Von: ka
Vittoria – Eine Aktion der Staatspolizei, die zusammen mit anderen Ordnungskräften schon seit geraumer Zeit die „Caporalato“ genannte Sklavenarbeit in der Landwirtschaft bekämpft, brachte unglaublich menschenunwürdige Zustände zutage. Mehrere Dutzend „Knechte“ wurden von den landwirtschaftlichen Unternehmern gezwungen, für nur drei Euro die Stunde von morgens bis abends auf den mit Planen bedeckten Gemüsefeldern im Umland von Vittoria, einer Kleinstadt bei Ragusa auf Sizilien, zu arbeiten. Dabei mussten sie ohne jeglichen Schutz auch gefährliche Düngemittel und Spritzmittel verwenden.
Insgesamt wurden im Rahmen der Polizeiaktion 66 landwirtschaftliche Arbeiterinnen und Arbeiter – acht Italiener, 32 Rumänen, 14 Tunesier, zwei Algerier, sechs Gambier und vier Senegalesen, wobei es sich um 45 Männer und 21 Frauen handelt – einer Kontrolle unterzogen. Dabei deckten die Beamten unglaubliche Zustände auf. Viele Arbeiter, unter denen sich auch viele Asylsuchende befinden, besaßen keine Unterkunft. Sie wurden unter menschenunwürdigen, hygienischen Umständen samt ihrer Familien, unter denen auch viele Kinder und Neugeborene zu finden sind, in barackenähnlichen „Wohnungen“ untergebracht. Bei der Kontrolle kam heraus, dass der Arbeitgeber für die „Unterbringung“ seinen Arbeitern vom Tageslohn – 30 Euro für einen Zehnstundentag – zwei Euro am Tag abziehen würde. Einige der landwirtschaftlichen Unternehmer verlangten von den Familien auch noch Geld für den Strom. Die Familien wurden den Sozialdiensten von Vittoria gemeldet.
Minori tra i pesticidi tossici
Operazione contro il caporalato a Vittoria, 4 imprenditori arrestati e 3 denunciati CLICCA NEL LINK E GUARDA LE FOTO https://t.co/1FDBQtcu21 pic.twitter.com/En5kqJvGMj— lasiciliaweb (@Lasiciliaweb) October 24, 2018
Die Befragung der Arbeiter kamen noch weitere erschütternde Details des „Arbeitslebens“ der Knechte und Mägde heraus. Die Arbeiter erzählten, dass sie die Bezahlung sehr schlecht sei und zudem oftmals unregelmäßig erfolge. Viele Arbeiter seien nie regulär angestellt und auch nie einer arbeitsmedizinischen Untersuchung unterzogen worden. Zudem würden sie gezwungen, ohne Schutzmasken, ohne allen weiteren Sicherheitsvorkehrungen und ohne nötiger Ausbildung, die Pflanzen mit gefährlichen und giftigen Spritzmitteln zu behandeln. Diese Aussagen passten auch zu den Gegebenheiten, die die Beamten vorfanden. Ein 16-jähriger italienischer Jugendlicher, der nie legal angestellt worden war, wurde dabei entdeckt, wie er ohne Handschuhe und Gesichtsmaske ein Feld mit einem starken, giftigen Düngemittel behandelte.
Des Weiteren fehlten in mehreren Betrieben Erste-Hilfe-Kästen sowie jegliche sanitäre Einrichtungen. Im Rahmen der Kontrolle gelang es den Beamten auch, mehrere illegale Müllablagerungsstätten, wo unter anderem Plastikmüll sowie gefährliche Fungizide „entsorgt“ worden waren, ausfindig zu machen. Die illegalen Müllhalden sowie die Baracken der Arbeiterfamilien wurden von den Beamten beschlagnahmt. In mehreren Fällen entnahmen Beamte der italienischen Umweltschutzbehörde auch Bodenproben.
Im Rahmen der Kontrollaktion, an der neben dem Kommissariat von Vittoria auch die Gemeindepolizei von Vittoria, das Arbeitsinspektorat, die lokale Sanitätseinheit sowie die nationale Umweltschutzbehörde teilnahmen, wurden vier „Bauern“ in Gewahrsam genommen und in eine Haftanstalt überstellt. Vier weitere landwirtschaftliche Unternehmer wurden auf freiem Fuß angezeigt. Allen acht Beschuldigten wird neben anderen Vergehen und Straftaten vorgeworfen, die Arbeitskraft der landwirtschaftlichen Arbeiter auf menschenunwürdige Art und Weise ausgenutzt zu haben.
Die Bilder aus Vittoria sorgten weit über Sizilien hinaus für Entsetzen. Wie lange wird es noch dauern, der Plage des „Caporalato“ Herr zu werden, fragen sich viele Italiener.