Von: mho
Bozen – Die Jugend von heute hat es schon nicht leicht. Ständig wird sie dafür kritisiert, sich nicht für Politik und Gemeinwohl, sondern nur für sich selbst zu interessieren, während sie von den Taschen ihrer reichen Eltern lebt. Kaum fängt sie nun Feuer für ein Thema – laut Wissenschaftler das wohl politisch relevanteste unserer Zeit: den Klimawandel –, wird sie von den zynischen Großen mit einem Shitstorm belohnt. Da wird dann plötzlich mit 15-Jährigen hart ins Gericht gegangen: „Die wissen ja nicht mal, was Klimawandel ist“, „die wollen nur Schulschwänzen“ – und zu guter Letzt: „die sollen mal vorher schauen, wo ihr Handy herkommt“.
Natürlich sollen sie das. Und es ist wichtig, sie darauf aufmerksam zu machen. Aber zuallererst sollten diese Kinder, von denen sich viele womöglich zum ersten Mal mit Politik konfrontiert sehen, in ihrem neu entdeckten Engagement bestärkt werden. Klar weiß nicht jeder der Schüler alles zum Klimawandel, aber selbst jene, die vor drei Wochen tatsächlich nur des Schulschwänzens wegen auf die Straße gingen, werden am nächsten Freitag, beim zweiten Klimastreik, mehr über das Thema wissen – vorausgesetzt ihre Lehrpersonen waren klug genug, bei der Gelegenheit das Thema im Unterricht zu behandeln und den Schülern zu lehren, wie man sich richtig informiert.
Stattdessen werden diese bürgerschaftlich aktivierten Jugendlichen von der Öffentlichkeit mit der heutigen Art der politischen Diskursführung begrüßt: weg von der sachlichen Ebene, möglichst schlecht machen und Glaubwürdigkeit absprechen. Genussvoll wird unter den rund 3.000 jungen Teilnehmern der Fokus auf 20 Kids gelenkt, welche nach der Demo ironischerweise ins McDonalds marschierten. Ein bewusst inszeniertes Kunstwerk mit Demo-Plakaten vor dem Landhaus wird böswillig als Müllhinterlassung missgedeutet. Klarerweise wird auf den Umstand verwiesen, dass für solch eine politische Aktion nicht extra die Schule „gestreikt“ werden müsse (Dies sollten sich die Schüler für den nächsten SAD-Streik merken. Die könnten ja auch in der Freizeit ihre Anliegen vorbringen, statt die Arbeit dafür niederzulegen). Oder eben, dass man nicht mit H&M-Kleidern glaubwürdig für den Klimaschutz demonstrieren könne.
Dabei haben die allerwenigsten Kommentatoren die zentrale Botschaft vernommen, welche auf den weltweiten Freitags-Klimastreiks von Millionen Schülerinnen und Schülern lauthals gefordert wird: Bislang konnten Politik und Wirtschaft dreist dem individuellen Konsumverhalten des kleinen Bürgers die Gesamtverantwortung für den Klimaschutz aufbürden und sich selbst die Hände in Unschuld waschen. Einfach ökologisch einkaufen und Verschwendung vermeiden, hieß es. Die Kids von heute sehen es aber nicht mehr ein, dass bei jedem Brötchen und T-Shirt zunächst mal der ökologische Fußabdruck recherchiert werden oder für plastikverpackungsfreie Lebensmittel große Sprünge gemacht werden müssen. Die Politik solle nach unzähligen erfolglosen Klimagipfeln endlich „erwachsen werden“ und ihrer obersten Aufgabe nachkommen, nämlich die für das Allgemeinwohl notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Also nichts wie auf die Straße Mädchen und Jungs weltweit, immer und immer wieder, bis endlich etwas passiert. Wie einer der Demo-Slogans so schön sagt: It’s your fucking future! Und die Uhr steht kurz vor zwölf.