Firmen tun sich schwer am Arbeitsmarkt

Arbeitsmarkt in Südtirol boomt

Mittwoch, 30. Mai 2018 | 15:08 Uhr
Update

Bozen – In Südtirol boomt der Arbeitsmarkt wie schon seit 20 Jahren nicht mehr. Doch das bringt nicht nur Vorteile, denn für Firmen war es schon lange nicht mehr so schwierig wie zurzeit, qualifiziertes Personal zu finden, denn wer gut ist, hat schon meist einen Job.

 
“Es ist eine große Genugtuung, den Arbeitsmarktbericht für das erste Semester des Jahres vorzustellen”, sagte Arbeitslandesrätin Martha Stocker heute (30. Mai). Die Daten zum Südtiroler Arbeitsmarkt seien sehr erfreulich, in den vergangenen Monaten – das Semester umfasst die Zeit von November 2017 bis Mai 2018 – sei ein Beschäftigungswachstum in einem Ausmaß festgestellt worden, das es in den vergangenen 20 Jahren in dieser Form nie gegeben habe. Wo noch vor vier Jahren Gewitterwolken aufzogen, habe man es nun mit einer stabilen Gutwetterlage zu tun.

Die positive Entwicklung im Detail: In den vergangenen sechs Monaten wurde auf dem Arbeitsmarkt ein Wachstum von 3,7 Prozent registriert, mit Höchstwerten von plus 8,5 Prozent im Hotel- und Gastgewerbe und von plus 5,5 Prozent im Baugewerbe, einer Branche, die über Jahre mit Negativzahlen zu kämpfen hatte. Zurückgegangen ist auch die Arbeitslosenrate an sich: Lag sie vor einem Jahr noch bei 3,5 Prozent, liegt sie in den vergangenen beiden Trimestern bei 2,7 Prozent. In die Verzeichnisse der Arbeitsvermittlungsstellen waren zwischen November 2017 und April 2018 durchschnittlich 15.949 Personen eingetragen, tatsächlich auf Arbeitssuche waren allerdings nur 5.634 von ihnen, das sind 358 weniger als im Vergleichszeitraum 2017. Auch die Beschäftigungsrate ist mit 78,4 Prozent so hoch wie noch nie in Südtirol. “Diese Entwicklung macht Hoffnung darauf, dass wir das von der Landesregierung ausgegebene Ziel von 80 Prozent Beschäftigung im Jahr 2020 erreichen können”, sagte Stocker. Zum Vergleich: Im Bundesland Tirol liegt die Beschäftigungsquote derzeit bei 77,9 Prozent.

Stefan Luther, geschäftsführender Direktor der Landesabteilung Arbeit, betonte die gute Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Statistik Astat, dessen Direktor Timon Gärtner ebenfalls anwesend war. Nur gemeinsam sei es möglich, alle Daten zu erheben, um den Südtiroler Arbeitsmarkt – sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Wirtschaftstreibenden – möglichst vollständig und detailliert abzubilden. Luther hielt fest, dass der Arbeitsmarkt in Südtirol um insgesamt 3,7 Prozent gewachsen sei, er hob aber auch einzelne Bereiche hervor. Etwa die Industrie, die im Laufe der vergangenen sechs Monate mehr als 1000 Arbeiter aufgenommen hat. Dazu komme, dass etwa im Bankwesen oder in der Öffentlichen Verwaltung eine Trendwende weg vom Stellenabbau festgestellt werden könne.

Insgesamt stieg die Zahl der italienischen Staatsbürger, die in Südtirol Arbeit haben, in den vergangenen sechs Monaten um 2 Prozent an, was etwa 3000 Personen entspricht. Im gleichen Zeitraum gab es einen Anstieg an ausländischen Beschäftigten um 12 Prozent; das sind rund 1700 Personen. Auch die Jugendbeschäftigung hat um 4,3 Prozent zugenommen. Unterscheidet man zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, so ergibt sich, dass der Anstieg bei den Männern mit 4,1 Prozent etwas höher ist als bei den Frauen (+3,3 Prozent). Auch die Tatsache, dass ein Großteil neuer Arbeitsverträge nur befristet ausgestellt wird, relativiere sich, wenn man bedenkt, dass etwa 90 Prozent dieser Verträge innerhalb weniger Jahre in unbefristete umgewandelt werden.

Astat-Direktor Timon Gärtner verwies auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2017. Ende 2017 sei die Arbeitslosenquote in Südtirol bei 3,1 Prozent gelegen, es seien also etwa 8000 Menschen arbeitslos gemeldet gewesen. Zeitgleich lag die Arbeitslosigkeit im Bundesland Tirol bei 3,3 Prozent, im Trentino bei 5,7 Prozent und in Italien insgesamt bei 11,2 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit dagegen sei in Südtirol in diesem Zeitraum bei 10,2 Prozent – das entspricht rund 2200 Personen -, in Tirol bei 7,7 Prozent, im Trentino bei 20 Prozent und in Italien insgesamt bei 34,7 Prozent gelegen.

 

SGB: “Zu viele Arbeitnehmer haben unterdurchschnittliche Einkommen”

Die Arbeitsmarktdaten in Südtirol sind positiv, die Arbeitslosenquote ist sehr gering, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, fasst der Südtiroler Gewerkschaftsbund zusammen.

“Gleichzeitig muss aber festgehalten werden, dass die Einkommen in bestimmten Sektoren gemessen an den Lebenshaltungskosten deutlich zu niedrig sind. Dies auch in Anbetracht der Tatsache, dass Wohnraum in Südtirol 48% teuer ist als im gesamtstaatlichen Durchschnitt. Die Immobilien sind hierzulande durchschnittlich 900 Euro pro qm² teurer als im Trentino. Das Durchschnittseinkommen aus lohnabhängiger Arbeit beträgt 21.391 Euro, für Beschäftigte in der Landwirtschaft liegt dieses bei 9.454 und im Bereich Handel, Verkehr, Kommunikation,  Gastgewerbe bei 19.989 Euro im Jahr. Höher ist das durchschnittliche Einkommen im verarbeitenden Gewerbe (28.566 Euro) und in der öffentlichen Verwaltung (24.422 Euro). Im Bauwesen (24.120) und im Bereich der freiberuflerischen Tätigkeiten  (23.451) liegt es leicht über dem Durchschnitt”, so der SGB.

“In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der unbefristeten Arbeitsverträge von 82 Prozent auf 74 Prozent gesunken. Über ein Drittel der Arbeitskräfte erklärt ein Jahreseinkommen, das unter dem Durchschnitt liegt, was auf die Verbreitung von befristeter Beschäftigung und Teilzeitarbeit zurückzuführen ist. Diese Beschäftigungsformen, von denen vor allem Frauen betroffen sind, machen die Annäherung an die Vollbeschäftigung erst möglich. Eine Arbeit zu haben reicht nicht aus, und die genannten Daten belegen dies. Die Lohnentwicklung der meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Südtirol hängt vom gesamtstaatlichen System ab, und die Reallöhne auf gesamtstaatlicher Ebene sind inflationsbereinigt seit 1993 nicht gestiegen. Nachdem wir dies anlässlich der 1.-Mai-Feier  vorgebracht haben, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher für den 7. Juni ein sozialpartnerschaftliches Treffen zur wirtschaftlichen Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einberufen”, heißt es weiter.

“Dabei werden wir bekräftigen, dass es notwendig ist, die Verhandlungstätigkeit auf lokaler Ebene zu stärken. Eine besondere Bedeutung muss den ergänzenden Wohlfahrtsleistungen zukommen, da uns die Alterung der Gesellschaft vor neue und immer größere Herausforderungen stellt und das ergänzende Wohlfahrtssystem angesichts der neuen Bedürfnisse der Bürger ein wichtiges Instrument zur Einkommensumverteilung darstellen könnte”, so der SGB.

Von: luk

Bezirk: Bozen