Von: red
Der Mann, der das Altern stoppen will, ist David Sinclair, Professor für Genetik an der Harvard Medical School. Er steht im Zentrum einer medizinischen Revolution. Sein Forschungsteam hat nach eigenen Angaben den Alterungsprozess bei Mäusen und Affen umkehren können – mit einer Methode, die auf epigenetischer Reprogrammierung basiert. In einem Interview mit dem Podcast „Moonshots“ kündigte er an, dass erste Tests an Menschen bereits Anfang nächsten Jahres starten sollen.
Epigenetik statt Science-Fiction
Noch vor wenigen Jahren galt die Idee, das biologische Alter zurückzudrehen, als Fantasie. Doch Sinclair und sein Team nutzen sogenannte Yamanaka-Faktoren – Gene, die normalerweise nur im Embryonalstadium aktiv sind – um Zellen auf einen jüngeren Zustand zurückzusetzen. Bei den Versuchstieren führte das zu messbaren Verjüngungseffekten: besseres Sehvermögen, körperliche Vitalität – und in manchen Fällen sogar eine Verdoppelung der Lebensspanne.
Der Schlüssel: Der epigenetische Code
Sinclairs Theorie des Alterns beruht auf dem sogenannten Informationsverlust im Epigenom – also auf Fehlern in der „Bedienungsanleitung“ unserer Gene. Diese Fehler lassen sich laut seiner Forschung rückgängig machen, ohne dass Zellen komplett neu erzeugt werden müssen. Das bedeutet: Altern ist möglicherweise kein unumkehrbarer Prozess, sondern ein steuerbarer Zustand.
Hightech gegen die biologische Uhr
Für die Suche nach geeigneten Wirkstoffen setzt das Team verstärkt auf künstliche Intelligenz. Statt aufwendiger Gen-Therapien sollen künftig einfache, oral einnehmbare Medikamente genügen, um das Altern zu bremsen oder sogar umzukehren. Die KI analysiert Millionen chemischer Verbindungen, um jene Moleküle zu identifizieren, die epigenetisch wirksam sind. „Was früher Jahrtausende gedauert hätte, schaffen wir heute in Monaten“, so Sinclair.
Der erste Schritt: Heilung durch Rejuvenation
Die klinischen Tests an Menschen starten mit einem klar definierten Ziel: Die Heilung altersbedingter Augenkrankheiten wie Glaukom oder ischämische Optikusneuropathie. Das Auge ist ideal für den Einstieg – es ist gut zugänglich und erlaubt objektive Messungen. Die Therapie: Eine einmalige Injektion ins Auge, gefolgt von einer Aktivierung durch ein bekanntes Antibiotikum namens Doxicyclin.
Wenn Altern heilbar wird
Sollte die Therapie wirken, plant das Team die Ausweitung auf weitere Krankheiten: Alzheimer, ALS und altersbedingte Degenerationen könnten künftig behandelbar oder sogar heilbar sein. In Tierversuchen lebten behandelte Mäuse bis zu 101 Prozent länger als die Kontrollgruppe – ein Befund, der nicht nur die Medizin, sondern die gesamte Gesellschaft verändern könnte.
Die wirtschaftliche Sprengkraft des langen Lebens
Längeres Leben bedeutet nicht nur mehr Zeit, sondern auch enorme wirtschaftliche Chancen. Laut Studien von Harvard, der London School of Business und Oxford würde ein zusätzliches gesundes Lebensjahr der US-Wirtschaft Billionen bringen – durch gesenkte Gesundheitskosten und gesteigerte Produktivität. „Ein aktiver 80-Jähriger wie mein Vater sollte keine Ausnahme sein“, sagt Sinclair.
Zwischen Hoffnung und Hürden
Trotz der bahnbrechenden Erfolge kämpft das Team mit typischen Problemen: fehlende Fördergelder, Vorurteile gegenüber Altersforschung und die hohen Kosten genetischer Therapien. Unterstützung erhält Sinclair zunehmend aus dem Tech-Sektor – unter anderem von Persönlichkeiten wie Jeff Bezos, Brian Armstrong und Sam Altman. Doch er betont: „Diese Therapie soll für alle zugänglich sein – nicht nur für die Superreichen.“
Eine Vision für 150 Jahre Leben
David Sinclair ist überzeugt: Die erste Person, die 150 Jahre alt wird, lebt bereits. Der Weg dorthin ist jedoch steinig. Er fordert mehr öffentliches Engagement und langfristige Investitionen in die Wissenschaft. Denn nur so, sagt er, lässt sich eine Zukunft verwirklichen, in der Altern nicht mehr Schicksal ist – sondern Option.
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