Von: luk
Bozen – Zeitgleich mit mehr als 200 Organisationen, sei es in Delhi, Mailand, London, Washington DC, Zagreb oder Florenz, ging die oew-Organisation für Eine solidarische Welt am gestrigen „Black Friday“ in Bozen auf die Straße.
Vor dem Eingang des H&M in der Museumstraße machte sie mit einem Flashmob auf die Zustände im Textilsektor aufmerksam und klagten das Verhalten des Moderiesen H&M an, der bis Ende November 2018 bessere Arbeitsbedingungen in seinen wichtigsten Produktionsstätten versprochen hatte. Da keine Verbesserungen in Sicht seien, forderte die oew im Zuge der Clean-Clothes-Kampagne alle Konsumenten in Südtirol dazu auf, sich mit den Arbeitern der Zulieferungsfirmen von H&M zu solidarisieren und durch das Unterschreiben der internationalen Petition „Turn around, H&M“ den Moderiese H&M zum „Umdrehen“ zu bewegen.
Mit übergroßen, weißen Taschen, auf denen Slogans wie „Drahn um … und forder‘ menschenwürdige Orbeitsbedingungen!“, „Voltati … per una vita dignitosa di 850.000 lavoratori*rici” und “Muda direzion … per n paiamënt rëidl” standen, schritten die Aktivisten heute Vormittag vor dem Eingang des H&M in Bozen auf und ab und sammelten unter den Passanten Unterschriften für die internationale Petition der Clean-Clothes-Kampagne „Turn around, H&M“. Die Forderungen der Petition, die bereits 140.000 Unterstützer zählt und über die Webseite www.oew.org/hm unterschrieben werden kann, sind: existenzsichernde Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für 850.000 Arbeiter in Bulgarien, der Türkei, Indien und Kambodscha – so wie es der schwedische Konzern in seinem „Fahrplan in Richtung eines fairen Existenzlohns“ vor fünf Jahren versprochen hat.
„Die internationale Presse berichtete damals mit Begeisterung von den Versprechungen des Kleiderriesen und H&M profitierte sehr vom erlangten Image“, so Verena Gschnell, oew-Mitarbeiterin für Bewussten Konsum. Heute, fünf Jahre später, hat H&M den „Fahrplan“ von seiner Webseite gelöscht und stattdessen neue Ziele aufgelistet. “Das Ziel, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, scheint hingegen in weite Ferne gerückt und ein Greenwashing-Event der Vergangenheit.”
„Die Arbeitsbedingungen und Löhne, die wir in den Fabriken entlang der Lieferkette vorgefunden haben, sind weiterhin schockierend“, betont Deborah Lucchetti von der internationalen Clean-Clothes-Kampagne, die im September 2018 einen Report zu den noch immer miserablen Zuständen in den Fabriken von H&M mit ausgearbeitet hatten: „Die Arbeiter berichten von Niedriglöhnen, massiven Überstunden und von der Angst, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Arbeiter, die vor Übermüdung am Arbeitsplatz in Ohnmacht fallen, stehen an der Tagesordnung.“
“Der Report zeigt auf, dass Arbeiter in Indien sowie in der Türkei nur ein Drittel, in Kambodscha weniger als die Hälfte des geschätzten Existenzlohnes und in Bulgarien nicht einmal zehn Prozent von dem, was sie brauchen würden, erhalten, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. In allen vier Ländern reichen die Löhne nicht aus, um die Familie mit genügend Lebensmitteln zu versorgen, Wohnungsmieten zu bezahlen sowie die ärztliche Grundversorgung und die Schulbildung der Kinder zu gewährleisten”, heißt es weiter.
Aber auch die Arbeiter in Italien seien von den schlechten Arbeitsbedingungen betroffen. Eine Arbeiterin, die im H&M-Logistikzentrum Stradella in Italien Kleidung verpackt, erzählt: „Im Magazin, in dem ich arbeite, beginnt der Turnus um 4.30 Uhr morgens. Dabei weiß ich nie, wann ich mit der Arbeit fertig sein werde, nach vier Stunden oder zwölf Arbeitsstunden – da gibt es keine Sicherheit.“ “Nachdem bereits 147 Arbeiter und der Anwalt, der die Arbeiter im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen vertritt, angezeigt wurden, beschloss die Arbeiterin mit ihrer Kritik anonym zu bleiben”, so die oew.
“Diese Missstände vor Augen sind im vergangenen Monat mehrere junge Südtiroler aktiv geworden und haben sich auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram unter den Hashtags #TurnAroundHMChallenge und #TurnaroundHM für ein Einhalten des H&M Versprechens ausgesprochen. In Zusammenarbeit mit der Clean-Clothes Kampagne Italien drehte die oew zudem mit mehreren Jugendlichen ein Video, das heute, am Black Friday, das erste Mal weltweit auf dem Youtube-Kanal der Clean Clothes Campagne zu finden sein wird”, heißt es weiter.
Die junge Filmemacherin und Aktivistin Magdalena Gschnitzer bringt den Inhalt des Kurzfilms auf den Punkt: „Firmen werben oft mit schönen Zukunftsversprechen, um ihre Marke als fair, grün oder nachhaltig zu verkaufen. Solch werbetechnischen ‚Zuckerlen‘ klingen auch sehr gut, besonders für Kunden, die nicht weiter nachhaken. Leider haben diese Versprechen oft nichts mit der Realität zu tun und genau deshalb haben wir den Film gedreht.“
Am Black Friday, an dem die Big Players der Bekleidungsindustrie in den USA und Europa Umsatzrekorde in Milliardenhöhe machen, rief auch Matthäus Kircher, Geschäftsführer der oew, alle Südtiroler dazu auf, sich der globalen Solidaritätsbekundung der Clean-Clothes-Kampagne anzuschließen und ihre Stimme über die Webseite www.oew.org/hm abzugeben: „H&M ist eine von zig Firmen weltweit, welche aus wirtschaftlichen Interessen Menschen ausbeuten und deren Chancen auf ein gutes Leben bereitwillig zerstören. Die Petition ist ein notwendiger Schritt, eine der größten Textilfirmen weltweit zum Umdenken zu bewegen.“