"Zwischen Beharrung und Aufbruch"

Tagung über Südtirol und Trentino von 1955 bis 1964

Dienstag, 16. Dezember 2025 | 13:40 Uhr

Von: Ivd

Bozen – Bei einer ganztägigen Tagung an der Eurac stand das Jahrzehnt 1955–1964 im Mittelpunkt – eine Phase, in der entscheidende politische und gesellschaftliche Entwicklungen die Grundlagen für das Zweite Autonomiestatut legten. Die Veranstaltung wurde vom Center for Autonomy Experience von Eurac Research, der Silvius-Magnago-Stiftung und der Fondazione Museo Storico del Trentino organisiert.

Martha Stocker, Präsidentin der Silvius-Magnago-Stiftung, betonte eingangs die besondere Bedeutung der Epoche: „Die Zeit zwischen 1955 und 1964 war eine Zeit des Umbruchs.“ Die Beiträge der Tagung griffen zentrale Ereignisse wie Sigmundskron 1957, die UNO-Resolutionen sowie die Feuernacht 1961 auf und ordneten sie in internationale, italienische und regionale Zusammenhänge ein. Besonderes Augenmerk galt der parallelen Entwicklung im Trentino, deren Bedeutung im öffentlichen Diskurs häufig weniger präsent ist.

Der Historiker Michael Gehler verwies auf bestehende Forschungslücken: „Es fehlen uns noch Forschungen zu dieser Zeit.“ Er hob hervor, dass die Südtirol-Frage im Kontext der damaligen weltpolitischen Entwicklungen betrachtet werden müsse, einer Zeit erheblicher internationaler Spannungen. Diese Jahre seien, so Gehler, in Teilen eher „Beharrung und Stagnation als Aufbruch und Neuanfang“ gewesen. Die jahrelangen, schwierigen Verhandlungen zeigten umso deutlicher, wie anerkennenswert die damaligen politischen Bemühungen um eine Autonomie sind.

Der Historiker Hans Heiss stellte das Jahrzehnt als Phase besonders enger politischer und emotionaler Verflechtung zwischen Österreich und Südtirol dar. „Südtirol ist für Österreich eine Herzensangelegenheit. Damals war es auch eine Schmerzensangelegenheit.“ Wien habe Südtirol auch genutzt, um außenpolitisch an Statur zu gewinnen. Die Intensität des politischen Austausches in diesen Jahren sei unerreicht geblieben. Zudem sei Südtirols Politik von einem Generationenwechsel geprägt gewesen, der neue Eliten formte und Auswirkungen auf die politischen Verhandlungen hatte. Heiss betonte, dass Italien und Österreich in einem rund zehnjährigen Prozess lernten, Südtirol zunehmend auch systemisch und außenpolitisch für die eigenen Interessen zu nutzen.

Giorgio Postal, ehemaliger Abgeordneter und Senator aus dem Trentino, unterstrich die „fundamentale Bedeutung“ der Zusammenarbeit zwischen dem Trentino und Südtirol, insbesondere innerhalb der 19er-Kommission, die sich in den 1960er-Jahren mit Lösungswegen für die Südtirol-Frage beschäftigte. Die gemeinsame Arbeit in dieser Kommission sei ein wesentlicher Faktor für das spätere Autonomiemodell gewesen.

In mehreren Panels wurden außenpolitische Faktoren, die politischen Prozesse zwischen Rom, Wien, Bozen und Trient sowie die Rolle prägender Akteure diskutiert.

Die Tagung zeigte insgesamt, wie eng internationale und regionale Dynamiken miteinander verflochten waren und wie stark sie die Ausgestaltung der Autonomie beeinflussten.

Bezirk: Bozen

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