Von: ka
Sanremo – Die gerichtliche Vorverhandlung, die 32 sogenannte „Schlaumeier der Stempelkarte“ betraf, endete mit einer handfesten Überraschung. Der Vorverhandlungsrichter von Sanremo, Paolo Luppi, sprach jenen Stadtpolizisten, der nur mit der Unterwäsche bekleidet beim Benutzen der Stempelkarte gefilmt worden war, jeglicher Schuld frei. Neben dem „Stadtpolizisten in Unterhosen“ wurden während der Vorverhandlung neun weitere Personen freigesprochen. Gegen 16 ehemalige, der Abwesenheit beschuldigte Bedienstete der Stadtgemeinde Sanremo wurde hingegen das Hauptverfahren eröffnet. 16 weitere Angeklagte stimmten einem gerichtlichen Vergleich zu.
Der „Stadtpolizist in Unterhosen“ war vor fünf Jahren gegen seinen Willen zum Symbolbild der „Schlaumeier der Stempelkarte“ geworden. Das Bild des nur mit der Unterwäsche bekleideten Stadtpolizisten von Sanremo war damals um die halbe Welt gegangen. Im Zuge der gegen dem gewohnheitsmäßigen, unentschuldigten Fernbleiben vom Arbeitsplatz – in Italien „Assenteismo“, zu deutsch Absentismus genannt – gerichteten Aktion der Finanzpolizei waren im Jahr 2015 insgesamt 43 Bedienstete der Stadtgemeinde von Sanremo festgenommen und überwiegend in den Hausarrest überstellt worden. In der Folge hatten 32 Angestellte ihren Arbeitsplatz verloren.
#timbriamotuttiinmutande #vergognahttps://t.co/LHmbx28Vb9
— Teresa Arnardi (@TeresaArnardi) January 21, 2020
Unter den Gekündigten hatte sich damals auch der „Stadtpolizist in Unterhosen“, Alberto Muraglia, befunden. Alberto Muraglia, der für die Kontrolle des Obst- und Gemüsemarktes verantwortlich gewesen war, war im Rahmen der Aktion der Finanzpolizei verhaftet und in den Hausarrest überstellt worden. Die Videoaufnahmen hatten Alberto Muraglia dabei gezeigt, wie er nur mit der Unterwäsche bekleidet die Stempelkarte durch das Lesegerät gezogen hatte.
Alberto Muraglia, l'ex vigile di Sanremo sorpreso a timbrare in mutande assolto.
Una persona costretta dall'oggi al domani a cambiare casa, vita, a sopportare il peso di derisioni e processi tv.
Continuiamo a fare processi sommari!#facciamorete pic.twitter.com/gJGwiGgry3— La prima manina (@LaPrimaManina) January 21, 2020
„Aber unsere Wohnung befindet sich mitten auf dem Obstmarkt. Wir haben eine Erklärung für alle beanstandeten Vorfälle“, hatte bereits vor fünf Jahren seine Ehefrau zu Protokoll gegeben. Vor vier Jahren, im Januar des Jahres 2016, war Alberto Muraglia gekündigt worden. Allerdings hatte Alberto Muraglia gegen die Entscheidung der Gemeinde vor dem Arbeitsgericht sofort Rekurs eingelegt.
Fast vier Jahre später bekam der „Stadtpolizist in Unterhosen“ in der Vorverhandlung recht. „Es liegt keine Straftat vor“, so der Vorverhandlungsrichter von Sanremo, Paolo Luppi. Während der Vorverhandlungsrichter noch 90 Tage Zeit besitzt, sein Urteil zu begründen, versuchte der Anwalt von Alberto Muraglia, Alessandro Moroni, die Entscheidung des Gerichts zu erklären, indem er sie mit der „Arbeitsanzugszeit“ verglich.
„Wie für viele Fabrikarbeiter, aber auch für die Stadtpolizisten beginnt die Arbeitszeit ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Arbeitsplatz erreichen und sich in die Umkleideräume begeben, um die Arbeitskleidung anzuziehen. Muraglia war sowohl Stadtpolizist als auch Aufseher des Marktes. Um 5.30 Uhr öffnete er noch bürgerlich bekleidet die Tore des Marktes. Anschließend kehrte er in seine Wohnung zurück, nahm die Uniform und zog die Stempelkarte durch das Lesegerät. Im Laufe eines Jahres wurde mein Klient nur viermal dabei gefilmt, wie er nur mit der Unterwäsche bekleidet die Stempelkarte benutzt. Aber aus den obengenannten Gründen war alles rechtens. Nur das von den Ermittlern verbreitete Video war vollkommen aus seinem Sinnzusammenhang gerissen“, so der Rechtsbeistand des Stadtpolizisten.
Fa discutere la decisione del gup di Sanremo, che ha assolto il vigile sorpreso dalle telecamere mentre timbrava il cartellino in mutande. Per il giudice si trattava del "tempo tuta", cioè il tempo permesso al dipendente quando entra sul luogo di lavoro per indossare la divisa. pic.twitter.com/nvbCTNu015
— Panorama.it (@panorama_it) January 21, 2020
Trotz der zehn Freisprüche, zeigte sich die Anklage aber dennoch zufrieden. Abgesehen vom Fall des „Stadtpolizisten in Unterhosen“ bestätigte das Gericht die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und der Finanzpolizei. Gegen 16 ehemalige, des Absentismus beschuldigte Bedienstete der Stadtgemeinde Sanremo wurde das Hauptverfahren eröffnet. 16 weitere Angeklagte stimmten einem gerichtlichen Vergleich zu.
Während Alberto Muraglia und neun weitere Beschuldigte nach der Vorverhandlung zufrieden nach Hause gehen konnten, löste der „Fall von Sanremo“ in der italienischen Öffentlichkeit eine rege Debatte um Sinn und Zweck des Arbeitsrechts sowie um das leider weit verbreitete Phänomen des Absentismus aus.
#21gennaio Ve lo ricordate il vigile di #Sanremo che timbrava il cartellino in mutande? Assolto dal Giudice Paolo Luppi.
Il motivo? Un regolamento comunale che consente di timbrare il cartellino anche in abiti civili.
D'ora in avanti, tutto in giro in mutande pic.twitter.com/lHSS4qZbTe— Ross (@RFvsBanksters) January 21, 2020