Biologen kritisieren Verwendung von Fördermitteln der EU in Südtirol

Projekte „weder klimatauglich, noch nachhaltig“

Donnerstag, 11. März 2021 | 08:25 Uhr

Bozen – Mit dem Strategiepapier „EU Recovery Fund – Neustart Südtirol“ vom 22. Jänner 2021 hat die Südtiroler Landesregierung eine Liste von 47 Projekten erstellt, die durch den EU-Recovery-Fund finanziert werden sollen. Gemäß den Leitlinien der italienischen Regierung wurden die Projekte sechs klar definierten Förderbereichen (Missionen) zugeordnet. Darauf weist die Vereinigung der Südtiroler Biologen in einer Aussendung hin.

„Das Finanzvolumen ist beträchtlich und beträgt insgesamt 2.418 Millionen Euro. Umso wichtiger erscheint es uns, dass die Auswahl der Projekte nachvollziehbar, transparent und gemäß der EU-Vorgaben erfolgt“, erklärt die Vereinigung.

Die Biologen konzentrieren sich in ihrer Stellungnahme auf den Förderbereich 2 „Grüne Revolution und ökologischer Wandel“, der mit 1.020 Millionen Euro fast die Hälfte der Fördergelder umfasst. Die von der Landesregierung in diesem Kapitel vorgeschlagenen Maßnahmen würden weitestgehend nicht den Vorgaben der EU im Sinne einer „Green Transition“, eines ökologischen Wandels, entsprechen.

„Darin ist z.B. der Bau von neuen Speicherbecken und Multifunktionsspeichern für die Beschneiung in Südtiroler Skigebieten in der Höhe von 21 Mio Euro vorgesehen. Diese Vorhaben stellen nicht nur einen erheblichen Eingriff in die alpine Landschaft dar. Vereinigung Südtiroler Biologen Bindergasse 1 39100 Bozen info@biologen.bz.it Sie sind zudem weder klimatauglich, noch nachhaltig und widersprechen klar dem Prinzip des EU-Recovery-Plans, wonach Maßnahmen, die der Umwelt erheblichen Schaden zufügen, nicht finanziert werden dürfen. Hier gilt das Prinzip ‚Do no significant harm‘. Was wir aber ganz besonders bemängeln, ist – angesichts des dramatischen Schwunds von Arten und Lebensräumen- das völlige Fehlen einer landesweiten und umfassenden Strategie zur Erfassung und Erforschung und v.a. zum tiefgreifenden und nachhaltigen Schutz von Lebensräumen sowie von bedrohten Tier- und Pflanzenarten in Südtirol“, erklärt die Vereinigung.

Weiters würden sofortige Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität fehlen, um die Auflagen des Staates und der EU erfüllen zu können. Damit gemeint seien jene Richtlinen, die hierzulande immer noch auf ihre Umsetzung warten. Das laufende Biodiversitätsmonitoring sei dafür nicht ausgerichtet und auch nicht ausreichend.

„Gerade in Anbetracht der außergewöhnlichen Chance mit Hilfe des Recovery Funds einen deutlichen, zukunftsweisenden Schub in Richtung Forschung, Entwicklung und Innovation in unserm Land in Gang zu setzen, fordern wir die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung auf, eine umfassende und koordinierte Südtiroler Offensive in den Bereichen Artenschutz, Schutz von Lebensräumen und nachhaltige Landwirtschaft einzuleiten, verbunden mit Maßnahmen zur Sensibilisierung und Vermittlung dieser Themen in der breiten Öffentlichkeit“, erklärt Vereinigung.

Die Biologen lassen der Landesverwaltung ein Ideenpapier mit konkreten Maßnahmen zu Investitionen und Projekten zukommen.

„Die oben geforderten daten- und faktenbasierten Erkenntnisse, liefern letztlich auch jene naturwissenschaftlichen Expertisen, die für eine innovative Raumordnungspolitik und eine zukunftskompatible und nachhaltige Landwirtschaft unabdingbar sind. Wir brauchen die naturwissenschaftliche Expertise mehr denn je, um die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen zu können (EUBiodiversitätsstrategie 2030 COM/2020/380). Sie muss in diesem Sinne integrierender Bestandteil politischen Handelns werden. Diese Vision, diese Perspektive können wir im Vorschlag zum Recovery Fund der Landesregierung vom 22.01.2021, so wie er uns vorliegt, nicht wirklich erkennen“, erklärt die Vereinigung abschließend.

Von: mk

Bezirk: Bozen