Von: ka
Rom/Lentini – Eine 22-Jährige aus Lentini auf Sizilien, Agata Margaret Spada, träumte schon seit Längerem davon, sich die Nasenspitze korrigieren zu lassen. Als sie im Juli auf dem bei Jugendlichen und jungen Leuten beliebten sozialen Netzwerk TikTok auf die Anzeige einer römischen Arztpraxis stieß, deren Onlineseite mit Videos erfolgreicher Schönheitsoperationen und Dankesworten glücklicher Kundinnen gespickt war, traf sie die verhängnisvolle Entscheidung, nach Rom zu reisen und sich in die Hände von Marco und Marco Antonio Procopio zu begeben.
Für den vereinbarten Preis von 2.800 Euro in bar versprachen die beiden Ärzte, im Rahmen eines nur 20 Minuten dauernden Eingriffs Agata Margaret Spadas Nasenspitze, mit der die junge Frau offensichtlich nicht zufrieden war, nach ihren Wünschen zu korrigieren. Sie ahnte jedoch nicht, dass die in einem Wohnblock des römischen Vorstadtviertels Eur gelegene Praxis „Procopio Medicina e Chirurgia estetica“, in der Vater und Sohn Procopio solche und ähnliche Eingriffe vornahmen, eher jener eines Allgemeinmediziners ähnelte als einem Zentrum, in dem modernste Eingriffe der plastischen und ästhetischen Chirurgie angewandt werden.
Am Eingang prangte nicht einmal ein Schild, dass in diesem Gebäude eine „Schönheitsklinik“ Eingriffe anbot. Indem sie ihre angeblich innovativen Operationstechniken, die sie „über Jahre hinweg in Brasilien gelernt“ hatten, in einprägsamen Videos in den sozialen Medien anpriesen, schafften es Vater und Sohn Procopio aber dennoch, Kundinnen aus ganz Italien anzulocken.
Wie die Ermittler später herausfinden sollten, sandte die 22-Jährige den beiden Ärzten über Whatsapp ein Elektrokardiogramm und einen Laborbefund zu. Anschließend vereinbarte Agata Margaret Spada mit den beiden Ärzten, sich am 4. November operieren zu lassen. Agata Margaret Spada wurde dabei von ihrem Freund nach Rom begleitet.
Der Eingriff nahm jedoch von Anfang an einen schlechten Ausgang. Kaum sei ihr von den beiden Ärzten an der Nase eine Betäubungsspritze verabreicht worden, soll die junge Frau von Zittern, Übelkeit und Schwindel befallen worden sein. Der Zustand der 22-Jährigen verschlechterte sich rapide. Kurze Zeit später versuchten die Ärzte, die junge Patientin wiederzubeleben. Agata Margaret Spadas Freund, der im Wartezimmer auf das Ende der Nasenkorrektur wartete, wurde von den Ärzten, die aus dem OP-Saal gerannt kamen, gefragt, ob die junge Frau an Allergien leide.
Der junge Mann versuchte in den Operationssaal zu gelangen, woran er aber gehindert wurde. Es gelang ihm jedoch, mit seinem Smartphone die vergeblichen Wiederbelebungsversuche an seiner Freundin zu filmen. Aus der Sicht der Carabinieri und der Staatsanwaltschaft von Rom, die im Todesfall Agata Margaret Spada ermitteln, soll diesem Beweisstück nun entscheidende Bedeutung zukommen.
Der inzwischen eingetroffene Notarzt konnte die junge Frau zwar reanimieren, aber Agata Margaret Spada sollte nie mehr aus dem Koma, in das sie gefallen war, erwachen. Trotz der Bemühungen der Mediziner starb die 22-Jährige am 7. November, drei Tage nach dem Eingriff, auf der Intensivstation des römischen Krankenhauses Sant’Eugenio.
Die Staatsanwaltschaft von Rom leitete gegen Marco Antonio Procopio und seinem Vater Marco ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags ein. Die von der Staatsanwaltschaft verfügte Autopsie erbrachte, dass Agata Margaret Spada einem Herz- und Kreislaufstillstand erlegen war. Es gilt als wahrscheinlich, dass dem Herz- und Kreislaufstillstand ein anaphylaktischer Schock vorausgegangen sei. Für endgültige Erkenntnisse müssen jedoch die Ergebnisse der toxikologischen und histologischen Untersuchungen abgewartet werden.
Am Gesicht der 22-jährigen Verstorbenen waren keine offensichtlichen Anzeichen der Operation zu erkennen, was den Verdacht erhärtet, dass es bereits während der Betäubung zu Komplikationen gekommen sei. Alles deutet jedoch darauf hin, dass es sich bei der geplanten Operation um eine „Rhinoplastik ohne Osteotomie“ – also um einen Eingriff am Nasenknorpel und nicht am Nasenbein – gehandelt habe. Auch wenn eine Operation dieser Art zu den minimalinvasiven Eingriffen gehört, handelt es sich dabei dennoch um einen chirurgischen Eingriff, für den bestimmte Leitlinien gelten, die eine gründliche Anamnese, eine örtliche Betäubung und die Verwendung spezifischer Instrumente für diesen medizinischen Bereich vorschreiben. Es versteht sich von selbst, dass solche Operationen nur in dafür zugelassenen Ambulatorien und Kliniken sowie in Anwesenheit eines Anästhesisten durchgeführt werden können.
Als die Carabinieri der Sondereinheit Nas die Praxis untersuchten, konnten sie nicht nur keine Krankenakte finden, sondern stellten auch fest, dass in der Arztpraxis grundlegende Ausstattungen wie eine Sauerstoffzufuhr, ein Defibrillator sowie Notfallmedikamente fehlten. Zudem habe ersten Ermittlungserkenntnissen zufolge im Falle von Agata Margaret Spada jenseits der Versendung per WhatsApp von Fotos, Blutuntersuchungen und eines Elektrokardiogramms keine Patientenanamnese stattgefunden.
Wie das Gesundheitsassessorat der Region Latium mitteilt, war die Praxis „Procopio Medicina e Chirurgia estetica“ nicht für operative Eingriffe zugelassen. Marco Antonio Procopio, der seinen Doktortitel in Medizin und Chirurgie in Rumänien erworben hatte, hatte in den vergangenen Jahren zwar zweimal den Antrag gestellt, das Ambulatorium für chirurgische Eingriffe zuzulassen, aber beide waren abgelehnt worden. In der Folge hatten die Ärzte erklärt, dass in der Praxis nur Voruntersuchungen und die postoperative Betreuung durchgeführt würden. Laut den Ermittlungen der Carabinieri arbeiteten in der Praxis Marco Antonio Procopio, sein Vater Marco, Marco Procopios Ehefrau und Marco Antonios Lebensgefährtin, wobei die beiden Frauen die Sekretariatsarbeit erledigten. Von den 2.800 Euro in bar, die Agata Margaret Spada bezahlt hatte, fehlt übrigens jede Spur. Früheren Patientinnen zufolge sei Frauen, die in bar zahlten, ein Preisabschlag gewährt worden.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass vonseiten der beiden Ärzte gegen eine ganze Reihe von Vorschriften verstoßen worden sei, riskieren Marco Antonio Procopio und sein Vater Marco aus der Ärztekammer ausgeschlossen zu werden. Noch schwerwiegender ist der gegen beide Mediziner erhobene Vorwurf des Totschlags, zu dem mehrere erschwerende Umstände hinzukommen könnten.
Im Heimatort der jungen Frau, Lentini auf Sizilien, herrscht große Trauer. Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) warnt davor, sich über Annoncen in den sozialen Netzwerken zu schönheitschirurgischen Eingriffen verleiten zu lassen, und weist darauf hin, sich in jedem Fall genau über die fachlichen Befähigungen der Operateure, beispielsweise, ob sie über eine abgeschlossene Facharztausbildung in plastischer und ästhetischer Chirurgie verfügen, zu informieren. Entsprechende Hilfe bietet auch der italienische Verband SICPRE an.
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