Von: luk
Bozen – Auf der Skala der menschen- und mitarbeiterfreundlichen Führungsqualität erobert sich Südtirol einen Spitzenwert, nämlich 72 Punkte auf dem entsprechenden Index. Zwar liegt Südtirol damit hinter Österreich, aber immer noch vor Deutschland, während Italien bei 68 Punkten die Luft ausgeht, stellt das AFI | Arbeitsförderung in der Erhebung zu den Arbeitsbedingungen in Südtirol (EWCS) fest.
22 Prozent der Südtiroler Beschäftigten sind Führungskräfte. Darunter versteht die EWCS-Studie des AFI leitende Angestellte und Selbstständige mit Mitarbeitern. In der großen EU liegt der Anteil von Beschäftigten, die weisungsbefugt sind, deutlich darunter auf 17 Prozent. Der Unterschied geht zurück auf die Vielzahl an kleinen Firmen im Lande. Der Südtiroler Selbstständige mit Mitarbeitern ist durchschnittlich 49 Jahre alt, der leitende Angestellte durchschnittlich 41. Die typische Führungskraft ist männlich, hat einen Lehrabschluss oder die Matura und findet, dass seine beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Großen und Ganzen genau richtig sind, um die eigene Arbeit gut zu machen.
Führung kostet Kraft
Der Südtiroler Vorgesetzte arbeitet durchschnittlich bis zu 54 Stunden in der Woche und hat viele Arbeitstage, an denen er mehr als zehn Stunden lang arbeitet. Die harte Arbeit schlägt sich in psychischer Belastung nieder. Selbstständige mit Mitarbeitern erreichen 53 Punkte auf dem psychischen Arbeitsbelastungsindex, knapp gefolgt von den leitenden Angestellten mit 52 Punkten. Im Gegenzug zeigen sich Südtirols Führungskräfte zufrieden mit ihrer Vergütung, hat das AFI festgestellt. Führungsverantwortung ist nicht nur anstrengend, sondern nach wie vor eine Welt der Männer: Ihr Anteil beträgt 73 Prozent bei den leitenden Angestellten und 81Prozent bei den Selbstständigen mit Mitarbeitern.
Lob und Anerkennung als Triebfeder
Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Führungsverantwortung arbeiten aber auch nicht gerade stressfrei: Sie bringen es immerhin auf 46 Punkte im Index der psychischen Belastung. Gibt es dafür wenigstens ein freundliches Wort vom Vorgesetzten? Sehr oft, aber nicht immer. 18 Prozent der Mitarbeiter in Südtirol werden „eher nicht oder überhaupt nicht“ für gute Arbeit gelobt, im Handwerk sind es sogar 32 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine große Mehrheit der Beschäftigten ein sozial befriedigendes Betriebsklima vorfindet. Tatsächlich werden Südtirols Führungskräfte von ihren Mitarbeitern insgesamt freundlich benotet: Bei der sozialen Managementqualität steht Südtirol im europäischen Vergleich gut da: Der Indexwert beträgt hierzulande 72, in Italien 68 Punkte. Südtirol positioniert sich damit vor Deutschland (70 Punkte), aber hinter Österreich (75 Punkte) und der Schweiz (76 Punkte). Bei den meisten Faktoren von sozialer Führungsqualität können sich Südtirols Chefs und leitende Angestellte sogar auf die Schulter klopfen: Nach Aussagen ihrer Mitarbeiter sind sie zu 69 Prozent „voll und ganz oder eher“ hilfreich, 71 Prozent schaffen es „voll und ganz oder eher“ zu motivieren, 68 Prozent unterstützen sie in ihrer persönlichen Entwicklung und 91 Prozent zeigen grundsätzlich Respekt vor den Mitarbeitern. Das sind allesamt gute bis sehr gute Werte, stellt der Studienautor und AFI-Forscher Tobias Hölbling fest.
Soziale Führung lässt sich lernen
Doch an zwei Stellen gebe es Verbesserungsbedarf, so Hölbling. Fast jeder fünfte Arbeitnehmer (18 Prozent) berichtet, dass er vom unmittelbaren Vorgesetzten „eher nicht oder überhaupt nicht“ Anerkennung für eine gut gemachte Arbeit bekommt, im Bereich Handwerk beklagen sich sogar 32 Prozent der vom AFI befragten Mitarbeiter über ausbleibendes Lob. Das ist im Vergleich zu den italienischen, schweizerischen und deutschen Handwerkerkollegen ein deutlich schlechterer Wert. Persönliche Anerkennung und Lob für das Erreichen von Arbeitszielen jedoch nicht nur Grundlagen für ein befriedigendes Betriebsklima, sondern auch enorme Triebfedern für den Unternehmenserfolg. „An dieser Stellschraube wäre zu drehen, wenn die Südtiroler Vorgesetzten noch wirksamer führen wollten. Denn die beiden Führungsinstrumente, die Anerkennung und die Rückmeldung, gehören zur beruflichen Werkzeugkiste von Führungskräften und lassen sich im Gegensatz zu Persönlichkeitseigenschaften gezielt erlernen und verbessern“, rät der Arbeitspsychologe Tobias Hölbling.