Von: mk
Brixen – Seit drei Jahren stagnierte der Weltpreis für Kakaobohnen. Die Folgen davon trugen die Kakaobäuerinnen und -bauern, die kaum noch etwas verdienten. Mitte Juni 2019 kam es endlich zur Wende: Die Hauptexportländer von Kakao – Ghana und Elfenbeinküste – drohten den Kakaoexport gänzlich einzustellen, sollte der Wert nicht wieder steigen. Dass die Aktion Erfolg hatte ist auch dem Druck von Konsumentinnen und Konsumenten weltweit zu verdanken, die immer öfter transparente und faire Produktionsketten fordern. Verena Gschnell, Bereichsleiterin für Bewussten Konsum bei der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt, die die Kakaobäuerinnen und -bauern in Ghana persönlich besuchte, spricht von einem „historischen Ereignis“.
Jede fünfte Kakaobohne, die in Europa zu Schokolade und Kakaopulver weiterverarbeitet und in Südtirols Supermärkten landet, stammt aus Ghana. Nach der Elfenbeinküste ist das westafrikanische Land der zweitgrößte Exporteur von Kakaobohnen weltweit. Gemeinsam produzieren die beiden Länder 60 Prozent der weltweiten Kakaobohnen, die anschließend in Europa oder den USA zu Schokolade und Kakaopulver weiterverarbeitet wird. Die Landwirt*innen erhalten vom endgültigen Preis einer verkauften Schokolade gerade Mal 6,6 Prozent, der Rest fließt in den Handel und die Verarbeitung. Mitte Juni forderten Ghana und die Elfenbeinküste erstmals selbst einen höheren Kilopreis für die Rohware auf dem Weltmarkt: von 2,2 Dollar sollte der Preis der Kakaobohnen auf 2,6 Dollar steigen. Und erstmals hatten die Forderungen Erfolg.
Was wie ein unbedeutender Preisunterschied wirkt, war für die Kakaobäuerinnen und -bauern in Ghana in den vergangenen Jahren zur Existenzfrage geworden. Kingsley Asamoah, der als Agrarökonom und Berater für Kakaobauern bei der staatlichen Einrichtung Ghana Cocoa Board arbeitet, erklärt: „Für die meisten Menschen in Ghana zahlt es sich nicht mehr aus, Kakao anzubauen. Der Weltpreis ist so niedrig, dass die Bauern vom Erlös ihrer harten Arbeit kaum leben können. Deshalb ist es von enormer Wichtigkeit, dass sie den Preis mitbestimmen können.“
Nicht selten ist Kingsley Asamoah bereits um sechs Uhr morgens unterwegs. Menschen aus der gesamten Region rufen ihn an, um mit ihm akute Schwierigkeiten auf den Feldern zu besprechen. Er gibt Rat und setzt sich gemeinsam mit der Regierung und den lokalen Landwirt*innen für bessere Löhne ein. Die Preiserhöhung, die kürzlich erkämpft wurde, ist eine Erleichterung für die gesamte Region. Wohlstand schafft sie bei den Bauersfamilien jedoch keinen. Sie leben weiterhin unter der Armutsgrenze. Wenn eine Ernte ausfällt, kommt keine Versicherung dafür auf, für neue Pflanzungen gibt es keine Vorfinanzierung, die Kinder werden als Arbeitskräfte benötigt. So arbeiten in Ghana rund 800.000 Menschen auf Kakaoplantagen.
Verena Gschnell von der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt, die den Bereich Bewussten Konsum leitet, ist deshalb überzeugt: „Wir müssen Druck auf die Konzerne und den Weltmarkt ausüben. Das Beispiel hier hat gezeigt, dass es immer mehr Menschen gibt, denen es nicht mehr egal ist, unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel hergestellt werden.“ Es könne nicht sein, dass Landwirt*innen, die täglich auf ihren Feldern arbeiten, kein menschenwürdiges Leben führen können, da sie nicht genügend verdienen. Und sie betont weiter: „Das historische an diesem Ereignis ist zudem, dass der Druck dieses Jahr auch erstmals von den Produktionsländern ausging, die die tiefen Weltmarktpreise nicht mehr hinnehmen konnten und wollten.“
Genau für diese globalen Zusammenhänge möchte die OEW sensibilisieren. Matthäus Kircher, Geschäftsführer der OEW, betont: „ In unserem Wirtschaftssystem entfernen sich Konsument*innen und Produzent*innen immer weiter voneinander und es ist fast unmöglich geworden eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Umso mehr müssen wir transparente Lieferketten und somit einen gerechten Handel fordern.“
Die OEW tut dies, indem sie mit dem „Schokokoffer“ ganzjährig durch Südtirols Schulen tourt und für die Schülerinnen und Schüler fast 100 Mal im Jahr den Weg der Kakaobohne bis zur Schokoladentafel nachzeichnet. Für die lokale Ernährungssicherheit setzt sich die OEW als Mitbegründerin des Südtiroler Ernährungsrats ein.