Von: luk
Bozen – Am 16. Mai verbindet das Haydn Orchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Ottavio Dantone im Konzerthaus Bozen die „Wiener Klassik“ des späten 18. Jahrhunderts mit zeitgenössischer Musik aus dem 21. Jahrhundert. Auf dem Programm stehen Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade „Gran Partita“, die Uraufführung des für den regionalen Klangkörper entstandenen Auftragswerks „Armoniosi accenti“ von Paolo Marchettini und Joseph Haydns in London uraufgeführte „Londoner“ Sinfonie Nr. 96. Das Konzert beginnt in Bozen um 20.00 Uhr und wird am 17. Mai in Trient (Auditorium, 20.30 Uhr) wiederholt.
Mozart komponierte seine berühmte Serenade Nr. 10 in B-Dur, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Länge vor allem unter dem Beinamen „Gran Partita“ bekannt ist, 1781 in Wien. „Die Partitur sah nach nichts aus. Der Anfang so simpel. Fast lächerlich. Nur ein Pulsieren, Fagotte, Bassetthörner – wie eine rostige Quetschkommode. Doch da plötzlich, hoch darüber, eine einsame Oboe, ein einzelner Ton, unerschütterlich über allem, bis eine Klarinette ihn aufnimmt, in einer Phrase von solch himmlischer Süße! Das war keine Komposition eines Zirkusaffen! So eine Musik hatte ich noch nie vernommen. Voll tiefster Sehnsucht; einer so unstillbaren Sehnsucht, dass ich erbebte und es mir schien als hörte ich die Stimme Gottes“ – so beschreibt Antonio Salieri in Milos Formans Film „Amadeus“ dieses außergewöhnliche Stück Musik, dessen Adagio schon bei der ersten Begegnung der beiden Komponisten vor der prachtvolle Kulisse eines Rokokopalastes erklingt.
Der Klarinettist und Komponist Paolo Marchettini wurde 1974 in Rom geboren. Seit seiner Übersiedlung in die USA ist er Dozent für Komposition und Musiktheorie am Berklee College in Boston und an der Manhattan School of Music in New York. Der Komponist schreibt: „In „Armoniosi accenti“ (2022) kommt die gleiche Instrumentalbesetzung wie in Mozarts ‚Gran Partita‘ zum Einsatz. Ein Fragment der Basslinie des dritten Satzes bei Mozart wird zum thematischen und harmonischen Ausgangspunkt des neuen Werks. Dann weckt eine mächtige Harmoniefolge die Instrumente aus dem Schlaf, bis sie nach und nach an Leben gewinnen, was in ein Allegro voller rhythmischer Kontraste mündet. Ein kurzes Zitat aus der Symphonie Nr. 104 von Joseph Haydn – als kleine Hommage an das Haydn Orchester – leitet zum Eingangsakkord über, der wie eine Explosion erklingt. Eine intimere Schlusspassage beschließt das Werk. Dem Kontrabass wird die Szene allein überlassen und dessen zarte Klänge scheinen zu sagen: „Lasst mich nicht allein, nehmt mich mit in das Reich der Träume”.
Haydns Sinfonie Nr. 96 ist die erste der „Londoner Sinfonien“ und öffnete ihm ganz neue künstlerische Freiräume. Als freischaffender Komponist schrieb er diese Musik für ein großstädtisches Publikum – und nicht mehr für eine Adelsgesellschaft als Bediensteter am Hof des Fürsten Esterházy in Eisenstadt. Das Werk trägt bis heute auch den Beinamen „The Miracle“ (Das Wunder“), was allerdings auf eine kuriose „Fake News“ zurückzuführen ist. Bei der Uraufführung in den Hannover Square Rooms in London 1791 soll ein Kronleuchter von der Decke gefallen sein, ohne allerdings – wie durch ein „Wunder“ – jemanden zu verletzen. Eine schöne Geschichte, nur ist sie eben falsch. Der Leuchter löste sich erst einige Jahre später aus der Verankerung – bei einem ganz anderen Konzert.
Ottavio Dantone wurde 1960 in Cerignola in der Provinz Foggia geboren und absolvierte sein Orgel- und Cembalostudium am Konservatorium in Mailand. 1985 erhielt er den ersten Preis beim Concours International de Paris, 1986 gewann er den Wettbewerb in Brügge, wobei er beide Male der erste italienische Cembalist war, der einen derartigen internationalen Erfolg errang. Seit 1996 leitet er die Accademia Bizantina in Ravenna, ein Kammerorchester, mit dem er bereits seit 1989 zusammenarbeitet. In den letzten Jahren trat er neben seiner Tätigkeit als Cembalist und Leiter von kleineren Ensembles zunehmend als Operndirigent auf, wobei er sein Repertoire um die Musik der Klassik und Romantik erweiterte. Als Operndirigent debütierte er 1999 in der ersten modernen Aufführung von Giuseppe Sartis „Giulio Sabino“ im Teatro Comunale Alighieri in Ravenna. Seine Karriere führte ihn zu den wichtigsten Konzerthäusern und Festivals der Welt. 2020 wurde er von Staatspräsident Sergio Mattarella mit dem Verdienstorden der Italienischen Republik ausgezeichnet. Seit 2021 ist er der Chefdirigent des Haydn Orchesters und wird ab der Saison 2023/24 dessen neuer Musikdirektor. Im September 2023 übernahm der Barockspezialist Ottavio Dantone die Rolle des Musikalischen Leiters bei den renommierten Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.