Nichts ahnender Mann muss 70.000 Euro zahlen

Umstrittener Richterspruch: Verhinderter Vater zu Schadenersatz verurteilt

Sonntag, 09. Februar 2020 | 08:02 Uhr

Bergamo – Ein Urteil, das von einem Gericht in Bergamo in der norditalienischen Region Lombardei gefällt wurde, sorgt in der italienischen Öffentlichkeit für heftige Diskussionen.

Ein damals verheirateter Mann, der vor 38 Jahren mit seiner Liebhaberin ein Kind gezeugt hatte, aber nie über seine Vaterschaft in Kenntnis gesetzt worden war, wurde dazu verurteilt, seinem inzwischen erwachsenen Sohn einen Schadenersatz von 70.000 Euro zu zahlen. Ähnlichen Richtersprüchen anderer Gerichte und auch dem Kassationsgericht folgend – so der Richter von Bergamo – genügt es, zum Zeitpunkt der Zeugung mit der Mutter geschlechtlich verkehrt zu haben, wobei vollkommen unerheblich ist, wie viel Zeit seit der Inkenntnissetzung des Vaters über seine Vaterschaft vergangen ist.

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Pubblicato da Repubblica Economia su Sabato 8 febbraio 2020

Die Geschichte begann mit jenem Moment, als ein 14-jähriger Jugendlicher entdeckte, die Frucht einer Liebesbeziehung zu sein, die seine Mutter mit einem damals verheirateten Mann eingegangen war. Nach weiteren 23 Jahren, in denen der junge Mann untätig geblieben war, beschloss er, gegen seinen Vater rechtlich vorzugehen. Dabei ging es dem heute 38-Jährigen nicht nur um die Anerkennung der Vaterschaft, sondern auch um eine Schadenersatzforderung. Der Vater gab vor Gericht zu, vor 38 Jahren mehrere Male mit seiner Liebhaberin Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, entgegnete aber der Anklage, dass er für lange Zeit über seine Vaterschaft nicht in Kenntnis gesetzt worden war. Er hatte nie die Elternschaft übernommen – so der Vater – weil er nie in die Lage versetzt worden war, sie auch ausüben zu können.

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Vor Gericht gab es für den nichts ahnenden Vater, der viele Jahre nichts von seinem Sohn gewusst hatte, ein böses Erwachen. Das Gericht stellte aufgrund eines positiven genetischen Gutachtens nicht nur die Vaterschaft des Mannes fest, sondern verurteilte den Vater auch dazu, seinem Sohn einen Schadenersatz von nicht weniger als 70.000 Euro zu leisten.

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Damit folgte das Gericht von Bergamo ähnlich „harten“ Urteilen, die andere Gerichte sowie auch das römische Höchstgericht bereits in ähnlichen Fällen ausgesprochen hatten. Diesen Richtersprüchen zufolge zählen weder die vergangenen Jahre oder die Unsicherheit über die Vaterschaft noch die Tatsache, dass ein Kind lange Zeit untätig bleibt und erst viele Jahre später entscheidet, „die Rechnung zu präsentieren“. Es genügt, zum Zeitpunkt der Zeugung mit der Mutter geschlechtlich verkehrt zu haben, wobei vollkommen unerheblich ist, wie viel Zeit seit der Inkenntnissetzung des Vaters über seine Vaterschaft vergangen ist. In diesen Fällen gilt auch nicht die sonst für Schadenersatzzahlungen üblicherweise fünf Jahre währende Verjährungsfrist, weil Letztere erst mit dem Datum der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft zu laufen beginnt.

Das Urteil von Bergamo löste in der italienischen Öffentlichkeit eine heftige Diskussion aus. Viele Leser und Kommentatoren kritisieren, dass der Richterspruch nichts ahnende Väter und „Rabenväter“, die sich nie um ihren Nachwuchs gekümmert haben, in einen Topf werfe. Bemängelt wird auch, dass mit diesem Urteil Kinder, die ihre Eltern gepflegt und mit ihnen Freud und Leid geteilt haben, „Schlaumeiern“, die im richtigen Moment zuschlagen, gleichgestellt würden.

Andererseits meinen andere Stimmen, dass Väter – gleich, ob wissend oder nichts ahnend – immer eine Bürde und Verantwortung übernähmen. In diesem Sinne sei es nur gerecht, wenn ein unvorsichtiger Ehebrecher auch für längst vergangene Sünden 38 Jahre später bezahlen müsse.

Was meint ihr: Ist das Urteil der Richter von Bergamo gerecht?

Von: ka