Ein Kommentar

Corona ist kein Wasser auf Selbstbestimmungsmühle

Donnerstag, 23. April 2020 | 10:15 Uhr

Bozen/Rom/Barcelona – Mit ihrer Stellungnahme, dass „aufgrund eines maroden Gesundheitssystems und eines katastrophalen Krisenmanagements Südtirols Zugehörigkeit zu Italien keine Option mehr darstelle“, ließen erst unlängst die Schützen aufhorchen. Mit einigen Vergleichen mit Österreich und Deutschland versuchen die Schützen, diese Behauptung zu untermauern. Ist es aber wirklich so einfach?

Sieht man sich die europäische Corona-Landkarte an, fällt auf, dass selbst zwischen den Regionen einzelner Länder starke Unterschiede herrschen. Benachbarte Regionen wie Venetien und die Lombardei weisen beispielsweise vollkommen unterschiedliche Fallzahlen auf. Während in der Lombardei Fehlentscheidungen und Versäumnisse in eine Katastrophe mündeten, gelang es Venetien, mit schnellen, mutigen und richtigen Entscheidungen, die Coronaepidemie einzudämmen. Gemessen an der Bevölkerung weist Venetien heute nur rund die Hälfte der Corona-Toten Südtirols auf. Andere Regionen Italiens sind sogar fast Corona-frei.

Noch augenscheinlicher ist dies im Falle Kataloniens. Die von Unanhängigkeitsbefürwortern beherrschte, autonome Region Spaniens, die von den Schützen gerne als erfolgreiches Beispiel einer weitreichenden Autonomie genannt wird und daher gerne Ziel entsprechender „politischer Pilgerfahrten“ ist, weist mit weit über 4.000 Toten und fast 44.000 bestätigten Fällen zurzeit verheerende Zahlen auf – ein Zeichen, dass Autonomie und „Unabhängigkeit“ nicht den Ausschlag geben.

Zudem wurden einige Staaten wie Italien früher von der Epidemie getroffen, während andere Länder mehrere Wochen Zeit hatten, von den Erfahrungen anderer zu lernen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen. Dies ist in Österreich und Deutschland gut gelungen. Ähnliches gilt auch für die Lockerung der Beschränkungen, die in allen Ländern nun sehr langsam und nur mit großen Einschränkungen erfolgt. Naturgemäß kann dies im stärker betroffenen Italien erst etwas später erfolgen.

Aus den obigen und vielen anderen Beispielen wird ersichtlich, dass die Frage, ob eine Region gut oder weniger gut durch die Coronaepidemie kommt, weniger von der Zugehörigkeit zu einem Staat oder vom Umfang an Autonomie, sondern vielmehr von den richtigen oder eben falschen Entscheidungen der Lokalpolitiker abzuhängen scheint.

Daraus folgt, dass sich der Coronavirus nur schwerlich als Wasser für die Selbstbestimmungsmühle eignet. Der neue, unbekannte Feind, der unser aller Leben über den Haufen wirft, sollte uns lehren, demütig, bescheiden und insbesondere vorsichtig in unseren Urteilen zu sein. Dies gilt vor allem für diejenigen, die glauben, auch während der größten Epidemie seit der Spanischen Grippe wirklich alles für die eigenen politischen Ziele verwerten zu müssen.

Von: ka

Bezirk: Bozen