Von: mk
Bozen – Die Frage, was am Abend im Fernsehen läuft, hat sich am Samstag bei vielen wahrscheinlich mit einer gehörigen Portion Sensationslust und Skepsis gemischt. Bis man dann zunehmend angewidert im Sessel zur Salzsäule erstarrte. „Leaving Neverland“, die umstrittene Doku über Micheal Jackson, wurde auf ProSieben ausgestrahlt.
In der Dokumentation erzählen zwei Männer, wie sie im Kindesalter den selbsternannten „King of Pop“ kennenlernten, sich mit ihm anfreundeten und dann von ihm jahrelang missbraucht wurden.
Jacksons Nachlassverwalter verklagten den US-Sender HBO, der die Doku produziert hat, auf 100 Millionen Dollar. Fans kritisieren außerdem, dass der im Jahr 2009 verstorbene Musiker sich selbst gegen die Vorwürfe nicht mehr wehren kann. Die beiden Männer würden sein Andenken verunglimpfen.
Die Dokumentation kommt zunächst ganz unaufgeregt daher und konzentriert sich auf die mutmaßlichen Opfer und deren Familien anstatt auf den „Star“. Gerade deshalb wirken die beiden Familienväter beim Schildern ihrer Schicksale glaubhaft.
Jacksons Musik erhält für viele, die die Doku gesehen haben, nun einen bitteren Beigeschmack. Ein Traum, eine Täuschung ist geplatzt wie eine Seifenblase.
Der französische Philosoph Roland Barthes plädiert dafür, Texte – also auch Kunstwerke – immer losgelöst von ihren Urhebern zu betrachten. Auch die betroffenen Familien in der Doku loben Jacksons Werk und seine unzähligen Songs über Frieden in der Welt und eine gerechtere Zukunft. Sie unterscheiden zwischen seiner Musik und seinem Verhalten.
Trotzdem gibt es auch eine Verantwortung für jeden. Ruhm darf nicht dazu führen, dass Künstler über jeden Vorwurf erhaben bleiben und sich alles erlauben dürfen.
Dass wir das bemerken, schmerzt vielleicht, doch es ist auch äußerst wichtig. Es wird Zeit, aufzuwachen und „Neverland“ zu verlassen.