Das System stinkt gewaltig

Siziliens Müll-Mafia: Krise in Italiens Urlaubsparadies

Freitag, 11. Juli 2025 | 07:32 Uhr

Von: idr

Catania – Sizilien hat ein Problem – und das stinkt gewaltig: Seit Jahren türmen sich auf der beliebten Urlaubsinsel Müllberge unter freiem Himmel. Der Müll wurde zwischenzeitlich nicht mehr abgeholt und Deponien sind permanent überlastet oder komplett geschlossen. Wenig verwunderlich, dass auch hier die Mafia nicht weit ist. Doch einige Anwohner und Politiker haben dem Müll den Kampf angesagt, denn in besonders betroffenen Gebieten wie Catania wird vermutet, dass der Müll eine sieben- bis achtfache höhere Sterblichkeit durch Lungentumore verursacht.

Müllberge in der Mitte von Kreuzungen, vor Schulen oder in der wunderschönen Natur Siziliens. Wer das italienische Eiland einmal besucht, dem dürfte das Problem aufgefallen sein. Immer wieder formieren sich Bürgerinitiativen mit mehr oder weniger mäßigem Erfolg. Andere Einwohner gehen den unbürokratischen Weg und verüben Brandanschläge auf die Müllberge und verschlimmern die Situation durch giftigen Rauch zusätzlich.

Müll in Catania
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Überall zieht sich der Müll abseits der Touristengebiete durch die Landschaften. Besonders betroffen sind Ballungsräume wie Palermo, Catania und Messina, aber auch kleinere Gemeinden im Inselinneren. Jahrelang wurde der Müllabtransport in vielen Orten vollständig ausgesetzt und Menschen stellten ihren Müll einfach auf die Straßen. Müllverbrennung gab es nicht und private Mülldeponien wurden unter dem Schutz von Politikern geschlossen.

Die Müllmafia von Sizilien

Ursachen für diese Strukturen sind wie bei vielen Problemen in Süditalien unter anderem die Mafia und Korruption. Im Jahr 2020 wurde beispielsweise eine Deponie geschlossen, weil beim „König der Deponien“, Antonello Leonardi, eine Million Euro Bargeld in Fässern vergraben unter Müll gefunden wurde. Der Vorwurf der Ermittler lautete, dass Leonardi Deponien illegal betrieben, Deponiegenehmigungen durch Korruption gesichert und Funktionäre bestochen habe. Die Deponien dürften der Mafia wahrscheinlich als Geldwäsche dienen, die andere Deponien und ihre Betreiber daher nicht gerne sieht.

Der sizilianische Regionalpräsident Renato Schifani sprach im Februar 2025 offen von einem „Mafia-Problem“ im Abfallsektor. Laut Ermittlungen haben Clans wie die Cosa Nostra oder die Santapaola-Ercolano-Gruppe in Catania über Tarnfirmen die Kontrolle über Deponien, Mülltransporte und Recyclinganlagen übernommen. Allein im Raum Catania wurden 2024 Vermögenswerte im Gesamtwert von mehr als 100 Millionen Euro bei 14 Firmen beschlagnahmt, die im Bereich Abfall und Müllmanagement tätig waren.

Müll in Catania
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Folgen für Gesundheit und Anwohner

Für viele Anwohner sind diese Zustände kaum mehr tragbar. Eine Schule in Catania berichtete beispielsweise im März darüber, dass der Zugang zur Schule nicht mehr möglich sei, da Müll den Weg versperre. Ratten tummeln sich auf den Straßen und sogar am Strand muss man sich mancherorts den Weg zum Wasser erst einmal freiräumen. Daten des nationalen Instituts für Gesundheit konnten zeigen, dass in besonders betroffenen Gebieten wie Biancavilla, einem Stadtteil von Catania, eine sieben- bis achtfach höhere Sterblichkeit durch Tumore im Lungenbereich auftritt.

Die Regionalregierung hat inzwischen den Bau von zwei modernen Müllverbrennungsanlagen angekündigt, eine in Palermo und eine in Catania. Sie sollen mittel- bis langfristig die Abhängigkeit von Deponien reduzieren. Zudem sollen neue Vergaberichtlinien, Anti-Mafia-Gutachten und Kontrollen durch die nationale Antikorruptionsbehörde (ANAC) für mehr Transparenz sorgen. Ob und wann diese Maßnahmen greifen, bleibt jedoch offen. So lange bleibt das Problem für Anwohner eine Zumutung.

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