Was dahinter steckt

Italiens Geisterdörfer erleben einen Boom

Sonntag, 23. November 2025 | 08:02 Uhr

Von: idr

Hoch oben in den Bergen, fernab der Touristenströme, verfallen sie langsam: Italiens verlassene Dörfer. Doch statt in Vergessenheit zu geraten, erleben die „Borghi abbandonati“ gerade einen unerwarteten Boom – als Ausflugsziele, Kunstprojekte und sogar als Schnäppchen-Immobilien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen Millionen Italiener ihre Heimatdörfer in den Bergen. Die Arbeit in den Tälern und Städten war leichter, die Infrastruktur besser. Zurück blieben Hunderte Geisterdörfer – verlassene Steinhäuser, verfallene Kirchen, überwucherte Gassen. Besonders betroffen sind abgelegene Regionen wie die Abruzzen, Kalabrien, die Basilikata oder das Piemont.

Von der Ruine zum Touristenmagneten

Inzwischen haben viele dieser Orte eine neue Bestimmung gefunden. Künstler besiedeln leerstehende Häuser und verwandeln sie in Galerien oder Ateliers. Wanderer entdecken die verfallenen Dörfer als mystische Fotomotive. Manche Gemeinden organisieren Führungen und erzählen die Geschichten der ehemaligen Bewohner.

Besonders bekannt ist Craco in der Basilikata, das nach einem Erdrutsch in den Sechzigerjahren komplett aufgegeben wurde. Heute ist es Filmkulisse und Touristenmagnet. Auch Balestrino in Ligurien oder Romagnano al Monte in Kampanien ziehen Besucher an, die das morbide Ambiente fasziniert.

Craco in der Basilikata
Unsplash/Joshua Kettle

Häuser für einen Euro

Einige italienische Gemeinden gehen noch einen Schritt weiter: Sie verkaufen verfallene Häuser für symbolische Preise – oft nur einen Euro. Der Haken: Die Käufer verpflichten sich, die Immobilie innerhalb weniger Jahre zu renovieren. Projekte gibt es unter anderem in Sizilien, Sardinien und Molise.

Für Abenteuerlustige mit handwerklichem Geschick kann das eine Chance sein. Allerdings sind die Renovierungskosten oft hoch, die Bürokratie kompliziert und die Infrastruktur dünn. Ärzte, Supermärkte und Schulen sind weit entfernt – nichts für jeden.

Romantik trifft Realität

Die verlassenen Dörfer üben eine besondere Faszination aus: Sie erzählen von einem Italien, das es so nicht mehr gibt. Doch wer ernsthaft überlegt, dort zu investieren, sollte genau rechnen – und sich bewusst sein, dass das Leben in einem Geisterdorf mehr Einsamkeit als Dolce Vita bedeutet.

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