Brutaler russischer Angriff auf Zivilisten

Ukraine meldet russischen Beschuss – Kind in Charkiw getötet

Freitag, 06. Oktober 2023 | 19:27 Uhr

Russland hat die Ukraine nach Militärangaben aus Kiew erneut massiv mit Drohnenangriffen und Artilleriefeuer unter Beschuss genommen. In der ostukrainischen Stadt Charkiw starb bei russischem Beschuss eines Wohnhauses ein zehn Jahre alter Bub und seine Großmutter, wie die Behörden am Freitag mitteilten. Der verheerende russische Raketenangriff auf das Dorf Hrosa in Charkiw mit mehr als 50 Toten vom Vortag hat international Entsetzen ausgelöst.

Die ukrainischen Luftstreitkräfte meldeten am Freitag in der Früh, dass die Flugabwehr des Landes 25 von 33 russischen Drohnen zerstört habe. Betroffen gewesen von den Angriffen sei einmal mehr auch der Süden der Ukraine, darunter das Gebiet Odessa. Im Donaugebiet seien unter anderem ein Getreidespeicher beschädigt worden und mehrere Lastwagen in Brand geraten. Es gebe keine Verletzten, hieß es.

Nach Angaben des Generalstabs in Kiew standen zudem mehr als 110 Ortschaften der Ukraine unter russischem Artilleriebeschuss. Den Angaben zufolge wurden mehrere russische Angriffe zurückgeschlagen.

Nach dem Angriff auf Hrosa war das Entsetzen groß. Russlands Armee sei “das absolut Böse”, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in seiner Videoansprache. Auch EU- und UNO-Vertreter verurteilten den Angriff. Nach ukrainischen Behördenangaben waren durch den russischen Raketenbeschuss in Hrosa unweit der Stadt Kupjansk 52 Menschen getötet worden, darunter ein sechs Jahre altes Kind. Ursprünglich hatten die Behörden 51 Tote gemeldet, doch verstarb am Freitag eine weitere Person in einem Spital. Drei Personen galten als vermisst.

Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten sich die Dorfbewohner demnach in dem Café zu einer Trauerfeier für einen verstorbenen Mitbürger versammelt. Die Bergungsarbeiten wurden am Abend abgeschlossen, hieß es, weitere Opfer seien unter den Trümmern nicht gefunden worden. Laut Selenskyj lebten in Hrosa zuletzt etwas mehr als 300 Menschen. Der schlimmste russische Angriff, den es seit Kriegsbeginn im Gebiet Charkiw gab, löschte damit ein Sechstel des Dorfes aus.

Wegen des Angriffs wurde der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, am Freitag ins Wiener Außenministerium zitiert. Generalsekretär Nikolaus Marschik habe am Freitagvormittag ein Gespräch mit ihm geführt, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. “Mit diesem brutalen Angriff auf zivile Ziele bricht die Russische Föderation zum wiederholten Mal das humanitäre Völkerrecht. Die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür wird sich Österreich im Verbund mit anderen Partnern weiterhin einsetzen”, betonte das österreichische Außenamt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den russischen Angriff scharf. “Russlands entsetzlicher Terror gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine lässt nicht nach und hat heute einen weiteren düsteren Meilenstein erreicht”, teilte Borrell mit. Es sei ein abscheulicher Angriff auf unschuldige Zivilisten. Vorsätzliche Attacken auf Zivilisten seien Kriegsverbrechen.

Auch UNO-Generalsekretär António Guterres machte Moskau schwere Vorwürfe. “Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur sind nach dem humanitären Völkerrecht verboten und müssen sofort eingestellt werden”, forderte Guterres über seinen Sprecher Stephane Dujarric. Dieser ließ dabei keinen Zweifel daran, dass die UNO-Vertreter vor Ort Russland als verantwortlich für den Angriff sehen.

Russische Militärs haben in der Nacht auf Freitag nach Darstellung ukrainischer Medien erneut Ziele in der Ukraine mit sogenannten Kamikaze-Drohnen angegriffen. Die in drei Wellen anfliegenden Drohnen hatten unter anderem Tscherkassy im Landesinneren und die südukrainische Hafenstadt Odessa zum Ziel. In beiden Städten wurde die Luftabwehr aktiv. Später hieß es, dass Drohnen auch die Hafeninfrastruktur im Bezirk Ismajil an der Donau nahe der rumänischen Grenze angegriffen hätten. Ein Getreidelager sei beschädigt worden.

Russland wiederum berichtete von ukrainischen Attacken. Unter anderem sei am Freitag in der Früh der Marinestützpunkt in Sewastopol auf der besetzten Halbinsel Krim mit ukrainischen Marine-Drohnen angegriffen worden, berichtete die Staatsagentur TASS.

Die Regierung in Kiew teilte unterdessen am Freitag mit, die Leichen von 64 toten Soldaten aus Russland erhalten zu haben. Im Gegenzug sei eine nicht genannte Zahl von Leichen von Gefallenen an Russland übergeben worden.

Von: APA/dpa/Reuters