Für Kenner keine Überraschung

Historischer Gastbetrieb des Jahres 2024 ist der Ansitz Pünthof in Algund

Donnerstag, 12. Oktober 2023 | 17:51 Uhr

Bozen/Algund – Die Auszeichnung Historischer Gastbetrieb des Jahres ist ebenso einzigartig wie einmalig. Das war sie schon bei der ersten Verleihung an das für den Alpinismus wie den Tourismus bedeutsame Hotel Drei Zinnen in Sexten im Jahre 2007, das war sie in der Folge bei der Vergabe an die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten historischen Stadthotels, wie das 2010 ausgezeichnete Hotel Laurin in Bozen und das 2011 prämierte Hotel Elephant in Brixen. Einmalig ist die Auszeichnung auch, weil sie nur ein einziges Mal erworben werden kann. Wiederbewerbungen sind für alle anderen, nicht ausgezeichneten Betriebe möglich. Sie ist also von Beginn bis heute einzigartig, wie auch der von der Jury für 2024 ausgewählte Gastbetrieb Ansitz Pünthof in Algund.

Dass damit ein Vielen im Lande unbekanntes Juwel ausgewählt wurde, freut die Veranstalter, die Stiftung Südtiroler Sparkasse genauso wie das Landesdenkmalamt und den Hoteliers- und Gastwirteverband HGV. Auch dass die Jury keine Kompromisse machte. Weder bei der bauhistorischen Bedeutung des Betriebes noch bei den unternehmerischen Leistungen vieler Jahre bis zur Gegenwart.

Kulturerbe mit Zukunft

Dass diese seltenen Qualitäten auch für den Ansitz Pünthof in Algund gelten, beschreibt der österreichische Kunsthistoriker und ehemalige langjährige Landeskonservator in Tirol Franz Caramelle in seinem Beitrag “Kulturerbe mit Zukunft” zu der dem Preisträger gewidmeten Festschrift. Der denkmalpflegerische Aspekt sei für den Wettbewerb wesentlich, schreibt Caramelle. Er habe auch das Ziel, den Fortbestand des Betriebes in seiner traditionell überkommenen Funktion zu gewährleisten. Caramelle verwendet dafür in kluger Weise den Begriff “Nachhaltigkeit”.

Der Kunsthistoriker Leo Andergassen würdigt detailreich und kundig in der gewohnt stilvollen und reich bebilderten Festschrift den Gastbetrieb. Er bezeichnet das Ensemble des Pünthofs als eine “Fremdenverkehrsinkunabel jenseits traditioneller Betriebe”. Die Bezeichnung “Inkunabel” darf als nicht leicht verständliches, aber hohes Lob des gastlichen Betriebes gewertet werden.

Der Hofname Pünt geht auf das lateinische Wort “pons” für Brücke zurück. Das Anwesen liegt unweit eines römerzeitlichen Brückenübergangs. Als Weinhof ist der “Pünt” seit dem Spätmittelalter belegt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde mit dem Obstbau begonnen, in den späten 1950er Jahren wurde daraus auch ein Beherbergungsbetrieb oder wie es damals hieß: eine “Fremdenpension”.

Von Fremdenpension zu Bed & Breakfast & Chalet

Am Pünthof wird laut Andergassen sichtbar, wie sich wachsende und beständig sich verändernde touristische Aufgaben nach und nach ergänzen und letztlich zu einem unverwechselbaren Ensemble zusammenfinden. So nennt sich der Gastbetrieb selbst Ansitz Pünthof Bed & Breakfast & Chalet. Aber nirgendwo, wie Andergassen betont, gebe es den Eindruck, dass mit Fragen der historischen Erinnerung oder dem Erhalt historischer Struktur nachlässig umgegangen worden wäre. So zeigten sich noch heute genügend architektonische Details und Fensterfassungen aus den späten 1950-Jahren, vor allem einen feinen Stiegen Aufgang mit Stabgeländer. Die Erneuerungen von 1957 bis heute sind laut Andergassen auch durch die Beiziehung von Künstlerinnen und Künstlern feinsinnig und stimmig ausgeführt worden. Neben anderen wirkten der Maler Rudolf Stingel, damals noch Student an der Wiener Akademie, der Maler Georg Thuille und der Künstler Manfred A. Mayr. Erinnert wird zudem an Umbauten des Architekten Benito Vascabilla und an Entwürfe von Architekt Wolfram Pardatscher.

Der 36 Betten umfassende Gastbetrieb Ansitz Pünthof zeigt insgesamt laut Jury eine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende, interessante Baugeschichte, an der sich auch annähernd 70 Jahre touristische Bestrebungen aufzeigen lassen. Die Auszeichnung wurde bei dem Festakt an die Eigentümer-Familie Wolf übergeben. Dass diese auch auf eine fast vierhundertjährige Verbindung mit dem ehemaligen “Bindhof” zurückblicken kann, ist eine bemerkenswerte Besonderheit: 1633 hatte sich der aus Bayern stammende Vorfahre Christian Wolf hier niedergelassen.
Der Pünthof zeigt laut Jury also nicht einen “beschwerten” Umgang mit einer speziellen Geschichte, sondern originelle Lösungen im Umgang mit neuen Herausforderungen. Deshalb habe die Auszeichnung Historischer Gastbetrieb auch eine Vorbildwirkung.

Die besondere Auszeichnung an das Hotel Villa Westend

Die besondere Auszeichnung ging an das Hotel Villa Westend in Meran. Die Begründung oder auch Laudatio auf das “üppig mit historisierendem Fassadenschmuck” gestaltete Haus verfasste Landeskonservatorin Karin Dalla Torre. Sie verweist schon im Titel des Beitrags “ach blüht erst, wenn ich komme” auf einen berühmten Gast des Hauses, den Berliner Arzt und Dichter Gottfried Benn, der sich im Frühjahr 1952 immerhin 16 Tage hier aufhielt und sich, wie Dalla Torre schreibt, vom Reiz der Villa Westend “bezaubern” ließ. Nachzulesen und nachzuempfinden im Benn’schen Gedicht “März. Brief nach Meran”.

Das Hotel Villa Westend in der Speckbacherstraße Nr. 9 wurde ab 1895 von dem aus dem Fleimstal stammenden Baumeister Pietro (Peter) Delugan im neubarocken Palaststil errichtet, der selbst auch der Bauherr war. Dieser Stil entsprach, wie Dalla Torre hervorhebt, dem Lebensgefühl der zu Wohlstand gekommenen Bürger und der Kurgäste in ihrer Nachahmung adeliger Wohnkultur.

1913 wurde die Villa von ihrem Eigentümer Mathias Pöder zu einer Pension umfunktioniert und durch einen Anbau im Westen erweitert. Sie erhielt den neuen Namen Westend, der laut Dalla Torre auf die Randposition am Westlichen Ende der Stadt Bezug nimmt.

1983 erwarb die Meraner Hoteliersfamilie Strohmer die Villa Westend. In den folgenden Jahren erfolgten mit Bedacht strukturelle Änderungen, unter anderem der Einbau eines Aufzugs und die Ersetzung von Etagenbädern durch Bäder in den Zimmern. Von der sanitären Ausstattung der Jahrhundertwende erzählen, worauf Dalla Torre hinweist, noch die gusseisernen Wandbrunnen auf jeder Etage. Mit einer umfassenden Restaurierung und Sanierung im Jahr 2017, etwa die denkmalgerechte Dämmung, habe das Hotel wieder zu altem Glanz zurückgefunden. Die Jury lobte denn auch den Qualitätssprung der Gebäudehülle der Villa Westend und das authentische, sehr ansprechende Gesamtkonzept. Träumen kann man in diesem mit der besonderen Auszeichnung prämierten Gastbetrieb also auch weiterhin. Nicht nur im Garten.

Von: mk

Bezirk: Bozen, Burggrafenamt