Von: idr
Faenza – Eine Aussage, die Zuggäste wohl deutlich aufhorchen lässt: „Drogenkonsum? Das ist kein Einzelfall.“ Das erklärte ein vierzigjähriger Lokführer aus der Gegend von Venedig, nachdem bei ihm regelmäßiger Kokainkonsum nachgewiesen worden war. Der Mann war 2023 für ein dramatisches Zugunglück verantwortlich.
Am Abend des 10. Dezember erlebten die 418 Passagiere des Hochgeschwindigkeitszuges von Lecce nach Venedig Momente des Schreckens: In der Nähe von Faenza bremste das zentrale Sicherheitssystem den Zug acht Mal vollständig aus. Danach beschleunigte er jedoch immer wieder auf die voreingestellten 175 Kilometer pro Stunde.
Bei einem der Stopps blieb der Zug jedoch auf einer Anhöhe stehen und rollte dann 880 Meter rückwärts, bevor er in die Lok des Zugs hinter ihm rauschte.
Sieben Minuten ohne Lebenszeichen
Sieben Minuten lang betätigte der Lokführer nicht das Pedal, das dem System alle paar Sekunden signalisiert, dass er bei Bewusstsein ist. Sieben Menschen mussten in die Notaufnahme, zwei blieben zur Beobachtung im Krankenhaus. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke blieb bis zum Mittag des Folgetages gesperrt. Die Gesamtverspätung aller betroffenen Züge lag bei 63 Stunden.
Unmittelbar nach dem Unfall waren die medizinischen Tests unauffällig. Eine Haaranalyse vom 15. Dezember offenbarte jedoch regelmäßigen Kokainkonsum. Monate später gestand der Mann, seit etwa einem Jahr stark kokainabhängig zu sein.
Der Anwalt des Angeklagten, Leonello Azzarini, bestätigte weiterhin, dass der Arbeitgeber über Konsum und Abhängigkeit gut Bescheid gewusst habe und dass es sich bei weitem um keinen Einzelfall handele. Konkrete Beispiele seien jedoch nicht bekannt.
Urteil ohne direkte Verbindung zum Unfall
Das Gericht bestätigte die Entlassung und verurteilte den Mann zur Zahlung von 2.850 Euro Prozesskosten. Allerdings stellte das Urteil keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Kokainkonsum und dem Zugunfall her. Als der Lokführer nach dem Vorfall ins Krankenhaus gebracht wurde, war er nüchtern.
Der Lokführer wurde wegen Amtsmissbrauchs und verspäteter Meldung seiner Abhängigkeit für schuldig befunden. Die Verteidigung will nun Berufung einlegen. Die zentrale Frage: Warum löste das sieben Minuten lang unbetätigte Pedal keine Gegenmaßnahmen des zentralen Sicherheitssystems aus?
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