Offener Brief zum Baustopp an der Talabfahrt

„Bozen kann nicht über Köpfe der Schnalser hinweg entscheiden“ – UPDATE

Samstag, 24. September 2016 | 16:30 Uhr

Schnals – Der Gemeindeausschuss und der Gemeinderat von Schnals, der Tourismusverein Schnalstal, die HGV- und HGJ-Ortsgruppe Schnals, der Schnalser Bauernrat, die Ski- und Snowboardschule Schnalstal, der Sportverein Schnals und der Ötzi Alpin Club protestieren in einem offenen Brief gegen den Baustopp an der Talabfahrt des Skigebietes.

„Voller Genugtuung stellen wir fest, dass es in Schnals nach einer längeren Krise aufwärts geht. Viele Mitbürger glauben wieder an eine positive Zukunft und sind zuversichtlich, an die besten Zeiten anknüpfen zu können. Diese Trendwende ist im ganzen Schnalstal spür- und sichtbar: Unternehmer investieren wieder, die Zahl der Übernachtungen steigt an, neue Arbeitsplätze entstehen. Das ist in Schnals unbedingt notwendig, denn unsere Gemeinde hat in den letzten Jahren ständig an Einwohnern verloren“, heißt es in dem Brief.

Das Signal zum Aufbruch sei von den Gletscherbahnen ausgegangen. Bereits im Herbst 2014, wenige Monate nach dem Einstieg, hätten die neuen Mehrheitseigentümer die Bergstation auf Grawand modern ausgebaut und im Herbst 2015 mit der neuen Leo-Gurschler-Piste die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Weltklasse im Alpinen Skisport wieder auf den Gletscher zurückkehren konnte.

„Das dritte Projekt im Herbst 2016, jenes für die neue Talabfahrt, hat alle begeistert. Endlich würde die sieben Kilometer lange Gletscher-Abfahrt allen Skiläufern zugänglich, endlich könnte man der ständigen Gefahr von Lawinen und Steinschlag ausweichen, und man würde endlich auch auf Skiern auf die Lazaun-Seite wechseln können statt zu Fuß. Vor allem hätte man bei schlechtem Wetter am Gletscher endlich auch eine zusätzliche Piste im geschützten Talbereich“, heißt es in dem Brief weiter.

Der Gemeinderat von Schnals habe das Projekt einstimmig genehmigt, und es gab keine Einsprüche – weder von Verbänden noch von Bürgern. Als mit den Bauarbeiten begonnen wurde, sei im Schnalstal regelrechte Euphorie spürbar gewesen. „Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuße“, erklären die Vertreter der Schnalser Institutionen.

Der Dachverband für Natur und Umweltschutz und der Alpenverein haben einen Baustopp beantragt – und erreicht, gleichwohl alle Gutachten der Landesämter zum Projekt positiv waren. Zuvor hatte es einen negativen Bescheid des Umwelt-Beirates gegeben (in welchem der Dachverband und der Alpenverein selbst vertreten sind). Doch es hatte auch das positive Gutachten des Amtes für Landesplanung gegeben.

Jetzt geht es in einem Rechtsstreit darum, welches Gutachten zählt und welches nicht. Dachverband und Alpenverein wollen nicht hinnehmen, dass das Nein des Umweltbeirates von der Landesregierung nicht zur Gänze berücksichtigt wurde.

„Wie weit aber sind diese Verbände von der Realität und von der Bevölkerung entfernt? Geht es deren Vertretern in Bozen nur um ihre Macht, Nein sagen zu können? Denken diese Leute einmal auch daran, was in einer Gemeinde geschieht, wenn es keine Perspektiven und keine Arbeit mehr gibt? Keiner dieser Verbände hat jemals uns Schnalser um die Meinung gefragt. Das wollen wir so nicht hinnehmen. Zurecht wird die Politik kritisiert, wenn sie Bürgernähe vermissen lässt. Warum klagen dann diese Verbände gegen die Interessen der Schnalserinnen und Schnalser, ohne sich jemals um deren Anliegen und Bedürfnisse, um deren Sorgen, Ängste und Wünsche gekümmert zu haben? Es geht in diesem Fall nachweislich nicht um die Zerstörung eines Biotopes, es geht nachweislich nicht um die Verbauung eines vom Gesetz geschützten Gebietes und es geht auch nicht um die Schlägerung von mehreren Hektar Wald. Es geht um rein verwaltungstechnische Aspekte und darum, wer was bestimmen kann und wer nicht“, heißt es in dem Brief.

Freilich könne nicht Bozen über die Köpfe der Schnalser hinweg entscheiden und deren Meinung einfach ignorieren. „Wenn sich aber die Leute in Bozen einen Teufel darum scheren, dass unsere Hoffnungen auf einen Aufschwung mit einem Mal wieder zerbrechen können, stimmt das mehr als nachdenklich. Verantwortungsvoll ist derlei Tun nicht, und wir sind nicht gewillt, das einfach so hinzunehmen“, heißt es abschließend in dem Brief.

Die Umweltschutzgruppe Vinschgau, die Mitglied des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz ist, sieht einige Punkte anders. Zum Argument, mit der neuen Talabfahrt könne man endlich der ständigen Gefahr von Lawinen und Steinschlag ausweichen, meinen die Umweltschützer: „Fakt ist, dass der im Auftrag der Schnalstaler Gletscherbahnen AG erstellte Schnee- und Lawinenbericht die Lawinengefahr auf der neuen Abfahrt bestätigt. Diese ist sogar gefährlicheren Lawinen ausgesetzt als die bestehende Talabfahrt (mögliche Schneebrettlawinen). Das Hydrographische Landesamt bestätigt die Lawinengefahr.“

Auch dass die sieben Kilometer lange Gletscherabfahrt durch den Eingriff allen Skifahrern zugänglich gemacht werde, bezweifelt die Umweltschutzgruppe: „In Wirklichkeit zeichnet sich der gesamte neue Eingriff keineswegs durch eine besondere Eignung für schwächere Skifahrer aus. Mehr als ein Viertel der Piste weist ein durchschnittliches Gefälle von über 40 Prozent auf.“

Zum Argument, dass man endlich man mit den Skiern zur Lazaunseite wechseln könne, meinen die Umweltschützer: „Die angestrebte Verbindung der beiden Skigebiete Gletscher und Lazaun könnte auch innerhalb der Skizone über einen leicht zu befahrenden Skiweg im Talbereich erfolgen – wie vom Umweltbeirat vorgeschlagen“.

Auch die Frage, ob das Gutachten des Umweltbeirates oder jenes des Amtes für Landesplanung zähle, stimme laut Umweltschutzgruppe so nicht. Das Amt für Landesplanung gebe im Verfahren zur Genehmigung der Machbarkeitsstudie kein gesetzlich vorgesehenes Gutachten ab. Die Landesregierung selbst habe im angefochtenen Beschluss erklärt, dass es das Amt für Landesplanung lediglich „für sinnvoll erachte, einen zusammenfassenden Bericht … zu verfassen, um einen Gesamtüberblick über den Eingriff entwickeln zu können“.

Abschließend meinen die Umweltschützer, dass das Projekt nicht der Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden sei, obwohl diese im vorliegenden Fall eindeutig gesetzlich verlangt gewesen wäre.

Von: mk

Bezirk: Vinschgau