Rhythmische Sportgymnastik von schweren Gewalt- und Missbrauchsvorwürfen erschüttert

“Sie schlug mich und zwang mich, das Joghurt vom Boden aufzulecken”

Freitag, 27. Januar 2023 | 08:08 Uhr

Brescia/Calcinato – Das Ambiente der italienischen rhythmischen Sportgymnastik wird seit Monaten von schweren Gewalt- und Missbrauchsvorwürfen erschüttert.

Nachdem mehrere ehemalige Athletinnen öffentlich darüber berichtet hatten, während ihrer sportlichen Karriere oft psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein, leiteten sowohl der Verband Federginnastica italiana FGI als auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein.

Facebook/Federazione Ginnastica d’Italia

Die Nachforschungen führten am Dienstag zu ersten Konsequenzen. Eine Trainerin der rhythmischen Sportgymnastik aus Brescia, Stefania Fogliata, wurde auf Anordnung des Voruntersuchungsrichters von Brescia mit einer Sperre belegt. Laut der richterlichen Entscheidung darf Stefania Fogliata italienweit nicht mehr als Trainerin arbeiten. Im Anschluss der Entscheidung des Voruntersuchungsrichters teilte der betreffende Verband Federginnastica italiana FGI mit, sowohl die Mitgliedschaft des Vereins als auch die der Trainerin beim italienischen Turnverband nicht mehr verlängert zu haben. Der 30-Jährigen, die in einem Turnzentrum in Calcinato bei Brescia unterrichtet, wird von acht Mädchen seit dem Jahr 2017 von ihr begangener physischer und psychischer Missbrauch vorgeworfen. Die Aussagen der jungen Mädchen über die angeblichen „Trainingsmethoden“ der 30-Jährigen sind erschütternd. „Sie schlug mich und zwang mich, das Joghurt vom Boden aufzulecken“, so eine junge Athletin, die der rhythmischen Sportgymnastik vorläufig den Rücken kehrte.

Die Aussagen der sehr jungen Athletinnen über die angeblichen „Trainingsmethoden“ von Stefania Fogliata sorgen in der italienischen Öffentlichkeit für Entsetzen. „Wenn ich mich ihrer Meinung nach nicht genug anstrengte, drohte mir die Trainerin, mich in den Geräteraum zu bringen. Ich wusste, dass sie mir dort eine Ohrfeige geben würde“, so die Aussage eines jungen Turntalents über die „Methoden“ der Trainerin.

Diese Aussage ist Teil der Ermittlungen gegen Stefania Fogliata, die am Dienstag auf Anordnung des Voruntersuchungsrichters von Brescia gesperrt wurde. Gegen die 30-Jährige liegen 25 verschiedene Aussagen von angeblichen Opfern, Kollegen, Eltern und Zeugen vor. Acht Mädchen berichten, dass sie die Trainerin dazu gezwungen habe, das Mittagessen oder sogar die Schule ausfallen zu lassen. Der Staatsanwaltschaft zufolge sollen die jungen Athletinnen dazu gezwungen worden zu sein, „unter der sengenden Sonne im Freien zu trainieren“. Sie wurden von ihr angeblich beschimpft, beleidigt, schikaniert und bestraft.

Instagram/Stefania Fogliata

Zu den Zeugenaussagen gehört auch jene einer ehemaligen Sportlerin, die als großes Talent galt, aber es wegen der angeblich erlittenen Gewalt vorzog, alles stehen und liegen zu lassen. „Ich war neun Jahre alt, als ich das erste Mal geschlagen wurde. Mit Fragen und übersandten Nachrichten darüber, wie viel und was ich gegessen hatte, setzte sie mich ständig unter Druck, was mein Gewicht betraf. Eines Tages sah sie mich in der Turnhalle mit einem Joghurt und sagte zu meinen Kolleginnen: „Du isst diesen Müll. Siehst du, das ist die Sch…., die du in dir trägst. Damit du es verstehst, musst du es jetzt vom Boden auflecken““, erzählt das junge Turntalent der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera.

„Aus den Protokollen der Zeugenaussagen sowie aus der Sichtung der Videoaufzeichnungen der geschützten Anhörungen gehen eindeutig die Gründe für die Entscheidung hervor, die angeblichen Sachverhalte zur Anzeige zu bringen. Es war Verbitterung über das Verhalten der Verdächtigen. Ihr Verhalten wurde als ungerecht empfunden, nicht weil es nicht mit den persönlichen Erwartungen und Ambitionen der Athletinnen übereinstimmte, sondern gerade weil es als ausschließlich strafend und demütigend empfunden wurde“, schreibt die Voruntersuchungsrichterin von Brescia, Francesca Grassani, in ihrer Verfügung, die die Sperre beinhaltet.

Die Trainerin soll junge Mädchen, die sie für „übergewichtig“ hielt, als „Schweinchen“ und „Kobolde“ bezeichnet haben. „Sie war besessen vom Gewicht der jungen Athletinnen. Vor allem, indem sie ihre Sekretärin und ihre Assistentin anwies, beim Mittagessen weniger Essen auszugeben, führte sie für die Mädchen ein strenges Diätregime ein. Um die Mädchen dazu zu bringen, immer weniger zu essen, belästigte sie sie ständig mit Kurznachrichten. Sie hielt sie auch dazu an, ihr zur Überprüfung des Aussehens Fotos zu schicken“, so die Voruntersuchungsrichterin.

Facebook/Facebook/Federazione Ginnastica d’Italia

Den Ermittlern zufolge handelte es sich um ein „Verhalten, das die jungen Sportlerinnen demütigte, belästigte und erniedrigte“. Die Zeugin, die von den Ohrfeigen und vom Joghurt berichtet, gilt als großes Talent der rhythmischen Gymnastik. Wegen der angeblichen „Trainingsmethoden“ von Fogliata verließ sie den Verein, in dem die Trainerin tätig war.

Fogliata verteidigte sich, indem sie erklärte, dass die Probleme zugleich mit dem Erfolg des jungen Talents auftraten. „Die Mutter begann, sich mehr als sonst in die Ausbildung ihrer Tochter einzumischen. Sie musste zu Hause zusätzliche Trainingseinheiten absolvieren. Die Mutter fing auch an, einige meiner technischen Entscheidungen abzulehnen“, verteidigt sich Stefania Fogliata.

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Posted by Tg3 on Tuesday, January 24, 2023

Der Entscheidung der Voruntersuchungsrichterin zufolge wiegen die weitgehend übereinstimmenden Aussagen von Zeugen und Opfern aber schwer. Laut der richterlichen Entscheidung darf Stefania Fogliata italienweit nicht mehr als Trainerin arbeiten. Im Anschluss der Entscheidung des Voruntersuchungsrichters teilte der betreffende Verband Federginnastica italiana FGI mit, sowohl die Mitgliedschaft des Vereins als auch die der Trainerin beim italienischen Turnverband nicht mehr verlängert zu haben.

Die FGI fügte hinzu, dass sie der Familie des jungen Turntalents nahe sei und dazu bereit sei, das Mädchen bei der Rückkehr in die rhythmische Gymnastik zu unterstützen. Der Verband teilte auch mit, diese und andere Vorwürfe, die von psychischer und physischer Gewalt handeln, in Zusammenarbeit mit der Justiz rücksichtslos aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Die schweren Gewalt- und Missbrauchsvorwürfe in der italienischen rhythmischen Sportgymnastik sorgen in der italienischen Öffentlichkeit für Entsetzen. Viele Italiener fordern ein hartes Durchgreifen.

Von: ka