nicht, feste Freundschaften zu knüpfen. Dann kam die Pandemie, wodurch er mit uns zu Hause blieb. Das letzte Mal, als wir ihn sahen, sagte er uns, er wolle in die Bar gehen. Aber die Bar war geschlossen“, so das traurige Fazit von Riccardos Mutter.

Es ist zutiefst traurig, dass Druck, fehlendes Verständnis, der Wunsch, die eigenen Eltern nicht enttäuschen zu wollen, und ein falsch verstandenes Schamgefühl einen jungen Mann in eine ausweglose Lage trieben, die schlussendlich in eine Tragödie mündete.

Von: ka