Ali Nikrang und Susanne Kiesenhofer beim Arbeiten mit KI "Ricecar".

Strauss-Jahr 2025 – Mit KI komponierte “Walzersymphonie”

Montag, 24. November 2025 | 08:05 Uhr

Von: apa

Johann Strauss kombiniert mit asiatischen Klängen, heutiger Tanzmusik oder aus einem Rauschen kommend – all das entsteht, wenn Kompositionsstudierende mit kreativer Künstlicher Intelligenz (KI) experimentieren. Vier Stücke werden zur “Walzersymphonie”, die am 27. November mit dem Bruckner Orchester Linz unter Johannes Kalitzke in Wien uraufgeführt wird. Ali Nikrang, Pianist und Key Researcher für KI am Futurelab des Linzer Ars Electronica Centers, hat das Projekt begleitet.

Ali Nikrang entwickelte das KI-Kompositionssystem “Ricercar”, mit dem die Studierenden gearbeitet haben. “Wir haben einen Call gestartet an vier Musikuniversitäten in Europa, und wir wollten Studierende, die sich mit der KI auseinandersetzen, aber nicht im Sinne von die KI zu benutzen, um etwas zu imitieren, sondern um etwas Individuelles, Künstlerisches zu schaffen”, erklärt Nikrang im Gespräch mit der APA. Das Projekt und die Möglichkeiten mit der KI wurden in Workshops an den Unis vorgestellt, aus den anschließend eingereichten Konzepten wählte eine Jury die Sieger, die den Beitrag zum Johann-Strauss-Jahr schufen.

Durch Musik mit KI kommunizieren

“Ricercar” ist keine Technologie, die alles automatisiert oder dank eines Prompt ein fertiges Stück liefert, “weil wir wollen ja als Künstler, Künstlerinnen Kontrolle haben, was rauskommt und vor allem das Ganze individuell gestalten”, so Nikrang. Die KI liefert Vorschläge, wie das Stück in den nächsten 30 Sekunden weitergehen könne. “Die Idee ist, dass wir durch die Musik selbst mit dem System kommunizieren.” Man gibt dem System eigene oder andere Musikstücke als Inspiration, und es orientiert sich darauf. An Kurven könne man das verstärken oder weniger signifikant machen, die Aufmerksamkeit zu bestimmten Themen und Melodien lenken. “Man kann die Gewichtung bei den Intervallen verändern, man kann das System mit eigenen Daten weiter trainieren”, erklärt Nikrang seine einzigartige Entwicklung.

Einer der Komponierenden, Johannes Brömmel (Universität Mozarteum Salzburg), manipulierte die Parameter, bis seine Idee funktionierte, aus einem Rauschen langsam zu einem Strauss-Stück zu kommen. Eine andere, Danielle Lurie (Universität für Musik und Theater München), fütterte “Ricercar”, das mit Strauss-Musik und klassischer westlicher Musik trainiert wurde, mit asiatischer und arabischer Musik “und wollte einfach wissen, was passiert, wenn dieses System sozusagen so anfängt”, gibt Nikrang Einblicke. David Bock (Zürcher Hochschule der Künste) entwickelte einen Dialog zwischen Mensch und KI, Carolina Caballero-Bastidas und Matthias Guntner (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) als Duo stellen sich Strauss’ heutigen Zugang zu Tanz vor.

Sehr individuelle Auseinandersetzungen

“Die Auseinandersetzungen, die die Studierenden mit der KI und mit der Musik von Johann Strauss gemacht haben, sind sehr individuell, sehr identisch und ich freue mich darauf”, war Nikrang gespannt auf die Uraufführung, die vom Museumsquartier in den Wiener Musikverein verlegt wurde. Das Schwierige sei gewesen, dass die generative KI als kreatives System eine gewisse Autonomie haben müsse. “Das heißt, das es für Künstlerinnen natürlich sehr neu ist, wenn sie plötzlich mit einem Instrument arbeiten, das selbst eine gewisse Autonomie einbringt.” Aber gleichzeitig könne man das autonome System auch gestalten, formen, manipulieren. “Das heißt, das System braucht die Freiheit, etwas zu komponieren, aber man kann das System selbst vorher anders formen, individualisieren. Und das ist genau die Lösung, die die Studierenden gefunden haben.” Die entstandenen Stücke seien sehr verschieden im musikalischen Charakter, “und das ist der Beweis für mich, dass eben diese KI als Instrument benutzt wurde”.

Nikrangs Aufgabe war es – gemeinsam mit Susanne Kiesenhofer vom Ars Electronica Futurelab – die Komponierenden technisch zu unterstützen, neue Features zu implementieren, wofür ihnen das Know-how fehlte, und im Hintergrund aufzupassen, “dass die Stücke sozusagen als ein Ganzes zusammenkommen können, es war keine direkte Kommunikation zwischen den Komponierenden”.

Die “Walzersymphonie” sei eines der ersten Forschungsprojekte gewesen, das Johann Strauss, zeitgenössische Komposition und KI zu verbinden suchte. “Es gibt in Deutschland auch schon Wettbewerbe zum Thema Komponieren mit KI”, nicht, um zu imitieren, sondern “um künstlerisch etwas Neues zu schaffen”. Immer wenn neue Technologien oder Instrumente gekommen seien, “hat die Kunstcommunity nach Wegen gesucht, wie man diese Technologie wirklich sehr künstlerisch individuell benutzt. Und sehr oft haben diese Anstrengungen zu neuen Formaten, Musikrichtungen oder Instrumenten geführt. Ich denke, bei der KI wird es dasselbe sein. Die KI hat so viel Potenzial”, meinte Nikrang.

(S E R V I C E – “Walzersymphonie” KI-Forschung trifft auf Strauss-Musik und Roland Neuwirth, Uraufführung mit anschließender Podiumsdiskussion, im Wiener Musikverein, Gläserner Saal, am 27. November. www.johannstrauss2025.at)

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