Von: luk
Bozen – Südtirols Arbeitnehmer erwarten für die Südtiroler Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten mehrheitlich eine Besserung. Trotz schwieriger Bedingungen im internationalen Umfeld konnte sich die lokale Wirtschaft in den letzten Jahren immer recht gut behaupten. Die Rückkehr zur Normalität in wichtigen Sektoren wie dem Baugewerbe, die wiedergewonnene Vollbeschäftigung und die konjunkturelle Stabilität in anderen Branchen dürften für weiteren Auftrieb sorgen: Kurzum, Südtirols Wirtschaft schaltet 2017 einen Gang höher.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der EU bleiben weitgehend positiv: Niedrigzinsen, schwacher Euro, moderate Inflation. Aber die Unsicherheitsfaktoren mehren sich: Der Ausgang der Wahlen in den USA, das angespannte Verhältnis zwischen den NATO-Ländern und Russland, militärische Konflikte im Nahen Osten; auf europäischer Ebene die Folgen des Brexit, das Flüchtlingsproblem, das Terror-Risiko. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK in Düsseldorf prognostiziert für 2017 folgende Wirtschaftswachstumsraten: USA +2,1 Prozent, Eurozone +1,2 Prozent, Deutschland +1,3 Prozent, Österreich +0,9 Prozent und Italien +0,4 Prozent. In Italien hat sich die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern, von hohem Niveau ausgehend, mit Jahresbeginn 2016 sichtlich eingebremst. Am Arbeitsmarkt und bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen konnte Premierminister Renzi den einen oder anderen Erfolg einfahren. Das bevorstehende Verfassungsreferendum vom 4. Dezember jedoch gilt für viele politische Beobachter als Belastungsprobe für die Regierung.
Der Arbeitsmarkt kommt wieder in Schwung, nicht so die Löhne
Für Südtirol erwartet der überwiegende Teil der befragten Arbeitnehmer in den nächsten zwölf Monaten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Dass der Arbeitsmarkt wieder in Schwung gekommen ist, belegen schon ganz klar die Verwaltungsdaten: Im letzten Halbjahr ist die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Vorjahresvergleich um +2,4 Prozent angestiegen und die amtliche Arbeitslosenrate auf 3,7 Prozent abgesunken. So haben auch in der AFI-Umfrage 18 Prozent der Arbeitnehmer angegeben, sich in den letzten 12 Monaten mindestens einmal um einen neuen Job bemüht zu haben. Es sinkt die Sorge, einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, falls es die Situation erfordern würde, und gleichzeitig nimmt die wahrgenommene Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes etwas ab. Das alles signalisiert Zuversicht hinsichtlich eines möglichen Arbeitsplatzwechsels und damit zunehmendes Vertrauen in die Konjunktur. Die jüngste Arbeitsmarktentwicklung in Südtirol hat dennoch eine Schwachstelle: „Es gibt Jobs, aber die Einkommen steigen nicht“, bringt es AFI-Direktor Stefan Perini auf den Punkt. Wie das ASTAT kürzlich belegt hat, sind die Bruttoentlohnungen von Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft im Zeitraum 2009-2014 im Schnitt real um -2,8 Prozent gesunken. „Südtirols Wirtschaft hat weniger ein Wachstums-, aber zunehmend ein Verteilungsproblem“, so Perini.
Südtirols Wirtschaftswachstum 2017: +1,4 Prozent
Das allgemeine internationale Umfeld war in den letzten Jahren alles andere als leicht. Trotzdem hat Südtirols Wirtschaft zu alter Stärke zurückgefunden: Die Rückkehr zur Normalität in wichtigen Sektoren wie dem Baugewerbe, die wiedergewonnene Vollbeschäftigung und eine weitgehende konjunkturelle Stabilität in anderen Branchen. Für 2017 erwartet das AFI eine leichte Steigerung der Wachstumsrate der Südtiroler Wirtschaft auf 1,4 Prozent.
Sieben von zehn Südtiroler Arbeitnehmern haben sich im letzten Jahr zumindest einmal weitergebildet
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird von der beruflichen Weiterbildung mitbestimmt. Hier hat Südtirol im EU-Vergleich Nachholbedarf. Zudem ist in Südtirol der Zugang zu Weiterbildung sehr unterschiedlich. Wer im öffentlichen Dienst arbeitet, hat mehr Möglichkeiten dazu als die Beschäftigten in der Privatwirtschaft, die Unbefristeten mehr als die Befristeten, die Vollzeit- mehr als die Teilzeitbeschäftigten, Männer mehr als Frauen. 71 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer haben sich in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal weitergebildet. Selten war die Weiterbildung verpflichtend; hauptsächlich haben sich Arbeitnehmer aus eigenem Interesse weitergebildet und aus dem Wunsch, besser im Beruf zu sein. Wer sich in den letzten zwölf Monaten nicht weitergebildet hat, gibt an, dass er keine Weiterbildung brauche oder dass der Arbeitgeber sie nicht genehmigt habe. Im Herbstbarometer außerdem zu beobachten: Die erworbenen und die im Job geforderten Kenntnisse driften stärker auseinander, denn mehr Arbeitnehmer als in den Vorjahren sagen, dass sie für ihren Job entweder unter- oder überqualifiziert seien; Und Südtirols Arbeitsnehmer sehen Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Teamarbeit als das Wichtigste in der heutigen Arbeitswelt.
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und wiedergibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrageergebnisse werden Mitte Jänner 2017 vorgestellt.
Stellungnahme von AFI-Präsident Toni Serafini
„Die Südtiroler Wirtschaft hat die Krise relativ gut durchtaucht und hat sich kürzlich auch erholt. Andererseits stellen wir fest, dass die Bruttoentlohnungen von Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft in den meisten Sektoren real zurückgegangen sind. Das muss sich ändern.“
Stellungnahme von Landesrätin Martha Stocker
„Die Entwicklung am Südtiroler Arbeitsmarkt zeigt nach oben: Im vergangenen Halbjahr konnten zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen werden“, zeigt sich Arbeitslandesrätin Martha Stocker über die aktuellen Arbeitsmarktindikatoren zufrieden. „Dennoch müssen wir realistisch bleiben und dürfen nicht glauben, dass es in diesem Rhythmus weitergeht: Das Arbeitskräfteangebot wird zunehmend knapper und wir werden in den nächsten Monaten mit bescheideneren Wachstumsraten rechnen müssen“, so die Landesrätin. „Neben neuen Jobs ist auch eine Anhebung der Löhne für ein positives Arbeitsmarktklima entscheidend, doch hat sich für die Arbeitnehmer finanziell vielfach noch keine Besserung eingestellt“, erinnert Stocker.“
Lanz: „Auch an die Arbeitgeber denken!“
Die heutige Pressekonferenz des AFI zum Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmer zeigte deutlich: Die Rückkehr zur Normalität in wichtigen Sektoren wie dem Baugewerbe und die Stabilität in anderen Sektoren sorgen für Auftrieb. lvh-Präsident Gert Lanz freut sich über den Aufschwung und betont: „Damit das aber auch weiterhin so bleibt, müssen für die arbeitgebenden Unternehmen, die Arbeitsplätze und Beschäftigung ja auch in Zukunft generieren sollen, auch die Rahmenbedingungen passen!“ Er appelliert deshalb an die politischen Verantwortlichen, gesetzliche Auflagen nachvollziehbar und weitsichtig zu gestalten. Konkret bezieht sich dabei auf ein neues Abkommen über Alkohol- und Drogentests, über das morgen (20. Oktober) abgestimmt werden soll.
„Besonders den Aufschwung bei den Beschäftigungszahlen im Bauhandwerk bewerten wir im lvh sehr positiv. Vor allem die verschiedenen Programme zur Förderung von Bauaktivitäten, haben vielen Betrieben zu Aufträgen verholfen und die Krise meistern lassen“, so lvh-Präsident Gert Lanz. Daraus folgte, dass Arbeitsplätze erhalten werden und neu geschaffen werden konnten. „Als Arbeitgeber kleiner und mittlerer Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen verspüren wir eine große Verantwortung gegenüber unseren Beschäftigten, kennen sie und ihr Umfeld und wollen deshalb nach Möglichkeit jeden Arbeitsplatz erhalten. Die vielen gesetzlichen Auflagen, die wir einhalten müssen, erschweren uns diesen Umstand aber immer wieder und konfrontieren uns mit hohen bürokratischen und rechtlichen Herausforderungen“, so Lanz. „Dennoch wollen wir Unternehmen auch weiterhin Beschäftigung und Arbeitsplätze generieren, damit der Aufschwung am Arbeitsmarkt nicht stagniert. Deshalb dürfen zu den bereits bestehenden Auflagen nicht immer wieder neue dazukommen!“ Er bezieht sich dabei auch einen neuen Entwurf eines Abkommens, welches den Konsum von Alkohol und Drogen in gefährlichen Berufen betrifft und im Rahmen der Sitzung der Staat-Regionen-Konferenz am 20. Oktober behandelt werden soll. Dieser sieht u.a. vor, dass Arbeitgeber vor jedem Arbeitseintritt und auch während der Arbeitszeit sicherstellen müssen, dass der Alkoholspiegel des Arbeitnehmers unter 0,3 g/l liegt. „Warum wird hier die Verantwortung alleinig dem Unternehmer übertragen? Er muss bereits dafür Sorge tragen, dass seine Beschäftigten die entsprechenden Pflichtkurse besuchen, bei denen sie u.a. auch für dieses Thema sensibilisiert werden“ fragt Lanz. „Neben der Kontrollpflicht würde auch der bürokratische Mehraufwand und die rechtliche Haftung nur dem Unternehmer aufgehalst“, fasst Lanz zusammen. „Und dieses ist leider nur ein Beispiel von vielen. Wenn Betriebe also auch in Zukunft Arbeitsplätze garantieren und schaffen sollen, muss die Politik dafür sorgen, dass ein Arbeitgeber nicht Angst davor haben muss, Menschen eine Anstellung zu geben, weil er mittlerweile für alles Mögliche rechtlich belangt werden kann“, unterstreicht Lanz abschließend und appelliert an die politischen Verantwortlichen, derartige Abkommen und ihre Folgen genau zu überdenken und ihre Folgen weitsichtig abzuwägen.