Von: ka
Pavia – Die lombardische Stadt Pavia ist Schauplatz einer unglaublichen Geschichte. Ein ehemaliger Oberst der Carabinieri namens Maurizio Pappalardo muss sich wegen Korruption und Stalkings vor Gericht verantworten. Er soll seine Ex-Partnerin auf vielfache Weise verfolgt und sogar dafür gesorgt haben, dass ihr neuer Freund entlassen wurde. Im Zuge der Ermittlungen kam ein „Zirkel mächtiger Personen“ ans Licht, die glaubten, über dem Gesetz zu stehen und Menschen ihrem Willen und ihren Interessen zu unterwerfen. „Wir sind die Macht, ich bewege die schweren Geschütze“, sagte Maurizio Pappalardo in einem mitgeschnittenen Telefongespräch.
Die von den Ermittlern aufgezeichneten Gespräche sprechen Bände. Eine Begebenheit fand während des Lockdowns statt. Der damalige Oberst der Carabinieri von Pavia, Maurizio Pappalardo, lud seinen Freund Alberto in ein Restaurant zum Trüffelessen ein. Albertos Besorgnis wegen der hohen Strafen für Lockdown-Verstöße wischte der Carabinieri-Oberst mit vielsagenden Worten vom Tisch. „Aber ich kenn’ dich doch! Wir sind die Macht! Ich besorge dir ein Auto mit Begleitschutz, damit du unbesorgt kommen kannst. Sind wir nun Freunde oder nicht?”, fragte Pappalardo. Später besorgte Pappalardo ihm sogar eine Bescheinigung, damit er trotz des Lockdowns ungestört zu seinem Haus in Cortina fahren konnte.
Diese und andere „Gefälligkeiten” landeten unter der Bezeichnung „Clean 2” in den Akten der Ermittlungen zu mutmaßlichen Korruptionsfällen, in die Vertreter der Strafverfolgungsbehörden und Unternehmer verwickelt sein sollen. Maurizio Pappalardo, ehemaliger Kommandant der Informationsstelle der Einsatzabteilung von Pavia, muss sich nun wegen Korruption und Stalkings gegenüber einer jungen Frau verantworten. Mit ihr hatte er eine Beziehung, als sie 17 Jahre alt war. Das Leben der heute 30-Jährigen wurde zur Hölle, als sie sich entschloss, ihn zu verlassen. Sie wurde mit Schikanen aller Art drangsaliert – von aufgeschlitzten Autoreifen bis hin zum Versuch, ihrem Großvater die Rente zu nehmen.
Aus den Akten geht eindeutig hervor, dass sich dieser „Zirkel mächtiger Personen” alles erlaubte und dabei vor nichts zurückschreckte. Ein Beispiel ist der Dezember 2019, als „Scoppetta auf Anweisung von Pappalardo ein GPS-Ortungsgerät abholte, das ihm ein Bekannter der Esitel GmbH – ein Unternehmen, das für die Staatsanwaltschaft Abhörmaßnahmen durchführte – zur Überwachung des Autos seiner Ex-Freundin geliehen hatte”. „Man muss die Reifen des Autos plattmachen”, befahl Pappalardo. „Morgen kümmere ich mich darum, ich habe den Reifenstecher in der Tasche”, antwortete ihm Scoppetta.
Doch wer ist Pappalardos Freund Alberto? Er ist Manager einer großen Bank, gegen den nicht ermittelt wird. Es handelt sich um dieselbe Bank, bei der auch Pappalardos Ex-Freundin und Andrea Guazzi arbeiteten. Guazzi leitete den Bereich „Wealth Management” der Bank und ist in diese Geschichte verstrickt, da er der neue Liebhaber von Pappalardos Ex-Freundin war.
Nachdem Maurizio Pappalardo von der Liaison erfahren hatte, begann er einen regelrechten Rachefeldzug gegen Andrea Guazzi und seine Ex-Freundin, bei dem er nichts unversucht ließ, um ihnen den größtmöglichen Schaden zuzufügen. In der Folge wurde auch Guazzis Leben zur Hölle. Er wurde mit einer Reihe von anonymen Briefen attackiert, die an seine Ehefrau und die Bank gerichtet waren. Das Ergebnis war, dass seine Frau ihn verließ und er von der Bank entlassen wurde.
Erst als der Skandal um das „System Pavia” ans Licht kam und er im Zuge der Korruptionsermittlungen „Clean 2” vernommen wurde, erfuhr er, dass Pappalardo dahintersteckte. Im Rahmen der Mordermittlungen zum Fall Garlasco wurden Pappalardo und Antonio Scoppetta, ein ehemaliges Mitglied der Kriminalabteilung und treuer Gefolgsmann des Obersts, verhaftet.
Die Telefonmitschnitte ließen keinen Zweifel daran, dass Antonio Scoppetta die anonymen Briefe verschickt hatte. „Wenn du mir die Namen mitteilst, schicke ich sie ab”, sagte er zu seinem Vorgesetzten. „Wir müssen 20 Briefe an die Bank schicken und sehen, was passiert. Einverstanden?”, fragte Scoppetta. „Ja”, antwortete der Offizier. In anonymen Briefen an die Bank hieß es, dass „Guazzi das Bankunternehmen nur dazu nutzt, um sexuelle Beziehungen zu weiblichen Angestellten einzugehen, die sich seinem Willen beugen“.
Währenddessen freute sich der Carabinieri-Oberst in einem Gespräch mit einem Freund darüber, dass seine Pläne zu gelingen scheinen: „Sie (bezogen auf seine Ex-Freundin) wird merken, dass sie sich mit der falschen Person angelegt hat. Ich werde nicht zufrieden sein, bis ich mein Werk vollendet habe. Der andere (bezogen auf Andrea Guazzi) wurde fast fertiggemacht. Sie werden bereuen, dass sie mich für einen Loser gehalten haben“, so Maurizio Pappalardo.
Ein Gesprächsmitschnitt verdeutlicht, wie wichtig ihm die Freundschaft mit Alberto war. „Ich habe enge Freundschaft mit dem Chef von Guazzi geschlossen, spätestens im Dezember ist er weg vom Fenster“, schrieb Pappalardo an einen Freund. Kurz gesagt, Pappalardo wollte sich auch an jenem Mann rächen, der es gewagt hatte, seinen Platz einzunehmen. Aus den Abhörprotokollen geht eindeutig hervor, dass er über die Entlassung glücklich war.
Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Nachdem Andrea Guazzi von der unglaublichen Intrige erfahren hatte, zog er vor Gericht. Im Rahmen des Schnellverfahrens gegen Scoppetta, der im Juli zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, erhielt Guazzi bereits eine Entschädigung. Zudem schloss er sich dem Verfahren gegen Pappalardo als Zivilkläger an. Die Ermittlungen könnten noch zu überraschenden Ergebnissen führen.
Trotz der jahrelangen Tortur aus Nachstellungen und bösartigen Intrigen hat sich die Frau nicht als Nebenklägerin konstituiert. Genau darauf wird die Verteidigung von Pappalardo setzen. Ihre Zurückhaltung könnte jedoch auch von einer Frau zeugen, die, da sie in Pavia lebt und arbeitet, immer noch Angst hat.
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