Vater aus Bozen verlor das Sorgerecht

“Waldfamilie” 2.0 in Italien lehnte Staat mutmaßlich ab

Mittwoch, 03. Dezember 2025 | 09:03 Uhr
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Von: idr

Bozen/Caprese Michelangelo – In den vergangenen Wochen hat Südtirol News eng die Entwicklungen der sogenannten „Waldfamilie“ aus Palmoli verfolgt, deren Oberhäupter, Mutter Catherine Birmingham sowie Nathan Trevallion, das Sorgerecht für ihre drei Kinder verloren und kurzfristig von einem italienischen Restaurantbesitzer aufgenommen wurden. Nun erinnert ein weiterer Fall aus Arezzo an die Waldfamilie. Besonders brisant: Der Vater ist ein aus Bozen stammender Mann.

Zwei Kinder im Alter von vier und acht Jahren wurden am 16. Oktober auf Anordnung des Jugendgerichts Florenz von Carabinieri und Sozialarbeitern aus ihrer Familie geholt. Gegen elf Uhr vormittags rückten rund ein Dutzend Einsatzkräfte zum abgelegenen Haus der Familie in Caprese Michelangelo aus. Nachdem den Eltern der Gerichtsbeschluss zugestellt worden war, betraten die Beamten das Grundstück.

Video zeigt ruhigeren Ablauf als zunächst angenommen

Die Familie veröffentlichte selbst Videoaufnahmen der Aktion: Anders als in ersten Darstellungen zu lesen war, zeigen die Aufnahmen keinen gewaltsamen Zugriff. Die Kinder verlassen das Haus sichtbar verwirrt, aber ohne Widerstand. Einem der Buben werden von einem Carabiniere sogar die Schuhe angezogen.

Erst als die Eltern den Abtransport bemerken, eskaliert die Situation. Der Vater ruft lautstark, bezeichnet den Vorgang als „Kriegserklärung“ und bestreitet wiederholt die Legitimität des Staates, dessen Behörden und der Gerichtsdokumente. Er fordert die Beamten auf, Name und Berufstitel anzugeben, und überreicht ihnen einen Stapel selbst verfasster Unterlagen. Die Polizei wirkt in den Aufnahmen routiniert – offenbar hatte es bereits zuvor regelmäßige Kontakte gegeben.

Mutmaßliche Staatsverweigerer-Eltern seit Wochen ohne Kontakt

Harald, ein Elektroniker ursprünglich aus Bozen, und seine Frau Nadia aus Belarus leben seit Jahren in einem Waldhaus fernab der Zivilisation. Sie hatten sich für häuslichen Unterricht entschieden und ihre Kinder nicht im regulären Schulsystem angemeldet. Seit nunmehr 47 Tagen haben sie nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu ihren Söhnen in Gewahrsam. Das Vorgehen der Behörden bezeichnen sie als unverhältnismäßig und überzogen.

Beide Eltern werden der Gruppierung „Uomo vivo, donna viva“ zugerechnet – einem Netzwerk, das strukturell Ähnlichkeiten zu Bewegungen wie „Wir sind Ich bin“ oder den Reichsbürgern aufweist und die Legitimität staatlicher Institutionen infrage stellt. Die Eltern weisen diese Einstufung zurück, ihr Verhalten im Video – insbesondere die Ablehnung des Gerichtsbeschlusses und grundlegender staatlicher Autorität – deckt sich jedoch mit typischen Argumentationsmustern dieser Szene.

Jugendgericht sieht gravierende Mängel

Das Jugendgericht Florenz nennt in seinem Dekret erhebliche Unregelmäßigkeiten beim häuslichen Unterricht. Die Kinder seien in keinem offiziellen Verfahren für Homeschooling registriert gewesen, hätten nie an den vorgeschriebenen jährlichen Prüfungen teilgenommen, und die Eltern hätten bei verpflichtenden Gesundheitskontrollen nicht kooperiert.

Auch in Caprese Michelangelo war die Familie laut der Bürgermeisterin Marida Brogialdi bereits länger bekannt – Homeschooling sei in der Gemeinde zwar nicht ungewöhnlich, doch in diesem Fall habe es wiederholt Auffälligkeiten gegeben. Die Kinder befinden sich derzeit in staatlicher Obhut. Über Besuchsrechte oder eine mögliche Rückführung entscheidet ausschließlich das Jugendgericht Florenz. Ein Zeitrahmen dafür ist bislang nicht bekannt.

Bezirk: Bozen

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