Von: mk
Bozen – Wir dürfen keine Sklaven der Arbeit und des Konsums sein. Wir dürfen uns nicht vom Haben, vom Leisten und vom Konsumieren her definieren. Die Profitbesessenheit und Leistungsorientierung gefährden heute oft den Rhythmus des menschlichen Lebens. Diesen Appell lanciert zumindest Bischof Ivo Muser in seinem Hirtenbrief.
Die Mentalität des „immer Mehr“ mache abhängig und krank. „Die Zeit der Erholung, vor allem am Sonntag und an unseren Feiertagen, dient unserem Wohl und ist ein Beitrag zu einer gerechteren und menschlicheren Gesellschaft. Sonn- und Feiertage sind ein hohes Menschheitsgut und dürfen nicht durch die Ideologie des Konsums zu einem Geschäft verkommen, so dass uns der Drang zu konsumieren am Ende müder zurücklässt als vorher. Schon seit Jahren erfolgt eine schleichende und zunehmend unwidersprochene Aushöhlung und Abwertung unserer Sonntags- und Feiertagskultur“, erklärt Muser.
Diese Entwicklung veranlasse ihn erneut zur Bitte, die er an alle Kaufleute, an die politisch Verantwortlichen und nicht zuletzt an jeden und jede von uns richte: Der Sonntag und die kirchlichen Festtage, die befreit sind von allen nicht notwendigen Arbeiten, würden einen unschätzbaren Wert darstellen, den es wieder zu entdecken und zu schützen gelte – auch gegen Widerstände und Privatinteressen – und der der gesamten Gesellschaft zum Vorteil gereiche.
„Wir brauchen den Sonntag und unsere Festtage mit ihren sozialen, familiären, kulturellen und religiösen Chancen! Wir Menschen brauchen mehr und sind mehr als Konsum, klingende Kassen, Hektik und pausenlose Betriebsamkeit. Der Mensch darf sich nicht selbst reduzieren auf das Tun, auf das Leisten, auf das Konsumieren und auf das Haben. Wir brauchen auch mehr als individuelle, private Freizeit. Durch den öffentlichen Schutz unserer Sonn- und Feiertage gewinnen und verdienen wir letztlich alle“ so Muser.
Alle Zeiten dem Profit und dem Konsum zu unterwerfen, sei auch die Untergrabung von religiösen Möglichkeiten. „Ich halte es für eine vorrangige Aufgabe der Kirche heute, für das einzutreten, was keinen unmittelbaren Profit bringt: für die heilige Zeit, für unsere Festtage, und allem voran für den Sonntag. Ich danke allen, die an unseren Sonn- und Feiertagen die notwendigen Arbeiten verrichten im sozialen und karitativen Bereich, in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, in der öffentlichen Sicherheit, aber auch im Tourismus und in den vielen Formen der Dienstleistung. Ich bitte aber darum, wieder mehr zu unterscheiden zwischen notwendigen und nicht notwendigen Arbeiten an unseren Sonn- und Feiertagen“, fügt Muser hinzu.
Auch die bäuerliche Bevölkerung bitte er darüber nachzudenken. „Es macht sehr nachdenklich, wenn auch in der Landwirtschaft oft der Sonntag zu einem Werktag verkommt. Mein aufrichtiger Dank gilt allen, die gegen den Strom schwimmen, die in ihrem Bereich konkrete Zeichen setzen und die auch bewusst Nein sagen zu dieser Entwicklung, weil es uns um ein Ja geht: Ja zum Menschen, zur Familie, zur Gemeinschaft, zur Schöpfung, zu unserer Kultur und zu unserer Glaubensüberzeugung.“
Eine jüdische Geschichte erzählt: Ein römischer Kaiser fragte einen Rabbi, warum die Speisen am Sabbat einen so köstlichen Geschmack haben. „Wir benutzen dazu“, antwortete der Rabbi, „ein gewisses Gewürz, das Sabbat heißt, und tun es in die Speisen“. „Dann gib uns doch etwas von diesem Gewürz“, bat der Kaiser. „Das würde dir nichts nützen“, entgegnete der Rabbi. „Es nützt nur dem, der den Sabbat hält. Für den, der ihn nicht hält, ist es nutzlos.“
„Was der jüdische Sabbat und der christliche Sonntag für die Menschen bedeuten, kann man nicht aus Büchern oder auf Weiterbildungskursen lernen. Diesen besonderen Tag erlernen wir nicht durch ein abstraktes Wissen, sondern im konkreten Gestalten. Die volle Bedeutung dieses Tages kann nur erfahren, wer ihn hält. Seinen Geschmack genießen nur diejenigen, die ihn leben. Ich bitte alle, dass wir wieder auf den Geschmack unserer Sonn- und Festtage kommen. Dieser ‚Geschmack‘ tut uns und der ganzen Gesellschaft gut. Ich bitte darum aus tiefer Überzeugung“, erklärt Muser.