Von: apa
Über 150.000 Menschen haben sich laut Medienberichten am Freitag in Potočari bei der Gedenkfeier für die Opfer des 30 Jahre zurückliegenden Völkermordes von Srebrenica eingefunden. “Wir geben die schwere Wahrheit zu. Wir haben vor 30 Jahren versagt”, wurde UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Gedenkfeier von der UNO-Untergeneralsekretärin Rosemary DiCarlo zitiert. Auch die österreichische Politik erinnerte an die Geschehnisse.
Der internationale Bosnien-Beauftragte Christian Schmidt meinte, dass die Gedenkfeier nicht nur eine Ehrerweisung für die Opfer, sondern auch die Wahrung ihrer Würde angesichts der Relativierung und Leugnung des Völkermordes sei. Er bedankte sich im Namen der Staatengemeinschaft für die Einladung zur Gedenkfeier, da ja diese, wie er sagte, es vor 30 Jahren unterlassen habe, gegen die bosnisch-serbischen Truppen unter ihrem Kommandanten Ratko Mladić einzugreifen.
“Geplantes verbrecherisches Vorhaben”
Die Präsidentin des UNO-Residualmechanismus für Internationale Strafgerichtshöfe, Graciela Gatti Santana, verwies darauf hin, dass noch immer nicht die Leichen aller Srebrenica-Opfer gefunden wurden.
Der Chefankläger desselben Mechanismus’, Serge Brammertz, hob hervor, dass das Massaker von Srebrenica ein “geplantes verbrecherisches Vorhaben” gewesen sei. Man habe den Beschluss gefasst, Srebrenica und alles, was von der bosniakischen, muslimischen Gemeinschaft geblieben sei, zu vernichten.
Nachdem die bosnisch-serbischen Truppen am 11. Juli 1995 die UNO-Schutzzone Srebrenica eingenommen hatten, wurden in der Umgebung der Kleinstadt über 8.300 bosniakische Männer und Jugendliche ermordet. Die Leichen der Genozidopfer wurden nach Kriegsende an über 150 Stellen, darunter in 77 Massengräbern, entdeckt. Weiterhin gelten zwischen 800 und 1.000 einstige Bewohner von Srebrenica als vermisst.
Sieben weitere Opfer beerdigt
In der Gedenkstätte Potočari wurden bisher 6.765 Opfer beigesetzt. Weitere sieben Opfer sollen heute beerdigt werden.
Anlässlich des Jahrestages des Völkermordes, den das offizielle Serbien nach wie vor nur als ein “schweres Verbrechen” bezeichnet, sprach Präsident Aleksandar Vučić im Sozialen Netzwerk X im Namen der Bürger Serbiens und in seinem Namen den Familienangehörigen der Opfer sein Beileid aus. “Wir können die Vergangenheit nicht verändern, wir müssen jedoch die Zukunft verändern”, unterstrich er. Er sei überzeugt, dass sich ein ähnliches Verbrechen nie mehr wiederholen werde, so Vučić.
Vor dem Internationalen Gericht für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) waren die beiden Hauptverantwortlichen für den Völkermord, der damalige Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, und sein Militärkommandant Ratko Mladić zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Anteilnahme aus Österrreich
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) äußerte am Freitag per Aussendung ihr Mitgefühl. “Srebrenica mahnt uns, was geschehen kann, wenn die internationale Gemeinschaft versagt. Unsere Gedanken sind heute bei den Müttern, Schwestern und Familien der Opfer.” Der Blick dürfe aber nicht nur in die Vergangenheit gehen, es gebe auch eine Verantwortung für die Gegenwart, sagte Meinl-Reisinger. “Der Weg zu einer friedlichen Zukunft auf dem Westbalkan führt über die Anerkennung des Leids und Versöhnung – nicht über Relativierung oder Leugnung.”
Auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) gedachte in einem X-Eintrag den Opfern. “Wir müssen und werden die Erinnerung an die Ermordeten bewahren um sicherzustellen, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen”, schrieb er. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte in einem Statement des Völkermordes in Srebrenica und hielt dabei fest: “Nur durch gemeinsames Gedenken kann echte Versöhnung stattfinden und dauerhafter Frieden sichergestellt werden.”
Zadić: Gedenken wachhalten
Die ehemalige Grüne Justizministerin Alma Zadić meldete sich schriftlich zu Wort: “Srebrenica mahnt uns eindringlich: Solches Unrecht kann jederzeit und überall geschehen, wo Hass geschürt, Hetze betrieben und nationalistische Rhetorik die Gesellschaft spaltet. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, das Gedenken an die Opfer wachzuhalten.”
“Wir gedenken der Opfer und Überlebenden dieses unfassbaren Verbrechens. Der 11. Juli ist nicht nur ein Tag des Erinnerns – er ist ein Appell zur Wachsamkeit und zum Handeln. Er erinnert uns an die verheerenden Folgen von Nationalismus und Hass”, betonten die außenpolitische Sprecherin Petra Bayr und die Menschenrechtssprecherin Pia Maria Wieninger (beide SPÖ) in einer Aussendung.
Proteste gegen AfD-Reden im deutschen Bundestag
Im deutschen Bundestag sorgte die AfD beim Srebrenica-Gedenken wieder für einen Eklat, als ihr Abgeordneter Alexander Wolf kritisierte die Einstufung des Kriegsverbrechens als Genozid mit den Worten kritisierte: “Die Serben erschossen dort Männer, verschonten grundsätzlich Frauen und Kinder.” Die Erinnerungskultur, die man dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina “von außen aufzwinge”, trage nicht zur Besänftigung der Spannungen im Staat bei. Redner der anderen Fraktionen kritisierten die Aussagen scharf und warfen Wolf vor, den Völkermord zu leugnen. Lautstarken Protest gab es auch, als der AfD-Abgeordnete Martin Sichert seine Rede vor allem für innenpolitische Themen nutzte, die der AfD wichtig sind. “Srebrenica mahnt uns, Multikulti zu beenden, bevor es zu spät ist”, sagte er.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) ergriff nach den AfD-Reden ungeplant das Wort. Der Bundestag diskutiere über den anerkannten Völkermord, sagte er auch an die Gäste auf der Tribüne gerichtet: “Und ich bedaure, dass wir den Opfern den Angehörigen, insbesondere hier Anwesenden und dem Herrn Botschafter, derartige Debatten zumuten”, fügte er hinzu.
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