Inszenierung Neue Oper Freiburg

“Powder Her Face”: Eine Satire über Doppelmoral

Mittwoch, 23. März 2022 | 15:52 Uhr

Bozen – Margaret Campbell galt als eine der glamourösesten Frauengestalten der englischen Society des 20. Jahrhunderts. Ihr emanzipiertes, sexuell freizügiges Leben, fand jedoch keinen Gefallen in der englischen Upperclass. Von der Presse verurteilt, beginnt der gesellschaftliche und finanzielle Abstieg der Ehefrau des Herzogs von Argyll. Mit der zeitgenössischen Oper Powder Her Face von Thomas Adès zu einem Libretto von Philip Hensher, am Freitag, 25. und Samstag, 26. März im Stadttheater Bozen zu sehen, schließt die Stiftung Haydn von Bozen und Trient ihr Opernfestival 2022 ab. Die Oper in zwei Akten ist eine bissige Satire über die Doppelmoral der Gesellschaft und den Voyeurismus der Medien.

Vor den zwei Aufführungen findet im Foyer des Stadttheaters, jeweils um 19.00 Uhr, eine Werkeinführung statt. Daniela Veronesi, Dozentin an der Freien Universität Bozen, spricht mit dem Dirigenten Timothy Redmond und dem Regisseur Julien Chavaz über die Oper und deren Aktualität. In etwa zur selben Zeit als im Vereinigten Königreich die berühmt-berüchtigte „Profumo-Affäre“, in die hochrangige Regierungsmitglieder verwickelt waren, hohe Wellen schlug, schockierte Anfang der 60er ein weiterer Rotlicht-Skandal die britische Gesellschaft.

Sensationsjournalisten stürzten sich auf den aufsehenerregenden Scheidungsprozess der bürgerlichen Ethel Margaret Whigham und des Herzogs von Argyll, Douglas Campbell. Grund für die Trennung war das ausschweifende außereheliche Liebesleben der Frau: Die Herzogin von Argyll hatte angeblich mehr als 80 Liebhaber. Als mehrere anzügliche Polaroid-Bilder auftauchten, war die Yellow Press nicht mehr zu halten. Ein medialer Prozess begann, der die als „Dirty Duchess“ angeprangerte Margaret Campbell in den finanziellen und gesellschaftlichen Abgrund riss. Die Kammeroper Powder Her Face (deutsch: Pudert ihr Gesicht) zeigt die Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel: Margaret Campbell wird zur Rebellin, die mit gutbürgerlichen Sitten und Tabus ihrer Zeit bricht. Gleichzeitig ist die Oper eine vernichtende Anklage gegen die Doppelmoral der Gesellschaft und den Voyeurismus der Medien, denn wie es der Regisseur Julien Chavaz ausdrückt: „Zwar hatte die Herzogin von Argyll viele Liebhaber, es geht jedoch hier vielmehr um ein Gerichtsverfahren gegen eine Epoche. Eine Epoche, in welcher die Boulevardpresse entsteht und ihre ersten Opfer fordert, indem sie einen Resonanzboden für zerstörerischen Voyeurismus bietet.“

Die Oper entstand 1995, gerade mal zwei Jahre nach dem Tod von Margharet Campbell, als Auftragswerk der Almeida Opera von Islington für das Cheltenham Music Festival. Die Kammeroper zu einem Libretto von Philip Hensher skizziert in sieben annähernd biografischen Episoden das Leben der tragischen Frauengestalt, das 1993 in einem englischen Pflegeheim in Armut endete. Die Komposition von Thomas Adès unterstützt den komplexen Erzählstrang mit vielschichtigen instrumentalen Texturen und setzt intime Momente fantasievoll und musikalisch gekonnt in Szene. Zitate populärer Musikstile, von Swing bis Tango, vermitteln das Zeitgefühl der Epoche.

In Bozen ist Powder Her Face in der Inszenierung von Neue Oper Freiburg (italienische Erstaufführung) zu sehen. Regie Julien Chavaz. Bühnenbild Anneliese Neudecker. Kostüme Severine Besson. Lighting design Eloi Gianini. Haydn Orchester von Bozen und Trient unter der Leitung von Timothy Redmond. Darsteller: Sophie Marilley (Die Herzogin), Timur (Der Elektriker, Salonlöwe, Kellner, Priester, Neugieriger, Lieferant), Alison Scherzer (Das Zimmermädchen, die Vertraute, Mätresse, Neugierige, Skandalreporterin) und Graeme Danby (Der Hoteldirektor, Herzog, Wäscher, Gast).

Von: bba

Bezirk: Bozen