AFI-Barometer

Weiterbildung: Mehr Notwendigkeit als Wunsch

Freitag, 28. Oktober 2022 | 10:25 Uhr

Bozen – 66 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer haben in den letzten zwölf Monaten die Möglichkeit wahrgenommen, an einer oder mehreren Weiterbildungen teilzunehmen, um ihre beruflichen Kom-petenzen auszubauen. Diese Zahl ist im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig. Trotz der Fortschritte im Bereich des Fernunterrichts zeigt sich also eine gewisse Schwierigkeit darin, traditionelle Ausbildungsangebote durch solche zu ersetzten, die durch die neuen Technologien ermöglicht werden.

Die berufliche Bildung ist ein entscheidender Faktor für die persönliche Entwicklung, für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt und, nicht zuletzt, für die positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem im Allgemeinen. Doch Daten von Eurostat zufolge (bezogen auf das Jahr 2021), welche die Weiterbildung in den Blick nehmen, hat sich die Ausbildungsbildungsaktivität in Südtirol durch die Pandemie verlangsamt. Der Südtiroler Durchschnittswert liegt unter dem europäischen und auch leicht unter dem gesamtstaatlichen, gleichzeitig aber über dem Wert Deutschlands, wo das Niveau von 2019 noch nicht erreicht wurde.

Der Teilnahmegrad

Die Daten der Herbstausgabe des AFI-Barometers belegen, dass in Südtirol 66 von 100 Arbeitnehmer in den zwölf Monaten vor der Befragung an mindestens einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben, die entweder vom Arbeitergeber bezahl oder – weniger häufig – vom Arbeitnehmer selbst finanziert wurde. 49 Prozent der Beschäftigten nahm auf Anleitung des Arbeitgebers an spezifischen Fachkursen teil; ein bedeutender Anteil (39 Prozent) war bei externen Veranstaltungen dabei (sprich Tagungen, Konferenzen, Seminaren oder Workshops) oder wurde direkt am Arbeitsplatz eingearbeitet (34 Prozent). In 23 Prozent der Fälle wurden berufsrelevante Kurse von den interessierten Arbeitnehmern privat finanziert.

Die Hauptgründe für die Teilnahme

Es gibt diverse Gründe für die Teilnahme an Weiterbildungskursen. 86 Prozent der in Südtirol befragten Arbeitnehmer gaben an sich weiterzubilden, um ihre beruflichen Aufgaben besser erfüllen zu können; 74 Prozent beteiligten sich auch bzw. vor allem aus Eigeninteresse. Andere wiederum wollten vor allem eine Bescheinigung oder ein Zertifikat erhalten (60 Prozent), ihre Karriereaussichten verbessern (51 Prozent), soziale Kontakte knüpfen, die später nützlich sein könnten (45 Prozent), oder den eigenen Lebenslauf anreichern, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu sichern (45 Prozent). Schließlich erklären 50 Prozent, vom Arbeitgeber zur Teilnahme verpflichtet worden zu sein.

Hier geht es zur Grafik (Gründe für die Teilnahme)!

Die Weiterbildungsthemen

In Südtirol geht es bei der Weiterbildung vor allem um drei große Themenbereiche: 38 der Kurse betrafen die Verbesserung der eigenen Sprachkenntnisse, womit nicht nur Deutsch und Italienisch, sondern auch bzw. vor allem Englisch gemeint ist; 27 Prozent waren spezifische EDV-Kurse oder Kurse für die Aktualisierung und den Ausbau bestimmter Fähigkeiten im technologischen Bereich; bei einem kleinen Teil drehte es sich um Betriebsmanagement und Recht, um Führungs-, Werbe-, Marketing- und Rechtskompetenzen auszubauen. „Die in der Schule erworbenen Informatik- und Sprachkenntnisse scheinen den Anforderungen der Arbeitswelt nicht zu genügen oder bedürfen in jedem Fall einer gezielten Weiter- und Fortbildung”, betont AFI-Direktor Stefan Perini.

Gründe für die Nicht-Teilnahme

34 Prozent der Befragten nahm in den letzten zwölf Monaten an keiner beruflichen Weiterbildung teil. Als Grund wurden unter anderem der mangelnde Bedarf an Weiterbildung (44 Prozent) oder der Gedanke, dass das eigene Alter den Bedarf einer Weiterbildung auflöse (31 Prozent), genannt. „Bemerkenswert ist, dass der Wunsch der Arbeitnehmer, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, in den letzten zwölf Monaten, im Vergleich zu den Vorjahren, deutlich abgenommen hat. „Wir können feststellen, dass nur 28 Prozent derjenigen, die an keiner Weiterbildung teilgenommen haben, dies gerne getan hätten“, unterstreicht AFI-Forscherin Maria Elena Iarossi.

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Zu viel oder zu wenig ausgebildet?

60 Prozent der Interviewten erklären, Aufgaben auszuüben, die ihren Fähigkeiten entsprechen. 26 Prozent sind der Auffassung, dass sie mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen auch komplexere Aufgaben als jene ausüben könnten, die zum Zeitpunkt der Befragung in ihren Aufgabenbereich fielen. 14 Prozent der Befragten gaben an, nicht die erforderlichen Kompetenzen für ihre Arbeit zu besitzen und daher einer zusätzlichen Weiterbildung zu bedürfen.

Strategischer Zukunftsfaktor

Um dem technologischen Wandel zu begegnen und den ständigen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften entsprechen zu können, bedarf es auch einer hochwertigen beruflichen Weiterbildung, die für alle zugänglich sein muss. Folglich ist es wichtig, auf das zu achten, was Forscher als “Matthäus-Effekt” bezeichnen (die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer) – sprich zu vermeiden, dass nur diejenigen, die bereits regelmäßig an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, diese in Anspruch nehmen. Stattdessen sind diejenigen stärker einzubeziehen, die derzeit kein Interesse und Engagement für Weiterbildung zeigen, weil sie desinteressiert oder entmutigt sind.

Von: mk

Bezirk: Bozen