Im Schuljahr 35 Übergriffe vonseiten Schüler und Eltern gezählt

Verprügelt und erstochen: Lehrer erleben schlechtes Schuljahr

Sonntag, 17. Juni 2018 | 08:12 Uhr

Rom/Selvazzano – Lehrerinnen und Lehrer wurden im vergangenen Schuljahr vonseiten von Schülern und deren Eltern immer öfter Opfer von Übergriffen. Dabei wurden die Lehrer verprügelt oder gar mit dem Messer verletzt. Allein im Jahr 2018 wurden nicht weniger als 35 schwerwiegende Übergriffe gezählt. Angesichts der Notenkonferenzen und der Zeugnisvergabe am Ende des Schuljahres kam es erneut zu mehreren schweren Vorkommnissen, wobei zwei besonders ins Auge stachen.

APA/APA (dpa)/Julian Stratenschulte

Die erste Gewalttat geschah in Selvazzano, einem Ort in der Nähe von Padua in Venetien. Als eine Mutter davon erfuhr, dass ihr Sohn – ein Schüler der ersten Mittelschule – bei einer Englischprüfung eine glatte Vier erhalten hatte, suchte sie wutentbrannt die Englischlehrerin auf und stellte sie zur Rede. Schon nach wenigen Worten griff die Mutter die Englischlehrerin, die 60-jährigen Francesca Radaelli, tätlich an. Sie begann sie zu schubsen, wobei die 60-Jährige die Stiege hinunterfiel. Dabei erlitt die Lehrerin den Bruch der Nasenscheidewand und mehrere Verletzungen im Gesicht. Als die Carabinieri in der Schule erschienen, war die Mutter bereits verschwunden. Sowohl in der Schule, wo Francesca Radaelli als sehr professionell arbeitende und geschätzte Lehrerin gilt, als auch in der Gemeinde zeigten sich die Verantwortlichen von der Gewalttat bestürzt und drückten der 60-Jährigen ihre Solidarität aus. Francesca Radaelli behielt sich das Recht vor, Anzeige zu erstatten. Der Mittelschüler hingegen wurde aufgrund der schlechten Noten, die nicht zuletzt auf die vielen Abwesenheiten – seine Eltern fördern seine sportliche Karriere – zurückzuführen sind, nicht versetzt, wogegen die Mutter beim Verwaltungsgericht Rekurs einreichte.

Facebook/Enoch Soranzo Sindaco Selvazzano D.-Presidente Provincia di Padova

Die zweite Gewalttat ereignete sich an einer römischen Gewerbeoberschule. Die Lehrer bestellten die Eltern eines 15-jährigen Schülers der ersten Klasse ein, um ihnen die schlechte Nachricht vom Sitzenbleiben ihres Sohns mitzuteilen. Nachdem die Lehrer den Eltern die wenig erfreulichen Noten ihres Sprösslings gezeigt und die Nichtversetzung in die zweite Klasse begründet hatten, verloren Vater und Mutter völlig die Nerven. Sie sprangen von ihren Stühlen auf und begannen, die Lehrer und den anwesenden Direktor der Schule zu beschimpfen. Als der Vater den Schuldirektor von hinten angreifen wollte, ging der 24-jährige Zeichenlehrer Umberto Gelvi dazwischen. Damit wurde er selbst zur Zielscheibe der gewalttätigen Wut des Vaters. Der 24-Jährige erhielt zuerst einen Faustschlag ins Gesicht und dann mehrere weitere Fausthiebe, Fußtritte und Schläge. Selbst als der junge Lehrer zu Boden fiel, ließ der Vater nicht von ihn ab. Er stürzte sich auf ihn und begann, ihn zu würgen. Nur das Eingreifen seiner Lehrerkollegen bewahrte Umberto Gelvi vor Schlimmerem. Er wurde von den herbeigerufenen Rettungskräften erstversorgt und zur Beobachtung in das Krankenhaus eingeliefert. Umberto Gelvi, der als junger Lehrer sein erstes Unterrichtsjahr absolviert hatte, teilte mit, dass er trotz des Vorfalls weiterhin mit Einsatz und Passion unterrichten werde. Die ganze Schule stellte sich hinter Umberto Gelvi. Auf Anraten seines Direktors und seiner Kollegen erstattete der 24-Jährige Anzeige wegen Körperverletzung.

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Insgesamt wird das Schuljahr 2017/18 als eines der Schwierigsten in die Annalen eingehen. Dabei ging die Gewalt oft von Vätern und Müttern aus. Von den 35 schwerwiegenden Übergriffen wurden 17 von Eltern verübt.

Von: ka